Klima-Dezernent: Klimaschutz funktioniert nicht freiwillig
Interview
Klimaschutzgesetze gefordert:Experte: Verantwortung nicht an Bürger geben
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Durchgreifen der Politik statt Eigenverantwortung der Bürger? Warum es Gesetze braucht, um den Anreiz zum Klimaschutz zu schaffen, erklärt der Marburger Dezernent Michael Kopatz.
Menschen brauchen einen Mehrwert, damit sie handeln, sagt auch Klimaforscher Latif. Und den gebe es derzeit bei der Klimagesetzgebung nicht.
Oft ist beim Klimaschutz die Rede von Verboten und Zwang. Vor allem das neue Gebäude-Energie-Gesetz löst große Debatten um den Einbau neuer Heizungen aus. Und viele lassen sich noch schnell eine Gas- oder Ölheizung einbauen, solange es noch geht. Bei all dem kommt die Frage auf, ob wir zu unserem Glück in der Energiewende gezwungen werden müssen.
Viele Experten vermuten, es fehlt an Anreizen. Hartmut Rose, Soziologe an der Universität Jena, sagt: "Es kommt zu einem Dauerkonflikt zwischen dem, was uns gut und verheißungsvoll erscheint, und dem, was uns ökologisch vernünftig erscheint."
Und da ist es tatsächlich so, dass das ökologisch vernünftige meistens den Kürzeren zieht.
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Hartmut Rose, Sozialoge an der Universität Jena
Das neue Gebäudeenergiegesetz, das ab 2024 in Kraft treten soll, verursache "Torschlusspanik", so das Heizungshandwerk. In diesem Jahr seien mehr als doppelt so viele Öl- und Gasheizungen verkauft worden wie Wärmepumpen. 30.05.2023 | 8:26 min
Latif: Menschen handeln nur, wenn sie Mehrwert sehen
Auch Mojib Latif, Klimaforscher und Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR), pflichtet dem bei:
Ich glaube schon, dass tatsächlich Menschen nur dann handeln, wenn sie letzten Endes auch einen Mehrwert darin sehen.
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Mojib Latif, Klimaforscher an der Universität Kiel
Die Menschen müssten profitieren, so Latif. "Und genau das ist im Moment, jedenfalls bei der Klimagesetzgebung, nicht der Fall."
Kopatz: Erst Gesetze, dann freiwillige Routine
Vernünftiges Verhalten kommt nicht von selbst. Müssen wir zum Glück - gezwungen werden? Wir sprechen mit Michael Kopatz, Dezernent für Klimastrukturwandel Marburg.23.05.2023 | 5:45 min
Michael Kopatz ist Umweltwissenschaftler am Institut für Klima, Umwelt, Energie in Wuppertal, Autor des Buches "Ökoroutine". Seit 2022 ist er Dezernent für Klimastrukturwandel, Bauen, Stadtplanung und Mobilität der Stadt Marburg und bis 2028 von seiner wissenschaftlicher Arbeit beurlaubt. Bei den niedersächsischen Kommunalwahlen 2016 wurde er für die Grünen in den Stadtrat von Osnabrück gewählt. Für Kopatz braucht es erst die Gesetze, bevor sich die freiwillige Routine einstellt.
ZDFheute: Ihnen geht es darum, dass die Standards verändert und angehoben werden und dass wir letztendlich den Staat brauchen, um uns in die richtige Richtung zu lenken. Was ist denn da das beste Paradebeispiel?
Michael Kopatz: Die Menschen wollen das Richtige tun und finden Klimaschutz sehr wichtig, aber es fällt uns unheimlich schwer, selbst damit anzufangen. 80 Prozent der Bürger wünschen sich weniger Autoverkehr in der Stadt, aber wer ist denn jetzt bereit, den Wagen stehen zu lassen? Das geschieht nicht von allein. 20 Jahre redet man davon, aber der Autoverkehr ist immer mehr geworden, die Autos immer schwerer und immer größer, also im Prinzip hat sich Verkehrssituation verschlechtert, insbesondere für das Klima, aber auch für die Menschen, die in den Straßen leben. Deswegen ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass es den Menschen leichter fällt, das Richtige zu tun.
Mario Czaja, CDU-Generalsekretär kritisiert die Pläne der Ampel, denn die "Verunsicherung im Land steigt kräftig an". Es sei wichtig, dass die Menschen nicht auf "alte Technologien" zurückgehen.31.05.2023 | 6:55 min
ZDFheute: Nicht nur wir Bürgerinnen und Bürger haben unsere Routinen, sondern auch die Politiker. Eine davon: Ich will gefallen und vielleicht auch wiedergewählt werden. Das spricht dagegen, besonders streng mit dem Bürger zu sein. Wie kriegt man diesen Spagat trotzdem hin?
Kopatz: Politik muss tun, was getan werden muss. Eine katastrophale Ansage war neulich im Fernsehen von einem Politiker: "Es ist nicht der Verkehrsminister Wissing, der die Klimaziele reißt, sondern es sind die Bürger mit ihren Mobilitätsroutinen, die daran festhalten." Und dann kann man sich schon fragen, wofür haben wir denn Politiker, wenn die keine Verantwortung übernehmen?
Es ist fatal, die Verantwortung an den Einzelnen zu übertragen. Deswegen ist die Politik gefordert. Zum Beispiel über Preisanreize zu steuern, über die CO2-Steuer das Fliegen zu begrenzen - also keine weiteren Startbahnen zu bauen -, keine neuen Straßen zu bauen. Das sind Sachen, die ja einfach unterlassen werden müssen.
Das Beispiel Straßenbau ist mein Lieblingsbeispiel. Es dürfte dem Verkehrsminister nicht schwerfallen, hier einfach nichts zu tun.
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Michael Kopatz, Umweltwissenschaftler und Stadtrat von Marburg
Ein großes Problem, nämlich der zunehmende Güterverkehr auf Straßen, wäre damit gelöst, denn wenn die Straßen nicht weiter ausgebaut werden, kann der Verkehr nicht wachsen. Also ich liebe solche einfachen Vorschläge.
"Natürlich müssen die Menschen auch mit Wasserstoff Gasheizungen betreiben können, weil auch Wasserstoff klimaneutral ist", meint Lukas Köhler, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender.30.05.2023 | 5:44 min
ZDFheute: Sie sagten, die Zahl der Pkw sollte man begrenzen, die Zahl der Flüge sollte man begrenzen. Jetzt geht es darum, die Zahl der Öl- und Gasheizungen zu begrenzen, um das Energiegesetz auf die Beine zu stellen. Das ist doch schwierig, da die Politiker totalen Gegenwind bekommen. Sie haben in Ihrem Buch geschrieben, Politiker müssen mutig sein Grenzen zu verändern. Ist das denn in der Form, wie der Gegenwind aus Medien und politischer Opposition kommt, tatsächlich so leicht umsetzbar?
Kopatz:
Ich habe nie gesagt, dass es leicht wird.
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Michael Kopatz, Umweltwissenschaftler und Stadtrat von Marburg
Es tut manchmal weh, ja, das merkt man jetzt auch in der Bundespolitik. Wenn es sich für mich immer gut anfühlt, vorne zu stehen und Politiker zu sein, dann habe ich etwas falsch gemacht. Unbequeme Entscheidungen zu treffen, gehört dazu - von denen ja viele sagen, wir müssen sie treffen. Wir haben eine extrem hohe Zustimmung für Klimaschutz. Man kann nicht immer einknicken, wenn es mal ein bisschen weh tut, und das Heizungsgesetz ist eine absolut richtige Maßnahme.
Das Gesetz ist richtig. Nur man hätte vielleicht sagen können: "Wir machen jetzt einen Fahrplan über die letzten zehn Jahre, den wir schrittweise einführen." Dänemark hat schon vor zehn Jahren klimaschädliche Heizungen untersagt. Und das hat man hier zehn Jahre lang verschlafen. Jetzt muss man hauruckmäßig operieren.
Das Interview führte Gregor Steinbrenner, Moderator von NANO.
Der Klimawandel schreitet voran - abgeschwächt wird er, wenn wir weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen. Wichtige Daten zum Klimawandel im Überblick:
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