Schätzungen: 2023 mehr als 47.000 Hitzetote in Europa
Expertenschätzungen:Hitze: 2023 mehr als 47.000 Tote in Europa
|
2023 war das Jahr mit den zweitmeisten Hitzetoten des vergangenen Jahrzehnts. Laut Experten finden inzwischen gesellschaftliche Anpassungsprozesse an die hohen Temperaturen statt.
Ergebnisse einer neuen Studie zeigen, dass es in diesem Jahrhundert gesellschaftliche Anpassungsprozesse an die hohen Temperaturen gegeben hat.
Quelle: dpa
Mehr als 47.000 Menschen sind nach Expertenschätzungen 2023 in Europa an den Folgen hoher Temperaturen gestorben, dem weltweit wärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen.
Der menschliche Körper versucht, eine innere Temperatur von 36,5 Grad Celsius zu halten. Ist es zu kalt, zittert er um Wärme zu erzeugen. Ist er zu warm, schwitzt er zur Kühlung. Ist die Luft zu feucht und schwül kann der Schweiß nicht verdunsten und kühlen.
Ist die Außentemperatur über der idealen Körpertemperatur von 36,5 Grad Celsius, kann der Körper ebenfalls keine überschüssige Hitze abgeben. Es treten dann fieberähnliche Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Benommenheit auf. Die Blutgefäße weiten sich, der Blutdruck sinkt, der Puls steigt und der Kreislauf schwächelt. Wird es noch heißer, gerinnen die Eiweiße im Körper, ähnlich wie bei einem gekochten Ei. In diesem Fall ist Hitze tödlich.
Besonders gefährdet sind geschwächte Personen, Kinder, Senioren, pflegebedürftige Menschen oder die, die im Freien körperlich schwer arbeiten.
Zahl der Hitzetoten lag nur 2022 höher
Die entsprechende Modellierungsstudie unter Leitung des "Barcelona Institute for Global Health" wurde im Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlicht. Mit den schätzungsweise 47.690 Todesfällen war das vergangene Jahr das mit den zweitmeisten Hitzetoten des vergangenen Jahrzehnts. Lediglich 2022 habe die geschätzte Zahl mit mehr als 60.000 noch höher gelegen.
Die Studienautoren betonten, bei der Zahl handle es sich um eine Schätzung. Mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit bewege sich die Anzahl der Hitzetoten in Europa im Jahr 2023 aber zwischen 28.853 und 66.525.
Katja Horneffer erklärt in 3D, bei welcher Temperatur es gefährlich wird.14.07.2023 | 0:44 min
Hitzebedingte Sterblichkeitslast geschätzt
Die internationale Forschungsgruppe berichtet aber auch, dass anscheinend eine Anpassung an die Hitze stattgefunden hat. Das Team verwendete Mortalitätsdaten des Europäischen Statistikamtes (Eurostat) über 96 Millionen Todesfälle, um die hitzebedingte Sterblichkeitslast im Jahr 2023 für 823 Regionen in 35 europäischen Ländern zu schätzen.
Unter Berücksichtigung der Bevölkerungszahl stellte die Forschungsgruppe fest, dass die Länder mit den höchsten hitzebedingten Sterberaten in Südeuropa liegen: So belegen Griechenland (393 Todesfälle pro eine Million Einwohner), Bulgarien (229), Italien (209) und Spanien (175) die ersten vier Plätze der Schätzung.
In Deutschland lag diese Rate 2023 bei 76 Todesfällen pro eine Million Einwohner.
Das Problem der Waldbrände in Griechenland sei nicht die Hitze, sondern die starken Winde, sagt ZDF-Korrespondent Andreas Postel. Neue Brandherde können entfacht werden.12.08.2024 | 2:02 min
Frauen und ältere Menschen besonders gefährdet
In absoluten Zahlen schätzt die Forschungsgruppe die Zahl der Hitzetoten für 2023 auf knapp 12.750 in Italien, gefolgt von 8.352 in Spanien und 6.376 in Deutschland. Hierzulande starben dabei - wie in fast allen untersuchten Ländern - deutlich mehr Frauen als Männer an den Hitzefolgen, für die insgesamt zudem vor allem ältere Menschen anfällig waren.
Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte für 2023 in Deutschland eine Zahl von 3.200 Hitzetoten ermittelt. Die Zahlen des RKI und des Barcelona-Teams differierten schon für 2022. Dazu hatte ein RKI-Experte erläutert, dass der Unterschied unter anderem mit unterschiedlichen Definitionen von "Hitze" zu tun habe.
Während der Sommer hierzulande durchwachsen ist, ächzt der Süden Europas unter der Hitze. Durch die anhaltende Trockenheit macht sich vielerorts Wassermangel bemerkbar.03.08.2024 | 1:31 min
Das Team um Elisa Gallo aus Barcelona modellierte nun auch die Auswirkungen der hitzebedingten Sterblichkeit ohne Klimaanpassungsmaßnahmen.
Dazu gehören zum Beispiel Verbesserungen in den Bereichen Gesundheitsversorgung, sozialer Schutz und Lebensstil, Fortschritte bei der Gesundheit am Arbeitsplatz und bei den baulichen Gegebenheiten, ein stärkeres Risikobewusstsein und wirksamere Kommunikations- und Frühwarnstrategien.
Wie das Forschungsteam schätzt, könnte die hitzebedingte Sterblichkeit 2023 in der Allgemeinbevölkerung ohne diese Maßnahmen wahrscheinlich um 80 Prozent und in der Bevölkerungsgruppe ab 80 Jahren um über 100 Prozent höher liegen.
Ab wann Hitze gefährlich wird, hängt nicht nur von der Außentemperatur ab. Kommt zur Hitze noch eine hohe Luftfeuchte, ist das für den Körper zusätzlich belastend.
Hitze ist auch dann besonders gefährlich, wenn sie früh im Jahr kommt und wir noch gar nicht richtig akklimatisiert sind.
Auch die Dauer der Hitzewelle spielt eine Rolle. Je länger, desto eher heizen sich die Innenräume und Städte auf. Die Folge: Es gibt immer weniger Möglichkeiten, um den Körper von der Hitze zu entlasten.
Hitze belastet den ganzen Organismus - angefangen vom Herz-Kreislauf-System über die Lungen bis zu den Nieren.
Auch das Gehirn leidet unter der Hitze, wenn man zum Beispiel nicht genug trinkt. Es kann die lebensnotwendigen Kühlmechanismen (Schwitzen, Wärmeabgabe über die Haut) nicht mehr richtig steuern, und der Körper überhitzt. Die Folgen: lebensbedrohliche Hitzeerkrankungen.
"Unsere Ergebnisse zeigen, dass es in diesem Jahrhundert gesellschaftliche Anpassungsprozesse an die hohen Temperaturen gegeben hat, die die hitzebedingte Anfälligkeit und die Sterblichkeitslast der letzten Sommer drastisch reduziert haben, insbesondere bei älteren Menschen", wird Erstautorin Gallo in einer Mitteilung dazu zitiert.
Dazu passe, dass sich die minimale Sterblichkeitstemperatur - die optimale Temperatur mit dem geringsten Sterberisiko - seit dem Jahr 2000 im Durchschnitt des Kontinents allmählich erhöht habe, so Gallo, und zwar von 15 Grad Celsius im Zeitraum 2000 bis 2004 auf 17,7 Grad Celsius im Zeitraum 2015 bis 2019:
"Dies deutet darauf hin, dass wir weniger hitzeanfällig sind als zu Beginn des Jahrhunderts, was wahrscheinlich auf den allgemeinen sozioökonomischen Fortschritt, die Verbesserung des individuellen Verhaltens und Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitswesens wie die nach dem Rekordsommer 2003 durchgeführten Pläne zur Hitzeprävention zurückzuführen ist."
Hier warnt der DWD vor Hitze
ZDFheute Infografik
Ein Klick für den Datenschutz
Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
Erst kürzlich hatte die gleiche Forschungsgruppe zudem mit "Forecaster.health" ein Online-Frühwarnsystem vorgestellt, das für 580 Regionen in 31 europäischen Ländern Prognosen zum Sterberisiko im Zusammenhang mit Kälte und Hitze nach Geschlecht und Alter liefert.
Das kostenlose Tool liefert Prognosen bis zu 15 Tagen im Voraus und basiert nicht nur auf meteorologischen Daten, sondern bezieht auch epidemiologische Modelle ein.
Der weltweite Ausstoß von CO2 steigt weiter an: Für 2024 erwarten die Forschenden des Global Carbon Projects erneut einen Rekordwert. Welche Länder am meisten ausstoßen.