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Neue EKD-Ratsvorsitzende:Kirsten Fehrs - quirlig, spontan, nahbar
von Michael Sahr
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Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs ist zur neuen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt worden. Was zeichnet die 63-Jährige aus?
Kirsten Fehrs hatte seit dem Rücktritt ihrer Vorgängerin Annette Kurschus Ende 2023 den Vorsitz der EKD kommissarisch ausgeübt.
Quelle: dpa
Es gibt Menschen, die betreten einen Raum und die Atmosphäre verändert sich zum Positiven. Kirsten Fehrs, die Hamburger Bischöfin, ist so jemand. Sie hat diese besondere Fähigkeit, die sie im Amt als Sprecherin für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) so dringend braucht: Sie ist quirlig, spontan, lebendig, kurz: Sie ist nahbar.
Fehrs kann zuhören
Die Menschen gehen auf sie zu - und sie geht auf die Menschen zu. Sie kann zuhören. Sie sagt etwas Fröhliches, Tröstendes, Erbauendes, hält den Augenkontakt und gibt ihrem Gegenüber das Gefühl, in diesem Moment der wichtigste Mensch der Welt zu sein.
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Fehrs hatte das Amt als EKD-Vorsitzende bereits seit einem Jahr kommissarisch ausgeübt. Ende 2023 war ihre Vorgängerin Annette Kurschus während der Jahrestagung der Synode in Ulm unter Druck geraten, weil sie vor vielen Jahren gewusst haben soll, dass ein damaliger Kirchenmitarbeiter sexuell übergriffig handelte.
Kurschus bestritt dies, trat aber als Ratsvorsitzende und Präses der Landeskirche von Westfalen zurück, um Betroffenen von sexualisierter Gewalt nicht mit Schlagzeilen durch einen Verbleib im Amt zu schaden, wie sie sagte.
Kurschus entzog sich immer wieder dem Dialog
Sie musste aber auch zurücktreten, weil sie sich immer wieder dem Gespräch und dem Dialog entzog. Im Umfeld hieß es, Kurschus sei zwar eine exzellente Theologin, aber eine miserable Kommunikatorin.
Hinzu kommt: Die Evangelische Kirche steht wegen ihres Umgangs mit sexualisierter Gewalt schon länger in der Kritik. Am Montag mahnten Missbrauchs-Betroffene erneut mehr Tempo bei den notwendigen Reformen an.
Die EKD ist der Zusammenschluss aller 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie vertritt rund 18,6 Millionen protestantische Christen in der Bundesrepublik. Der Rat leitet die EKD in allen wichtigen Angelegenheiten und gilt als öffentliche Stimme der evangelischen Kirche. Quelle: KNA
Eine Anwältin des Publikums brachte Stimmen von Betroffenen ein, die nicht in Gremien der Kirche mitarbeiten. Dabei las sie auch eine Mail vor, in der Bischöfin Fehrs Fehler im Umgang mit einer Betroffenen vorgeworfen werden.
Fehrs im Schatten des Missbrauchs
Der Rat schlug Fehrs dennoch als EKD-Ratsvorsitzende vor, weil es aus seiner Sicht für das vorgeworfene Fehlverhalten keinerlei Anhaltspunkte gebe. Dies hätten externe Prüfungen ergeben. Die Geistliche wurde für die verbleibenden Jahre der aktuellen Amtsperiode bis 2027 gewählt.
Im Schatten des Missbrauchs hatte Kirsten Fehrs ihr Amt provisorisch angetreten. Jetzt hat sie dieses Amt auch endgültig. Und sie wird an genau diesem Thema gemessen werden. Ihr Erfolg und Misserfolg entscheiden sich genau hier.
Mit Material von dpa
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