Bullterrier-Angriff: Vorurteile gegen Hunde gerechtfertigt?

    Listenhunde attackieren Mädchen:Vorurteile gegen Hunderassen gerechtfertigt?

    von Sabrina Zimmermann
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    Wie aus dem Nichts beißen zwei "Kampfhunde" einer Neunjährigen ins Gesicht. Das Ordnungsamt stellt die Hunde sicher. Liegt das Problem bei der Hunderasse - oder woanders?

    Mädchen mit Verletzungen nach Hundeattacke
    Neunjährige von Bullterrier-Mix attackiert: In einigen Ländern werden Staffordshire-Bullterrier und Kreuzungen als Listenhunde geführt. 24.09.2024 | 3:03 min
    Ylvie aus Klötze in Sachsen-Anhalt steigt aus dem Schulbus, als zwei Staffordshire-Bullterrier-Mischlinge auf sie zulaufen und ihr ins Gesicht beißen. Ein Schock für die Schülerin. Die Nachbarn Mihail B. und Ovi M. sind gerade dabei, ein Fliegenschutzgitter anzubringen, als sie die Schreie des Mädchens hören. Sofort rennen sie zu Ylvie, werfen Steine nach den Hunden und schieben das Fliegengitter zwischen die Hunde und die Neunjährige.
    Mit schweren Verletzungen am Kopf muss Ylvie ins Krankenhaus. Entschuldigt hat sich Halterin Meike M. bisher nicht. Mittlerweile ermittelt die Polizei wegen fahrlässiger Körperverletzung. Das Ordnungsamt prüft, ob die Hunde wieder zurück zur Halterin dürfen. Für Ylvie und ihre Mutter wäre das ein Grund wegzuziehen. Ist die grundsätzliche Sorge vor Listenhunden berechtigt?
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    Beißstatistiken wenig aussagekräftig

    In einigen Bundesländern sind Staffordshire-Bullterrier - und damit auch Kreuzungen dieser Hunderasse - als sogenannter Listenhund. Da bestimmte Hunderassen in vielen Bundesländern auf Listen stehen, weil sie entweder gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gehalten werden dürfen, werden sie so genannt. Als Listenhunde gelten besonders aggressive Hunderassen.
    Sogenannte Beißstatistiken sind wenig aussagekräftig, wenn es um die Frage geht, ob Listenhunde häufiger zubeißen. In einigen Bundesländern liegt etwa der Deutsche Schäferhund auf Platz 1 der Beißstatistik, der in der Regel nicht als Listenhund geführt wird. Gleichzeitig ist der Deutsche Schäferhund auch öfter registriert, was die Beißstatistik verzerrt. Andere Bundesländer erheben die Vorfälle generell nicht oder führen keine Rasselisten mehr.

    Sind Vorurteile gegen bestimmte Hunderassen gerechtfertigt?

    Dazu kommt, dass viele Vorfälle - vor allem von kleineren Hunden - gar nicht erst gemeldet werden, da einige Angriffe im persönlichen Umfeld stattfinden. Die Dunkelziffer ist hoch. Inwieweit sind die Vorurteile also gerechtfertigt? Tierärztin Dr. Sabine Holland sieht die Verantwortung beim Halter.

    Es gibt keine Studie, die eine pauschale Einstufung aufgrund der Rassezugehörigkeit bezüglich der Aggression gerechtfertigt.

    Sabine Holland, Tierärztin

    Nach aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand lässt sich sagen, dass die Gefährlichkeit eines Hundes bei allen Rassen von mehreren Faktoren abhängt:
    • der Zuchtauswahl
    • der Sozialisation
    • der Erziehung
    • dem Umgang
    • der Haltung
    Anders gesagt: Jeder Hund kann gefährlich werden. Das Hauptaugenmerk sollte auf dem Hund-Mensch-Gespann liegen. "Laut derzeitiger Studienlage ist das Verhalten des Hundes nur zu neun Prozent genetisch bedingt", sagt Holland.
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    Das sollten Sie bei einer Adoption von Hunden aus anderen Ländern beachten.24.03.2023 | 5:55 min

    Tierschutzbund: Signale des Hundes frühzeitig erkennen

    Die Gründe für eine Bissattacke sind vielfältig und lassen sich nicht pauschal erklären. Doch meist geschieht solch ein Vorfall nicht ohne Vorwarnung. "Bevor es zu einem Beißvorfall kommt, zeigt der Hund in der Regel eine ganze Reihe von Signalen, die vom Menschen entweder übersehen, falsch verstanden oder schlichtweg ignoriert werden", erklärt Nadia Wattad vom Deutscher Tierschutzbund.
    Um Bissattacken vorzubeugen, sprechen sich die Tierschützer für einen verpflichtenden theoretischen Sachkundenachweis vor der Anschaffung eines Hundes aus - ganz unabhängig von der Rasse.
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    Tierärztin fordert praktische Prüfung für Hundebesitzer

    Tierärztin Dr. Holland geht noch einen Schritt weiter. Sie empfiehlt auch einen praktischen Prüfungsteil, um den Haltern bessere Kenntnisse zu vermitteln und damit auch das Risiko eines Angriffs einschätzen zu können.
    Schülerin Ylvie hofft nun, dass die Bisswunde gut und schnell verheilt. Vorerst fährt die Mutter sie mit dem Auto zur Schule. Zu verantworten haben den Angriff letztlich diejenigen, die am anderen Ende der Leine stehen.
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