Jacob Collier: Dieser Popstar will uns Hoffnung schenken
Interview
Kennen Sie Jacob Collier?:Dieser Popstar will uns Hoffnung schenken
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Jacob Collier ist der unwahrscheinlichste Popstar der Gegenwart. Warum Fans auf seinem neuen Album mitsingen, und er sich gegen eine große Plattenfirma entschieden hat.
Jacob Collier im Interview29.02.2024 | 4:25 min
Mit einer Mischung aus Pop und Jazz füllt Jacob Collier aus Großbritannien weltweit Hallen. Jetzt gibt es ein neues Album und eine Welttour. Im ZDF-Interview sagt er, warum seine Fans auf seinem Album mitsingen, und warum er sich gegen eine große Plattenfirma entschieden hat.
ZDFheute: Die stärksten und sehr bewegenden Momente auf Ihren Konzerten sind, wenn Sie gemeinsam mit dem Publikum singen. Das sind Minuten voller Harmonie in einer Zeit, in der Krieg herrscht, in der unsere Gesellschaft polarisiert ist. Gibt die Musik in solchen Zeiten doch ein bisschen Hoffnung?
Jacob Collier: Musik ist eine außergewöhnliche Sprache für die Gefühle der Menschen. Musik gibt uns die Möglichkeit, erst zu hören und dann selbst etwas beizutragen. Doch was gerade in der Welt geschieht - der Krieg, die Klimakrise - da hauen viele was raus, ohne anderen zuzuhören. Ich frage mich: Was kann ich tun?
Und: Freude hilft sehr. Freude bringt Selbstvertrauen. Und wenn Du an Dich selbst glaubst, kannst Du auch an andere glauben.
ZDFheute: Sechs Grammys - zehn Jahre lang auf Tour - und das mit 29 Jahren. Was viele Fans an Ihren Auftritten und Stücken am meisten bewegt: Diese unbändige Freude an und mit der Musik!
Collier: "Freude kann man leicht als Fröhlichsein missverstehen. Freude heißt für mich: Am Leben sein. Leben, Trauer, Liebe, Schmerz. Freude hat für mich auch mit Neugier zu tun. Meine erste Frage an alles ist immer: hmm - und dann ergibt sich ein neues Experiment."
Schon 2017 hat das ZDF das damals 22-jährige Jazz-Wunder Jacob Collier besucht.15.05.2017 | 2:38 min
ZDFheute: Auf Ihren Konzerten verwandeln Sie das Publikum in Chöre, die Sie zu teils anspruchsvollen Melodien dirigieren. Auf dem neuen Album "Djesse Vol. 4" kommen in einem Song 100.000 Stimmen zusammen. Von allen Instrumenten, die Sie spielen, ist Ihnen am Ende die Stimme am wichtigsten?
Collier: Für mich dreht sich alles um die Stimme. Der Klang von 100.000 Stimmen ist ein großer Teil meines Lebens geworden. Und es ist wirklich ein unglaubliches Gefühl. Es hat mir nicht nur viel über Musik, sondern auch über das Leben beigebracht. Dass jeder auf der Welt eine Stimme hat. Jede Stimme ist anders.
ZDFheute: Was vor allem Musiker an Ihren Stücken begeistert, sind die unglaublichen Harmonie-Eskapaden. Immer noch eine Umdrehung mehr, immer noch eine Klangwelt weiter. In den Schulen und Hochschulen schreckt so mancher vor den Tiefen der Harmonielehre zurück - Sie nehmen sich die Zeit, zwischen den Konzerten immer wieder eine Lehrstunde für Interessierte unterzubringen. Warum?
Collier: Der beste Weg, um etwas zu lernen, ist, es anderen beizubringen. Mein Gehirn kann sich sehr gut Konzepte merken. Und mich interessiert sehr, wie Musik funktioniert. Früher war ich auch nicht an Musiktheorie interessiert. Ich dachte nur: Da gibt es Klänge, die ich richtig mag, und ich wollte rausfinden, warum und wie die gut zusammenpassen. Und darüber habe ich dann die Musiktheorie gelernt.
Vor allem Frauen haben bei den Grammys 2024 abgeräumt, wie Taylor Swift, Miley Cyrus und Billie Eilish.05.02.2024 | 2:33 min
ZDFheute: Quincy Jones und Jazz-Größe Herbie Hancock sind Ihre Mentoren. Was haben Sie von beiden gelernt?
Collier: Man muss sein Herz immer für die Abenteuer wach halten. Die Welt mit offenen und interessierten Augen sehen. Das haben mir die beiden beigebracht.
ZDFheute: Das Album ist eine Kraftanstrengung: Sie haben mit 30 Musikern aus allen Teilen der Welt gearbeitet. Und das alles ist Teil eines Projekts von insgesamt vier Alben in wenigen Jahren. Dazu ständig Konzerte rund um den Globus. Trotzdem haben Sie keine große Plattenfirma im Hintergrund, sondern managen, produzieren und vermarkten sich selbst mit einem jungen Team. Warum?
Collier: Jeder Künstler sollte seine künstlerischen Entscheidungen doch frei und unabhängig treffen. Und dann geht es darum, Vertrauen zu schaffen. Zwischen mir als Künstler und meinen Fans, meinen Musikern.
Und deshalb habe ich entschieden, dass ich in der Industrie meine eigenen Entscheidungen treffen will. Das fühlt sich für mich richtig an.
Das Gespräch führte Wolf-Christian Ulrich, Korrespondent im ZDF-Studio London.