Gestrandet auf der ISS: "Teil des Astronauten-Berufs"
Interview
Gestrandet auf der ISS:Ewald: "Das ist Teil des Astronautenberufs"
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Im Interview spricht Astronaut Reinhold Ewald über die Situation der gestrandeten Astronauten auf der ISS und warum auch Space X und Co. sie nicht so einfach herunterholen können.
Die Nasa-Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams an Bord der ISS. (Archivbild)
Wie es sich anfühlt, rund 400 Kilometer von der Erde entfernt zu sein, weiß Reinhold Ewald. Er war 1997 auf der russischen Weltraumstation Mir im Einsatz.
ZDFheute: Wie ergeht es Butch Wilmore und Suni Williams mit der neuen Situation auf der ISS wohl gerade?
Reinhold Ewald: Trotz der Verlängerung der Mission geht es ihnen gut, glaube ich. Beide waren ja schon jeweils zwei Mal auf der ISS und sind mit ihr vertraut. Sie können Aufgaben übernehmen, die die Crew da oben nun eben erledigen muss.
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ZDFheute: Was für Aufgaben sind das?
Ewald: Im Wesentlichen die täglichen Arbeiten: Forschen, Putzen, Essen vorbereiten und so weiter.
ZDFheute: Gibt es auf der ISS genug Vorräte für solche Fälle?
Ewald: Definitiv. Es gibt ja immer die Möglichkeit, dass ein Frachtraumschiff mal nicht ankommt. Nur bei der Kleidung wird es möglicherweise etwas knapp, denn natürlich hatten die Astronauten nicht Kleidung für ein halbes Jahr an Bord ihrer Starliner-Mission. Essensvorräte gibt es aber genug - wenn auch vielleicht nicht das Lieblingsessen der beiden.
Die beiden Astronauten Berry "Butch" Wilmore und Sunita Williams sind Anfang Juni mit dem Raumsschiff "Starliner" zur ISS geflogen. Wegen technischer Probleme beschloss die Nasa jedoch, Wilmore und Williams nicht wieder damit zur Erde zu schicken. Der vom Hersteller Boeing gefertigte "Starliner" machte bereits vor diesem ersten bemannten Flug mit einer langen Liste von Pannen von sich reden: Es gab Probleme mit der Software, dem Design und Streitigkeiten mit Zulieferern.
ZDFheute: Wie anspruchsvoll ist ein so langer Aufenthalt im All für den Körper?
Ewald: Bei den Langzeit-Missionen braucht der Körper Unterstützung. Um die Muskeln zu erhalten und die Knochen nicht allzu sehr abbauen zu lassen, macht man dann Sport an den Geräten auf der Raumstation.
ZDFheute: Wie muss man sich das vorstellen: Ist die ISS dann mit einem ganz normalen Fitnessstudio ausgestattet?
Ewald: Sunita Williams dürfte daran aber ihren Spaß haben - sie ist bei ihrem ersten Flug sogar den Boston-Marathon auf dem Laufband der ISS mitgelaufen. Mit dem Unterschied, dass sie in drei Stunden die Erde zwei Mal umrundet hat. Als medizinische Testobjekte taugen die beiden wohl trotzdem nicht. Weil man auf einen so langen Aufenthalt nicht vorbereitet war, dürften die Vorflug-Daten fehlen.
ZDFheute: Da plant man, für wenige Tage in den Weltraum zu fliegen und hängt dann plötzlich monatelang fest. Ist diese Situation nicht auch psychisch sehr belastend?
Ewald: Speziell dafür wird man nicht ausgebildet, aber da zieht das Grundtraining. Die beiden sind Profis. Eine solche Situation nehmen sie als Herausforderung an. Diese Mentalität braucht man als Explorer, als jemand, der Neuland betreten will. Ich denke, für die beiden ist das keine Katastrophe, sondern Teil des Astronautenberufs.
ZDFheute: Gibt es Risiken, die sich durch diesen längeren Aufenthalt ergeben?
Ewald: Ich würde sagen, keine außer denen, die man im Weltall immer hat. Dazu gehören beispielsweise Situationen, bei denen man die Raumstation schnell verlassen muss: Feuer oder ein Meteoriteneinschlag zum Beispiel. Momentan wäre das wegen der Probleme mit dem Starliner natürlich kritisch.
Ewald: Die sind ja nicht wie der ADAC dauernd unterwegs. Auch sind diese Raumschiffe jeweils für sehr spezielle Aufgaben ausgerüstet. Da spielen auch heute noch Wetter und Technik eine Rolle. Man kann nicht einfach ein Raumschiff hochschicken, das auf diese Mission nicht vorbereitet ist.
Quelle: Imago
...war 1997 Teil der Besatzung der russischen Raumstation Mir bei der deutsch-russischen Mission "Mir 97". Der promovierte Physiker hat seine Doktorarbeit über Radioastronomie geschrieben und war nach seiner Rückkehr aus dem All unter anderem als Crew Operations Manager der ESA für die ISS- und Sojus-Raumflüge der europäischen Astronauten und Astronautinnen zuständig. Wegen seiner Verdienste für die Forschung und Raumfahrt erhielt Ewald russische Orden und Auszeichnungen, die er derzeit niedergelegt hat. Ewald ist außerdem Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und des Landesverdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen. Bis zum Eintritt in den Ruhestand in diesem Jahr hatte er einen Lehrstuhl an der Universität Stuttgart inne, als Professor für Astronautik und Raumstationen am Institut für Raumfahrtsysteme.
ZDFheute: Ist es das erste Mal, dass eine Besatzung im Weltall strandet?
Ewald: Im Jahr 2022 gab es den Fall, dass es ein Leck an der russischen Sojus-Kapsel gab. Auch da entschied man sich dafür, die Kosmonauten lieber nicht damit zurückfliegen zu lassen, sondern mit einem Ersatzraumschiff. Dadurch blieb die Crew mehr als ein Jahr auf der ISS.
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ZDFheute: Ist es eigentlich leicht, von da oben Kontakt zu Freunden und Familie zu halten?
Ewald: Da gibt es natürlich mittlerweile einen großen Fortschritt gegenüber der Mir-Station, auf der ich meinen Einsatz hatte. Wir hatten gerade mal Kontakt zu den Funkstellen, wenn wir über Russland waren. Die ISS ist über Satellit mit Internet, Video- und Sprachanrufen bestens ausgestattet.
ZDFheute: Wie verbringt man denn sonst seine Zeit auf der ISS - wird es da oben nicht langweilig?
Ewald: Wie gesagt, herrscht auch dort ein normaler Arbeitsalltag. Das bisschen Freizeit am Abend verbringt man dann damit, Filme zu schauen oder Nachrichten zu lesen. Es wird auch gerne aus der Cupola-Kanzel fotografiert. Die Zahl der Fotos aus der ISS nähert sich inzwischen drei Millionen. Und das Spannendste ist ja auch immer noch, aus dem Fenster zu schauen und die Erde von oben zu betrachten.
Das Interview führte Anna Grösch.
Quelle: dpa
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