Hochwasser in Reichertshofen: "Es war wirklich eine Welle"

    Überflutungen in Reichertshofen:Hochwasser: "Es war wirklich eine Welle"

    von Christian Harz, Christiane Lange
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    Anwohner, die mit Biertischen ihre Häuser schützen wollen, Sandsäcke, die mit Pylonen befüllt werden: Die Bilder, die diese Flut hinterlässt, bewegen. Drei Menschen berichten.

    Bayern, Regensburg: Ein Hochwasser Warnschild steht am Ufer der Donau.
    Trotz Aufhebung der Unwetterlage durch den Deutschen Wetterdienst bleibt die Hochwasser-Lage in Bayern kritisch. An der Donau steigen die Pegelstände weiter an.04.06.2024 | 0:26 min
    Während in Teilen Bayerns Menschen noch gegen die Fluten kämpfen, rattern in Reichertshofen bereits Pumpen und Generatoren - die zu weiten Teilen auch in Eigenregie organisiert wurden, wie Anwohner berichten. Wie die bayerische Gemeinde die letzten Tage erlebt hat, schildern die Menschen vor Ort.

    Ernüchterung, dass die Schutzmaßnahmen nicht hielten

    Man habe sich Tage vorbereitet, berichtet Michael Franken, Bürgermeister von Reichertshofen. "Sonntagfrüh haben wir uns um sechs Uhr getroffen und hatten die Nachricht vom Fluss aufwärts, dass wir uns auf extremes Hochwasser weit über dem hundertjährigen Bemessungshochwasser einstellen müssen", erklärt Franken.

    Wir sagten: Okay, es steht alles. Als aber dann zwischen acht und neun Uhr morgens die Welle kam - es war wirkliche eine Welle von 20 bis 30 cm - ging es dann im Minutentakt, dass die ersten Hochwasserdämme überspült wurden.

    Michael Franke, Bürgermeister

    Jutta Sonnewald
    Das Hochwasser hat für heftige Überflutungen und somit auch für hohe Schäden gesorgt – auch in Regensburg. Von dort berichtet ZDF-Reporterin Jutta Sonnewald. 04.06.2024 | 1:09 min
    Kurz darauf sei schnell deutlich geworden, "dass die Arbeit der letzten Tage umsonst war, dass kein Bereich, den wir versucht haben, extra zu schützen, gehalten werden kann", so der Bürgermeister.

    Für dieses Hochwasser haben die Schutzmaßnahmen nichts gebracht, weil es zu viel war.

    Michael Franke, Bürgermeister

    "So viel mehr als in der Vergangenheit, dass an Stellen das Wasser ausgetreten ist aus dem Fluss, an denen es noch nie ausgetreten war", schildert Franke die Lage.

    Das war sehr, sehr bedrückend und letztlich hat sich das wie eine Niederlage angefühlt.

    Michael Franke, Bürgermeister

    "Da ist dann auch der Strom ausgefallen, weil das naheliegende Umspannwerk beschädigt wurde." Man habe noch immer keinen Strom in großen Teilen des Ortes. Franke hofft, dass die Infrastruktur bald einigermaßen wiederhergestellt werden könne.
    Helfer bauen Hochwasserstege am Donauufer auf.
    Auch wenn kein weiterer Regen mehr erwartet wird, bleibt die Hochwassersituation mancherorts angespannt. Vor allem in einigen Teilen Bayerns. 04.06.2024 | 1:24 min

    Mit Gartenpumpen gegen den vollgelaufenen Keller

    Bei Faruk Jashari in Reichertshofen läuft der Keller seit zwei Tagen voll. "Ich habe Angst, dass das Erdgeschoss absäuft", sagt er. Mit Gartenpumpen von Bekannten versucht er, das Wasser im Erdgeschoss runterzuhalten - auch damit der Stromkasten nicht im Hochwasser steht.
    Wirklich voran kommt er mit den Gartenpumpen aber nicht. Von offizieller Seite gebe es weder Pumpen noch Informationen. "Wir haben keine Pumpen bekommen, gar nichts, womit wir das Wasser abpumpen können."
    Flutschäden: Debatte um Pflichtversicherung
    Vollgelaufene Keller und verschlammte Wohnungen: Starke Hochwasser sorgten zuletzt vermehrt für Schäden an Gebäuden. Sollte eine Versicherung für Elementarschäden Pflicht werden?03.06.2024 | 2:45 min
    Er warte seit den Morgenstunden darauf, "dass irgendeine Pumpe gebracht wird mit Feuerwehrschlauch, mit der ein bisschen mehr weggeht". Doch niemand sei gekommen, so Faruk, "kein einziger Feuerwehrmann oder irgendwer anderes".
    Dass Politiker wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Markus Söder (CSU) Reichertshofen besuchten, davon hält er wenig.

    Wir stehen im Wasser und die kommen mit Hubschrauber und sonst irgendwas und versuchen, irgendwas schönzureden.

    Faruk Jashari, Anwohner

    "Die Leute sollen uns helfen und nicht irgendwelche Fotos oder sonst irgendwas machen", findet Faruk.
    SGS Slomka x Horneffer
    "Die Häufung solcher Wetterextremereignisse ist sehr wohl mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen", sagt ZDF-Meteorologin Katja Horneffer zur Hochwasserlage in Süddeutschland.03.06.2024 | 3:34 min

    Wenig Schlaf für Feuerwehr

    Matthias ist Feuerwehrmann im Nachbarort, wegen des Hochwassers ist er jetzt in Reichertshofen im Einsatz. Die ganzen Einsatzkräfte seien bereits seit "drei, vier Tagen im Dauereinsatz, bekommen nur wenig Schlaf", erzählt er von seiner Arbeit. Erschwert wird der Einsatz durch fehlende Gerätschaften:

    Irgendwo geht uns das Material für unsere Gerätschaften aus und unsere Manpower.

    Matthias, Feuerwehrmann

    Auch die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten verschärfen die Situation: "Bei uns in Markt Reichertshofen ist es so, dass eben auch die Stromversorgung abgeschnitten worden ist - und somit liegen jetzt auch alle Telefone blank", so der Feuerwehrmann.

    Mobilfunk ist fast nicht möglich.

    Matthias, Feuerwehrmann

    Deswegen sei man auf Funk angewiesen. Aufgrund der vielen Einsätze sei aber auch der Funk "irgendwo am Ende". Man tue alles, was geht, allerdings sei auch bei der Feuerwehr vor Ort "irgendwann das Limit erreicht", dann müsse man "eins nach dem anderen abarbeiten."
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    Quelle: mit Material von dpa

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