Neue Dokumentation über die Diva:Warum Hilde Knef die Deutschen so faszinierte
von Teresa Corceiro
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Hildegard Knef hat die Deutschen fasziniert wie kaum ein anderer Star: Sie vermochte es, zu berühren und zu empören. Nun ist eine Doku über sie erschienen.
"Hilde, wir lieben Dir!" ruft ein Berliner lauthals aus dem Publikum. Friedrichstadtpalast, eine Nebenbühne: das Konzert ist ausverkauft im Berlin der Nachwende. Hildegard Knef steht auf der Bühne, hält inne, dann laufen Tränen über ihre Wangen.
Sie ist gerührt, erleichtert, dankbar. Ein großer Knef-Moment, der alles sagt. Auf der einen Seite die Millionen Fans, die sie abgöttisch lieben, weil sie die Gabe hat, den Menschen tief in die Herzen zu schauen und Lieder schreibt, die ganz von ihr handeln und in denen sich doch jeder gemeint fühlt. Und dann die andere Seite.
Hildegard Knef: Offen, selbstbewusst, polarisierend
Die Deutschen haben sich an ihr abgearbeitet von Anfang an. Der Film "Die Mörder sind unter uns" machte seine 19-jährige Hauptdarstellerin Hildegard Knef über Nacht zum Star. Doch schon bald, im Jahr 1951, brach über das Fräuleinwunder ein beispielloser Orkan herein.
Ein Filmplakat des Films "Die Sünderin", mit dem Hildegard Knef für Aufsehen sorgte.
Quelle: imago
Im Film "Die Sünderin" war sie für exakt sechs Sekunden nackt zu sehen und die Republik fiel über sie her. Ein hysterischer und unbeschreiblicher Shitstorm folgte: Demonstrationen, brennende Kinos und eine nationale Empörung, deren Ausmaß heute kaum noch vorstellbar ist.
"Die Knef" ist Tabubrüchen nie aus dem Weg gegangen
Vermutlich hat sie die vielen Tabubrüche nicht gesucht, aber sie ist ihnen auch nicht ausgewichen. Als emanzipierte und selbstbewusste Frau tat sie, was sie wollte und sprach offen.
"Sie war ihrer Zeit weit voraus", sagt Luzia Schmid, die Regisseurin des Dokumentarfilms "Ich will alles. Hildegard Knef". Es waren meist moralische Empörungen: weil sie sich in einen verheiraten Mann verliebte, weil ihr dritter Mann 15 Jahre jünger war als sie, weil sie offen über ihre Krebserkrankung sprach, die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Und die Presse stürzte sich auf sie. Es verging kaum eine Woche ohne Knef-Schlagzeilen in der Boulevardpresse. So mancher Klatschreporter dürfte auskömmlich von wahren oder erfundenen Geschichten über die Knef gelebt haben.
Hildgard Knef hatte ein Talent für die Verwendung von Sprache
Hildegard Knef war eine hervorragende Schauspielerin, konnte singen und schreiben. Ihre Interviews und die Texte ihrer Lieder ließen bereits erkennen, wie gut sie mit Sprache spielen konnte. Aber die Schriftstellerin Hildegard Knef war eine echte Entdeckung.
Drei Bücher hat sie im Laufe ihres Lebens geschrieben, schon damals große Erfolge, aber heute zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geraten. Die Schilderungen ihrer Erlebnisse in den letzten Kriegstagen im zerbombten Berlin zählen zum eindringlichsten, was darüber geschrieben wurde.
In einem exklusiven Interview spricht ihre Tochter über Hildegard Knef:
Am 28. Dezember 2025 wäre sie 100 Jahre alt geworden. Zweifelsohne war Hildegard Knef eine große Künstlerpersönlichkeit. Ihre Musik, ihre Filme, ihre Bücher, sie hat der Nachwelt viel geschenkt.
Aber der Grund, warum es sich auch im Jahr ihres runden Geburtstags unbedingt lohnt, mit Hildegard Knef zu beschäftigen, lässt sich in ihren Interviews erahnen.
Hildegard Knef hätte auch heute viel zu sagen
Dort lernt man eine Frau kennen, die nachdenklich, klug und unverstellt spricht. Eine Frau mit Rückgrat, die ehrlich auch die deutsche Schuld anspricht, von der viele nichts hören wollen. In Zeiten wie diesen, in denen Demokratien wanken, würde man gerne die Stimme dieser mutigen Frau hören.
Am 1. Februar 2002 ist Hildegard Knef an den Folgen eines Lungenemphysems gestorben. Nur zwei Wochen vor ihrem Tod gab sie am 17. Januar dem ZDF ihr letztes Fernsehinterview. Darin sprach sie einen Satz, der so gar nicht nach Hildegard Knef klingt: "Ich habe gar keine Lust zu kämpfen."
Teresa Corceiro ist Redakteurin und Autorin für 3sat Kulturzeit.
Quelle: dpa
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