Abhör-Apps für Werbezwecke: Hört mein Handy mit?

    Abhör-Apps für Werbezwecke:Hört mein Handy mit?

    von Peter Welchering
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    Es gibt einige Apps, die aus dem Handy eine Wanze machen können. Geheimdienste hören so ihre Zielpersonen ab. Machen Internet-Konzerne das auch für Werbezwecke?

    Typical: Smartphone
    Wird das Smartphone für Werbezwecke zur Wanze umfunktioniert? (Symbolbild)
    Quelle: Imago

    Da hat man sich beim Kaffee mit einigen Kollegen über die nächsten Urlaubspläne unterhalten. Und - schwupps - bekommt man bei Facebook, Instagram oder Google Werbung für eine Norwegen-Kreuzfahrt eingeblendet.

    Kaum ausgesprochen, schon per Werbe-App da

    Tatsächlich hatte einer der Kollegen über seine Tour durch die Fjorde berichtet. Die anderen hatten begeisterte Zwischenfragen gestellt. Nur wenige Stunden später tauchten Anzeigen zum Thema "Norwegen-Urlaub" auf den digitalen Plattformen auf.
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    Da kommt natürlich sofort der Verdacht auf: Hier hat jemand das Gespräch unter Kollegen abgehört. Ihre Smartphones hatten die Kaffeerunden-Teilnehmer alle dabei. Der Werbeindustrie traut man vieles zu. Auch das Abhören.
    Das Online-Medienhaus Media 404 brachte dazu die passende Berichterstattung. Es ist nach eigenen Angaben in den Besitz von internen Dokumenten der Cox Media Group gelangt, in denen eine als "Aktives Zuhören" bezeichnete Technik beschrieben wird. Diese Technik macht das Handy zur Wanze.

    Medienvermarkter empfiehlt "Aktives Zuhören"

    So sollen über das Smartphone-Mikrofon Gespräche mitgeschnitten werden, die anschließend mit einem KI-Tool ausgewertet würden. Die so gewonnenen Sprachdaten werden diesen Papieren zufolge mit weiteren Verhaltensdaten der Zielpersonen kombiniert. So entstehe ein persönliches Profil als Basis für die Ausspielung von Werbeanzeigen.
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    Die Cox Media Group ist in der Vergangenheit des Öfteren wegen solcher Abhör-Techniken in die Schlagzeilen geraten. Das Online-Medienhaus 404 bringt die jetzt geleakte Technik des "Aktiven Zuhörens" mit den drei Internet-Konzernen Alphabet, Amazon und Meta in Zusammenhang.
    Sofort kam die Diskussion auf, ob Werbeanzeigen auf Facebook, Instagram, Youtube, der Google-Suchmaschine oder auf den Amazon-Plattformen durch solches "Aktives Zuhören" beeinflusst seien.
    Mit anderen Worten: Wird von Amazon, Facebook oder Google die von Cox Media gepriesene Abhörtechnik für Smartphones genutzt? Denn ein solches Mithören ist in Deutschland verboten. Das Strafgesetzbuch ist da eindeutig.
    Amazon hat auf Anfrage von ZDFheute unmissverständlich klargemacht:

    Amazon Ads hat zu keiner Zeit mit der Cox Media Group im Rahmen eines solchen Programms zusammengearbeitet und verfolgt auch keine Pläne, dies zu tun.

    Mitteilung von Amazon

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    Google hat Cox Media rausgeworfen

    Etwas weicher liest sich da die Antwort von Google. "Alle Werbetreibenden müssen alle geltenden Gesetze und Vorschriften sowie die Richtlinien von Google Ads einhalten", beantwortete ein Google-Sprecher die ZDFheute-Anfrage per Mail und erläuterte:

    Wenn wir Anzeigen oder Werbetreibende identifizieren, die gegen diese Richtlinien verstoßen, ergreifen wir entsprechende Maßnahmen.

    Google-Sprecher

    In Hintergrundgesprächen stellte sich allerdings auch heraus, dass Google die Cox-Media-Gruppe kürzlich aus dem Google-Partner-Programm ausgeschlossen hat. Dies sei nach einer Überprüfung erfolgt.
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    Meta bzw. Facebook hat auf eine entsprechende Anfrage nicht geantwortet. Allerdings konnte dem unternehmenseigenen Sicherheitsdienst von Facebook bereits vor fünf Jahren nachgewiesen werden, dass auf der Grundlage einer sogenannten "Beobachtungsliste" auch die Smartphones von Konzern-Gegnern überwacht werden.

    Rein technisch gesehen ist es nicht sehr schwierig, das Smartphone zur Wanze umzufunktionieren. So haben vor zwei Jahren Journalisten und Technik-Experten für das Youtube-Format "Pulse Reportage" des Bayerischen Rundfunks solche Abhör-Apps entwickelt, die weitgehend unbemerkt das Handy zur Wanze umfunktionierten. 

    • Beim iPhone ist das etwas schwieriger als bei Android-Smartphones. Denn ein kleiner gelber Punkt in der Status-Leiste signalisierte den stattfindenden Zugriff aufs Mikrofon. Der war in den Testreihen der BR-Kollegen auch nicht auszuschalten. Außerdem brach die Aufzeichnung ab, wenn das Smartphone gesperrt wurde. 

    • Bei Android-Smartphones ließ sich das Abhören einfacher realisieren. Selbst bei einer Sperre des Bildschirms lief die Aufzeichnung weiter. Die Entwickler erreichten das mit einem kleinen Trick. Wenn eine entsprechende Benachrichtigung eingeblendet wird, kann auch bei Display-Sperre die Aufzeichnung weiterlaufen. Aber: Eine solche Benachrichtigung würden dem Smartphone-Besitzer auffallen. Deshalb programmierten die Entwickler die für den Weiterbetrieb des Abhörens notwendige Benachrichtigung so, dass diese nur bei ausgeschaltetem Bildschirm angezeigt wird. Dann sieht der Smartphone-Besitzer sie nicht. 

    Bleibt die Frage, wer diese technischen Möglichkeiten nutzt und das Handy zur Wanze umfunktioniert. Dass Geheimdienste damit arbeiten, ist inzwischen bekannt.
    Ob die Werbeindustrie das wirklich weiträumig einsetzt, ist umstritten. Denn die Tracking-Maßnahmen im Internet sind billiger und ergeben ähnlich gute Daten über das Verhalten des Internetnutzers.

    Es bleibt die Frage, wie Smartphone-Besitzer sich davor schützen können, dass das Handy zur Wanze gemacht wird. Die einfachste Methode besteht darin, es weit genug wegzulegen.

    Außerdem kann eine Aluminium-Ummantelung helfen, denn die schirmt Mobilfunkfrequenzen ab. Und ohne Mobilfunkübertragung kann es keine Direktaufzeichnung geben. Aluminium-Ummantelungen schützen allerdings nicht vor indirekten, aber relativ aufwändigen Lauschangriffen der Geheimdienste.

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