Hämophilie A und B: Behandlung der Blutgerinnungsstörung

Von Spritze bis Gentherapie:Hämophilie A und B wirksam behandeln

von Andreas Kürten
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Hämophilie ist eine erblich bedingte Blutgerinnungsstörung. Den Betroffenen fehlt ein Gerinnungsfaktor im Blut, der ersetzt werden muss. Von Spritze bis Gentherapie: ein Überblick.

Neue Therapiemethoden bei Hämophilie
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Betroffene mit Hämophilie haben lebenslang ein erhöhtes Blutungsrisiko. Ursache dafür ist eine Störung der Blutgerinnung. Die Folge: Blutungen dauern länger, blaue Flecken sind zahlreicher und größer, die Wundheilung verzögert sich. In schweren Fällen kann die genetisch bedingte Krankheit lebensbedrohliche Auswirkungen haben.
Von Hämophilie, umgangssprachlich auch Bluterkrankheit genannt, sind vorwiegend Männer betroffen. Etwa 10.000 Patienten leben derzeit in Deutschland. Es gibt mehrere Formen, die unterschiedlich verlaufen.
Am häufigsten sind Hämophilie A und B, bei denen jeweils ein Proteinbestandteil im Blut fehlt, der als Gerinnungsfaktor zur Blutgerinnung beiträgt. Dadurch kann das Blut nur schlecht oder gar nicht gerinnen.

Formen der Hämophilie




Bluterkrankheit: Lebenslange Behandlung notwendig

Ohne Behandlung können Blutungen bei Verletzungen nur langsam bis gar nicht gestillt werden, oder es kommt zu größeren Blutergüssen (Hämatomen) und Schwellungen.
Besonders gefährlich: Blutungen können das Gehirn oder die Muskeln beeinträchtigen. Blutungen in die Gelenke führen im Laufe des Lebens bei vielen Betroffenen zu dauerhaften Gelenkbeschwerden. Sie betreffen besonders häufig die Knie- und Sprunggelenke, was in der Folge Operationen notwendig machen kann.
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Behandlung von Hämophilie per Spritze

Die Hämophilie ist bisher nicht heilbar. Betroffene müssen lernen, sich den fehlenden Gerinnungsfaktor regelmäßig selbst zu spritzen. Die entsprechenden Medikamente sind in Deutschland gut verfügbar. Die Kosten werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen.
Die Dosierung muss mit dem Arzt, meist ein Hämostaseologe, besprochen werden. Einige Präparate haben eine längere Halbwertszeit und müssen nicht mehr zwingend kühl gelagert werden. Das erlaubt Erkrankten ein größeres Intervall zwischen den Spritzen und ein höheres Maß an Flexibilität, etwa auf Reisen.
Etwa ein Fünftel der Hämophilie-Patienten entwickelt eine Immunität. Der zugeführte Gerinnungsfaktor wirkt dann nicht mehr. Für solche Fälle gibt es mittlerweile alternative Präparate.
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Gentherapie weckt Hoffnung auf medikamentenfreie Behandlung

Viele Betroffene setzen ihre Hoffnung auf die Anwendung eine Gentherapie. Sie ist in Deutschland seit 2023 für die Behandlung der Hämophilie A und B zugelassen. Das Prinzip: Der Körper wird mit einer einmaligen Infusion durch genetische Informationsträger dazu angeregt, den fehlenden Gerinnungsfaktor selbst zu bilden.
Damit kann die Krankheit zwar nicht geheilt, es können aber erhebliche Fortschritte in der Therapie erzielt werden. So kann etwa eine schwere Verlaufsform in eine mildere Variante umgewandelt werden, weil es durch die Behandlung zu einem Anstieg des bislang fehlenden Gerinnungsfaktors im Blut kommt.
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Die Betroffenen benötigen dadurch keine regelmäßigen Spritzen mehr. Nur bei Operationen oder großen Verletzungen sind sie nötig. Dies sei eine Meilenstein in Richtung normales Leben, betont Johannes Oldenburg vom Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Bonn.

Die Qualität der Behandlung können wir mit der Gentherapie erheblich verbessern, spontane Blutungen völlig ausschließen und eine bessere Gelenkgesundheit ermöglichen.

Prof. Dr. Johannes Oldenburg, Universitätsklinikum Bonn

Unter der Beteiligung des Universitätsklinikums Bonn wurde in den letzten Jahren eine internationale Studie zur Gentherapie durchgeführt. Die Auswertung von Zweijahresdaten bei Betroffenen mit einem schweren Verlauf der Hämophilie A zeigt: Die entsprechende gentherapeutische Information (Gentherapievektor) geht dabei zunächst in die Leber der Erkrankten, um die fehlende Information zur Bildung von Gerinnungsfaktor VIII zu ersetzen. Das erforderte engmaschige Kontrollen von Blutwerten im nächsten halben Jahr mit Blick auf mögliche Nebenwirkungen.

Das bisherige Resultat der Studie ist positiv: Im Schnitt wiesen die Patienten im Anschluss an die Behandlung eine Aktivität von Faktor VIII von etwa zwölf Prozent auf. Das entspricht nur noch einer leichten Hämophilie. Die jährliche Blutungsrate der Patienten sank um 84,5 Prozent. Trotz möglicher Nebenwirkungen durch eine dabei notwendige Behandlung mit Kortison (Diabetes, Osteoporose, Gewichtszunahme) werden die Studienergebnisse international als sehr erfolgreich bewertet.

Gentherapie bisher nur für Erwachsene

Die Gentherapie ist aktuell nur für Erwachsene zugelassen. Im Moment laufen Studien, die eine Zulassung auch für Kinder ab dem 12. Lebensjahr anstreben.
Allerdings gibt es bei der Anwendung grundsätzliche Einschränkungen. So muss zuerst überprüft werden, ob Betroffene für die Behandlung überhaupt in Frage kommen. Denn: Die verabreichten Wirkstoffe können vom Immunsystem angegriffen werden und so ihre Wirkung verlieren.
Grunderkrankungen, zum Beispiel am Herzen, müssen vor einer möglichen Gentherapie ausgeschlossen werden. Darüber hinaus muss die Übernahme der Kosten für eine Gentherapie durch die Krankenkasse erst verbindlich geklärt werden.
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Herkömmliche Therapien bei Hämophilie bleiben weiter wichtig

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) konnte den Zusatznutzen der Gentherapie auf Basis der vorliegenden Daten bislang nicht bewerten. Somit handelt es sich bei der Gentherapie gegen Hämophilie um ein Verfahren, das nach derzeitigem Kenntnisstand keinen vollständigen Ersatz der herkömmlichen Behandlung bedeutet.
Nach Ansicht von Rosa Sonja Alesci, Hämostaseologin vom Gerinnungszentrum Hochtaunus, würden vor allem jüngere Patienten eine Gentherapie machen.

Aber auf keinen Fall ist es so, dass die herkömmliche Therapie dadurch abgeschafft werden wird.

Dr. Rosa Sonja Alesci, Hämostaseologin

Ende August 2024 startete der G-BA die anwendungsbegleitende Datenerhebung als vergleichende Registerstudie für die beiden gentherapeutischen Arzneimittel zur Behandlung der Hämophilie. Mit dem Studienstart dürfen nur noch Ärzte diese Arzneimittel anwenden, die ihre Behandlungsdaten dazu im Deutschen Hämophilieregister (DHR) dokumentieren.
Der Artikel wurde erstmals am 17. April 2023 publiziert und am 17. April 2025 aktualisiert.

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