Perl: Wie sich eine Kommune an der Energiewende beteiligt

    Grüner Wasserstoff:Wie sich Perl an der Energiewende beteiligt

    von Claudia Oberst
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    In Perl im Saarland setzt man auf grünen Wasserstoff. Die Gemeinde will zum Lieferanten der Stahlindustrie werden - mithilfe einer grenzüberschreitenden ehemaligen Erdgasleitung.

    Mitarbeiter in Schutzkleidung arbeiten auf dem Gelände der Salzgitter AG am Hochofen.
    Im saarländischen Ort Perl soll zukünftig Wasserstoff für die Transformation der Stahlindustrie hergestellt werden. Bisher ist der Ort für seinen Wein bekannt.04.03.2024 | 1:35 min
    Ralf Uhlenbruch steht auf einer Wiese mitten im Industriegebiet von Perl. Links von ihm die kommunale Kläranlage, rechts die Fabrik eines Futtermittelherstellers. Er zeigt mit dem Arm Richtung Mosel. Dort soll er hinkommen, der 70 Megawatt Elektrolyseur, der Perl zu einem Wasserstoff-Zentrum machen soll. Der Baubeginn der Anlage ist für 2027 geplant.

    Das ist eine Investition von rund 100 Millionen Euro.

    Ralf Uhlenbruch, Bürgermeister von Perl

    Er erklärt, wie es funktionieren soll: Wasser aus der Mosel, Strom aus Wind- und Sonnenkraft. Im Elektrolyseur wird daraus grüner Wasserstoff. Per Pipeline wird der in die Stahlhütten in Dillingen und Völklingen transportiert.

    Bürgermeister setzt auf Wasserstoff als Zukunftstechnologie

    Uhlenbruch spricht von Arbeitsplätzen, Gewerbe- und Einkommenssteuereinnahmen. Lokale Unternehmen könnten profitieren, neue Firmen sich ansiedeln. Eine Wasserstoff-Tankstelle für den kommunalen Nahverkehr könnte entstehen, Nahwärme zum Heizen.
    Uhlenbruch ist seit 2015 der Bürgermeister von Perl. 9.000 Einwohner aus 60 Nationen. Seit 1998 ist die Bevölkerung um 40 Prozent gewachsen. Perl boomt, dank seiner Lage im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg.
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    Für "ZDF in Perl" sind Reporterin Claudia Oberst sowie Kameramann Sacha Seibert vier Wochen in der "grenzenlosen" Region an der Mosel präsent und suchen das Gespräch mit den Menschen vor Ort. 01.03.2024 | 5:34 min
    "Als Kommune im Dreiländereck können wir uns durch den Wasserstoff an der Energiewende beteiligen", sagt Uhlenbruch. "Wir versuchen, grenzüberschreitend zu denken. Und hier haben wir eine gute Gelegenheit, sowohl Frankreich als auch Luxemburg mit einzubeziehen."

    Erdgasleitung wird zu Wasserstoff-Pipeline

    Perl liegt an einer bereits existierenden, 70 Kilometer langen Erdgasleitung die durch das Saarland und Lothringen verläuft. Weitere 30 Kilometer sollen neu als Wasserstoff-Leitung gebaut werden, um die Industriestandorte Dillingen, Völklingen und Saarbrücken mit der Hauptleitung zu verbinden.
    Durch dieses grenzüberschreitende Netz sollen ab 2030 mehr als 50.000 Tonnen Wasserstoff jährlich transportiert werden. Auf französischer Seite ist alles bereit.
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    "Wir wandeln ein ehemaliges Erdgasnetz in ein Wasserstoff-Netz um. Das ist weniger belastend für die Umwelt und kostengünstiger als ein Neubau. Dadurch wird das Projekt auch interessanter für unsere Kunden", sagt Ludovic Lecellier, Projektleier bei GRTgaz, dem französischen Netzbetreiber.

    Deutsche Industrie muss sich modernisieren

    Der potentiell größte Kunde: Die saarländische Stahlindustrie. Sie steckt mitten in einem Transformationsprozess. Um grünen Stahl zu produzieren, brauchen die Hütten Wasserstoff. Und Subventionen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) brachte am 26. Januar persönlich den Förderbescheid über 2,6 Milliarden Euro ins Saarland.
    "Die Industrie in Deutschland muss sich modernisieren", sagt Luc Graré, Geschäftsführer Zentral- und Osteuropa beim Wasserstoffhersteller Lhyfe, der Firma, die in Perl den Elektrolyseur bauen soll. "Auch was die Klima-Auswirkungen betrifft. Die Konkurrenz ist global, egal ob in China, Indien oder den USA, wo massiv neue Fabriken gebaut werden."
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    Deutschlands Vorteil: Das ehemalige Erdgasnetz

    Graré sieht Deutschland beim Thema grüner Wasserstoff in einer Pole-Position. Vor allem das bundesweite Erdgasnetz, das zum Transport von Wasserstoff genutzt werden könnte, sei ein Vorteil.

    Dieses Kernnetz existiert in anderen europäischen Ländern nicht. Da ist Deutschland einzigartig.

    Luc Graré, Geschäftsführer Zentral- und Osteuropa bei Lhyfe

    In Perl wartet der Bürgermeister darauf, dass die Fördergelder verteilt werden. "Wir prüfen das Baurecht, bringen das parallel auf den Weg und hoffen, dass man schnellstmöglich auch die Mittel erhält, um hier zu bauen", sagt Uhlenbruch.
    Perl als Wasserstoff-Lieferant für die Stahlindustrie. In ein paar Jahren könnte aus dieser Zukunftsmusik Realität werden.

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