Ghosting: Was tun, wenn das Date nicht mehr antwortet?

    Interview

    Ghosting:Was tun, wenn das Date nicht mehr antwortet?

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    Und plötzlich ist Funkstille. Warum? Was ist schief gelaufen? Beim "Ghosting"-Phänomen gibt es darauf keine Antworten. Eine Expertin erklärt, wie man am besten damit umgeht.

    Typical: Ghosting
    "Ghosting" bezeichnet das Phänomen, wenn Menschen plötzlich ohne Erklärung den Kontakt abbrechen und sozusagen verschwinden.
    Quelle: picture alliance / NurPhoto

    Wir haben uns mehrmals getroffen, haben uns richtig gut verstanden. Und dann hat er von heute auf morgen nicht mehr geantwortet.

    Carla, 27

    Keine Nachricht, kein Rückruf, die andere Person ist wie vom Erdboden verschluckt: "Ghosting" wird das in der Datingwelt genannt.

    Nach ein paar Wochen Dating - für mich fühlte es sich schon wie eine Beziehung an - hatte meine Nachricht nur noch einen Haken. Sie hat meine Nummer einfach gelöscht. Ich war am Boden zerstört.

    Leon, 32

    Der Begriff "Ghosting" beschreibt das Phänomen, dass Menschen, die man zum Beispiel datet, sich wie ein Gespenst in Luft auflösen - alle Anrufe und Nachrichten bleiben plötzlich unbeantwortet. Einen Grund für den plötzlichen Kontaktabbruch gibt es nicht.
    So eine Erfahrung erleben viele Menschen - auch Stars wie Schauspielerin Drew Barrymore, wie sie 2022 im "People"-Magazin verriet. Und auch US-Megastar Billie Eilish hat eigenen Angaben zufolge Erfahrungen mit Ghosting gemacht.
    ZDF hat die Sängerin zum Interview getroffen:
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    Aber was soll man tun, wenn jemand  plötzlich und ohne jede Erklärung abtaucht? Psychologin und "Dating-Coach" Stella Schultner gibt Tipps.
    ZDFheute: Wie geht man damit um, wenn man geghostet wurde?
    Stella Schultner: Als Erstes versuche ich immer zu erklären, dass das alle Menschen betrifft. Wenn so etwas passiert, beziehen wir das meistens auf uns selbst. Und das ist absolut schädlich für unseren Selbstwert. Ghosting sagt aber eigentlich viel mehr über die Person aus, die ghostet als über uns. Wenn das verstanden wird, bringt das schon mal eine gewisse Entlastung.
    ZDFheute: Was macht Ghosting so schlimm?
    Schultner: Das Problem ist, dass unser Gehirn es nicht aushalten kann, wenn wir keine Erklärung für etwas haben. Das Gehirn hat die Tendenz: Wenn wir uns etwas nicht erklären können, suchen wir immer weiter nach Antworten und verfallen oft in Grübelgedanken.
    Das Gehirn versucht auf Ursachenforschung zu gehen: 'Habe ich zu viel geklammert? Dann muss ich lockerer werden. War die Nase das Problem? Kann ich ändern.' Aber das ist Quatsch. Hier ist es wichtig, den eigenen Selbstwert zu erhalten. Und die Tatsache hinnehmen, dass wir den Grund wahrscheinlich nie erfahren werden. Egal, wie lange man darüber nachdenkt: Es wird keine Lösung geben, weil die andere Person keinen Grund für den Kontaktabbruch genannt hat.
    Aber: Wenn die Person keinen Umgang möchte, dann ist es eben nicht die richtige. Auch wenn das Verhalten nicht in Ordnung ist, ist die Message klar.
    Ghosting. Warum werde ich geghostet?
    Eben noch Kontakt und plötzlich Funkstille. Wie kann man damit umgehen?14.06.2022 | 17:43 min
    ZDFheute: Warum ghosten Menschen?
    Schultner: Da gibt es viele Gründe. Ganz häufig beim Dating sind Menschen eigentlich noch nicht über ihre Ex-Beziehung hinweg, oder der/die Ex meldet sich tatsächlich doch auf einmal wieder. Oft sind Menschen auch überfordert mit Nähe und Intimität, haben vielleicht Bindungsangst. Insbesondere, wenn es vielleicht schon einige Dates gegeben hat und richtig schön war, dann kickt die Bindungsangst plötzlich.
    Auch persönliche Faktoren spielen eine Rolle - wenn jemand gerade in einer schwierigen Lebensphase ist oder mit dem eigenen Selbstbewusstsein zu kämpfen hat.
    Beim Online-Dating darf man vor allen Dingen auch nicht vergessen: Wir können nicht kontrollieren, wer auf der anderen Seite ist. Ist Hannes, 31, Bürokaufmann, vielleicht eigentlich doch schon 71 Jahre alt? Dass vergebene Menschen sich auf Dating-Apps anmelden, um ihren Marktwert auszutesten, passiert leider auch häufig und ist dann besonders verletzend für die, die ernste Absichten haben.
    "37°- Wisch und weg ": Portrait junge Frau mit braunen langen Haaren. Sie steht hinter einem Fenster und lächelt in die Kamera.
    Einmal über die Oberfläche des Smartphones gewischt, und die andere Person auf der Datingplattform ist weg.13.04.2021 | 29:30 min
    Ghosting als Kommunikationsmittel ist insgesamt ein Zeichen von einer konfliktvermeidenden Persönlichkeitsstruktur. Die Person möchte das Gegenüber nicht verletzten, verdrängt lieber, als in eine offene Aussprache zu gehen. Die Anonymität des Internets kommt beim Online-Dating noch dazu, sodass es sich nicht so verbindlich anfühlt wie im echten Leben.
    ZDFheute: Ist das in Zeiten von Dating-Apps mehr geworden?
    Schultner: Ich denke, ja. Früher gab es das Phänomen zwar auch schon, aber da sind die Männer in den 80ern - klischeehaft gesprochen - 'mal eben Zigaretten holen gewesen‘ und danach nicht mehr wiedergekommen.
    Es ist aber schon ein Phänomen des Internets, was man beispielsweise auch bei Verkaufsplattformen sieht. Würde man im echten Leben auf dem Flohmarkt stehen, würde man sich nicht wortlos umdrehen und weggehen, sondern sagen: 'Ich habe doch kein Interesse an der Lampe, vielen Dank trotzdem!'
    ZDFheute: Welche bessere Alternative zum Ghosting gibt es?
    Schultner: Eine Ich-Botschaft ist definitiv angebracht: 'Für mich hat es nicht gefunkt.' oder 'Ich fühle mich nicht bereit.', zeigt eine klare Abgrenzung und das Gegenüber weiß trotzdem, was Sache ist. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eine Nachfrage kommt, aber darauf muss man nicht mehr eingehen. Wir müssen uns nicht rechtfertigen.
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    Darauf sollten Sie achten10.11.2023 | 6:29 min
    ZDFheute: Beeinflusst eine Ghosting-Erfahrung denn auch unser weiteres Dating-Leben?
    Schultner: Absolut. Hier ist wichtig, dass wir uns bewusst machen: Wenn wir uns in diese Datingwelt begeben, gibt es die Möglichkeit - auch wenn das nicht schön ist. Aber: Das gilt für alle. Und ich darf das nicht persönlich nehmen. Lieber die, die das machen, einfach aussortieren und sich auf die Menschen, die interessiert und (emotional) verfügbar sind, konzentrieren.
    Auch hier spielt wieder das Gehirn eine Rolle: Es möchte den Schmerz, den wir erlitten haben, nicht noch einmal erleben - so, dass man kein zweites Mal auf eine heiße Herdplatte fasst.
    Haben wir bereits eine schlechte Erfahrung gemacht, denkt das Gehirn: 'Was, wenn das nochmal passiert?‘ Aber hier muss die Vernunft aktiv dagegen arbeiten. 'Ja, uns wurde weh getan. Aber es ist nicht fair, deswegen der nächsten Person kein Vertrauen entgegen zu bringen.'
    Das Interview führte Ulrike Hauswald.

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