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Interview
"Teurer Aktionismus":Krankenkassen kritisieren Herz-Gesetz
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Weniger Herztote - das will die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz erreichen. Das Kabinett hat den Vorschlag von Lauterbach gebilligt. Doch die Krankenkassen schlagen Alarm.
Gesundheitsminister Lauterbach plant ein neues Gesetz, durch das hohe Cholesterinwerte auch bei Kindern frühzeitig erkannt werden sollen. Krankenkassen haben Anlass zur Kritik.28.08.2024 | 2:22 min
Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen möglichst frühzeitig erkennen - das ist das Ziel des Gesundes-Herz-Gesetzes. Einen entsprechenden Entwurf hat das Bundeskabinett am Mittwoch auf Initiative von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beschlossen.
Der Entwurf sieht beispielsweise regelmäßige Untersuchungen ab dem Kindesalter, aber auch bei Erwachsenen vor. Außerdem sollen Menschen mit Fettstoffwechselerkrankungen einen gesetzlichen Anspruch auf Medikamente bekommen und Raucher bei der Tabakentwöhnung unterstützt werden. Das soll die Zahl der Herztoten in Deutschland senken.
Vertreter der Krankenkassen kritisieren den Vorschlag. Das Vorhaben sei vor allem "teurer Aktionismus", sagt etwa Florian Lanz, Pressesprecher beim GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland.
Das Gesetz von Gesundheitsminister Lauterbach wurde vom Kabinett beschlossen. Es soll die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessern und die Prävention stärken.28.08.2024 | 1:32 min
ZDFheute: Herr Lanz, das Bundeskabinett hat den Entwurf für das Gesetz zur Stärkung der Herzgesundheit beschlossen. Was halten Sie von dem Entwurf?
Florian Lanz: Das Anliegen, die Herzgesundheit zu stärken, ist absolut richtig. Aber was wir jetzt bekommen, ist teurer Aktionismus. Es wird viel Staub aufgewirbelt: Es soll mehr Tabletten geben, es soll wissenschaftlich nicht-fundierte Screeningprogramme geben. Das wird mit Sicherheit deutlich teurer.
ZDFheute: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) argumentiert, man werde am Ende sogar Kosten sparen, wenn die Menschen durch das Gesetz gesünder leben.
Florian Lanz, Pressesprecher beim Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen.
Quelle: GKV-Spitzenverband
Lanz: Wenn wir die Menschen in Zukunft mehrfach flächendeckend zu Screeningprogrammen schicken, dann hat das mehrere Folgen. Zum einen kostet es sehr viel Geld. Das größte Problem ist aber: Wenn wir gesunde Menschen zu den Screenings schicken, blockieren sie wertvolle Arzttermine. Diejenigen, die wirklich krank sind, bekommen dann noch schlechter einen Arzttermin als heute schon. Dieses Gesetz hat an vielen Stellen problematische Risiken und Nebenwirkungen. In der allgemeinen Diskussion, zumindest, was man aus dem Ministerium hört, kommen diese deutlich zu kurz.
ZDFheute: Karl Lauterbach spricht von 5.000 bis 10.000 Neugeborenen mit einer Fettstoffwechselerkrankung im Jahr. Mit Routineuntersuchungen könnte man schon frühzeitig vorbeugen, argumentiert der Minister. Können Sie diesen Punkt nachvollziehen?
Lanz: Es ist absolut richtig, diese Menschen zu identifizieren und ihnen zu helfen. Darüber sind sich viele Fachleute einig. Die Problematik in Lauterbachs Handeln liegt aber woanders: Durch das Gesetz nimmt er den Krankenkassen Geld für allgemeine Präventionsleistungen. Das heißt, da wo wir an die Wurzel des Übels gehen wollen - nämlich bei Themen wie Ernährung oder Rauchstopp - nimmt er den Kassen das Geld und verwendet es für solche Screeningprogamme. Das halten wir tatsächlich für den falschen Weg.
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ZDFheute: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Kinder schon ab dem fünften Lebensjahr auf eine vererbte Stoffwechselerkrankung untersucht werden und dann gegebenenfalls zur Behandlung Cholesterinsenker bekommen sollen. Was sagen Sie dazu?
Lanz: Ob so ein Vorgehen sinnvoll ist, ist in der Wissenschaft umstritten. Derzeit erarbeiten die medizinischen Fachgesellschaften dazu eine Leitlinie.
ZDFheute: An welchen Punkten müsste man stattdessen ansetzen?
Lanz: Dieses Gesetz bringt sehr viel Aktionismus. Aber die Prävention, damit die Menschen gesund bleiben und gar nicht erst krank werden, kommt insgesamt zu kurz in dieser Politik. Eine umfassende Zuckerreduktionsstrategie, weniger Rauchen, das Vermeiden von Adiposität, das kommt alles zu kurz. Das ist ein Kern der Kritik.
ZDFheute: Karl Lauterbach ist mit diesem Gesetzentwurf auch an verschiedenen Institutionen im Gesundheitswesen vorbeigegangen. Was ist das für ein Trend?
Lanz: Wir erleben, dass das Ministerium bei der Entstehung von Gesetzen wenig mit Dritten spricht, wenig Expertise - von Fachgesellschaften, von Ärzten, von Krankenkassen, von Krankenhäusern - miteinbezieht. Das ist insgesamt ein Problem. Aus der Wissenschaft kennen wir das Problem des Elfenbeinturms. Ein bisschen wirkt es manchmal so, als ob auch die Gesundheitspolitik in einem ähnlichen Turm stattfindet.
Das Interview führte Britta Spiekermann, Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio.
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