Barrieren auf dem Weg von Frauen in die Wissenschaft

    Unsichtbare Barrieren:Der Weg von Frauen in die Wissenschaft

    von Natalia Bieniek
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    Von Stereotypen bis Familienplanung - warum Frauen in der Forschung mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind.

    Hessen, Gelnhausen: Eine Frau arbeitet im Coworking Space Kinzig Valley.
    Am 11.02. ist der Internationale Tag der Frauen in der Wissenschaft.
    Quelle: dpa

    Für Selin Aydin - Fan von Mathematik und Logikspielen - war es klar, dass sie Informatik studieren würde. Weniger offensichtlich war es für ihre Mitmenschen: "Informatik als Frau? Warum denn das?", wurde sie anfangs gefragt.
    "Während des Studiums hatte ich oft das Gefühl, dass ich mich mehr durchsetzen musste, um zu zeigen, dass auch Frauen Informatik können, als ob ich eine Vorreiterrolle hätte", sagt Aydin, die sich nach ihrem Abschluss für eine Karriere in der Wissenschaft entschieden hat.
    Han Kang
    Den Nobelpreis für Literatur hat 2024 die Süd-Koreanerin Han Kang gewonnen. Selten genug geht ein Nobelpreis an eine Frau.10.10.2024 | 1:15 min

    Stereotype verstärken Ungleichgewicht

    Nach Angaben von UN-Women sind weltweit nur 35 Prozent aller Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern Frauen. Seit 2011 hat sich der Anteil der Forscherinnen in den meisten Regionen der Welt nur um wenige Prozentpunkte erhöht.
    Ein möglicher Grund sind Stereotype: Die Vorstellung, dass Mädchen sich weniger für Informatik und Ingenieurwesen interessieren, wurde in Studien bereits bei Kindern im Alter von sechs Jahren festgestellt.
    Anteil der Forscherinnen nach Region, 2011 und 2021

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    Frühkindliche Bildung, gesellschaftliche Prägung und der Einfluss der Eltern hindern Frauen oft daran, technische Fächer zu studieren, sagt Christina Rouvray vom Förderprojekt "Metavorhaben Innovative Frauen im Fokus", das sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Forschung einsetzt und verschiedene Projekte miteinander vernetzt.

    Weibliche Perspektive in der Forschung

    Aydin, die in der Softwareentwicklung promoviert, setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, wie zuverlässige und gut funktionierende KI-Systeme entwickelt werden können. Ein häufiges Problem dabei sind Verzerrungen in den Systemen, die entstehen, weil sie mit verzerrten Daten trainiert wurden.
    Ausstellung-Stolz-und-Vorurteile
    Nicht nur Akademikerinnen kämpfen um Gleichberechtigung, sondern auch Handwerkerinnen. Sie fordern den Abbau von Vorurteilen in der Gesellschaft.08.10.2024 | 1:45 min
    Jene resultieren aus der historischen Benachteiligung von Frauen. Dies kann zu Diskriminierung, etwa bei der Kreditvergabe, führen.

    Es sind vor allem Frauen, die sich dafür stark machen, auf diese Verzerrungen hinzuweisen und darauf aufmerksam zu machen, dass sie problematisch werden können.

    Selin Aydin, Doktorandin

    Aydin betont die Bedeutung von Frauennetzwerken, besonders für Doktorandinnen, um Erfahrungen auszutauschen und sich zu unterstützen. Der Austausch helfe, Ängste abzubauen, insbesondere in männlich dominierten Fachbereichen. Besonders beim Übergang zur Promotion würden Universitäten viele Studentinnen verlieren.
    Marie Curie steht in ihrem Labor, circa 1930. Daneben ist ein Totenkopf vor einem blauen Hintergrund mit leicht erkennbaren mathematischen Formeln.
    Zwar ist Wissenschaft noch immer männlich dominiert, doch auch Frauen haben viel für die Forschung riskiert und für ihre Visionen gekämpft. 07.12.2023 | 43:06 min
    Je höher die akademische Karrierestufe in Deutschland, desto niedriger ist der Frauenanteil. Trotz des Anstiegs in den letzten Jahren liegt er bei Professuren, der höchsten akademischen Stufe, weit hinter dem Frauenanteil zum Karrierestart zurück. Der niedrigste Frauenanteil bei den hauptberuflichen Professuren ist bei den Ingenieurwissenschaften mit 16 Prozent festzustellen.  

    Familienplanung als Herausforderung

    Christina Büsing ist Professorin und beobachtet, dass die Familienplanung für viele Frauen eine Herausforderung darstellt, besonders wenn der Partner auch in der Wissenschaft tätig ist. Zu Beginn seien beide im Studium gleichauf, doch nach der Geburt des Kindes ziehe der Mann beruflich vor, während die Frau zurückbleibe.
    Frauen in der Wissenschaft 2023

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    Um als Familie zusammenzubleiben, müsse oft der Wohnort gewechselt werden, schildert Büsing, die selbst Kinder hat. Oft gerate dabei die Promotion der Frau ins Hintertreffen. Büsing wird oft als Mentorin angefragt und spricht darüber, wie man den Weg in die Wissenschaft bestreitet.

    Ich glaube, wenige meiner Kollegen haben schon mal einen Vortrag über ihren Lebensweg gehalten. Das zu machen, kostet sehr viel Zeit.

    Christina Büsing, Universitätsprofessorin RWTH in Informatik und Mathematik

    Dennoch will sie mit den Vorträgen weitermachen, weil sie weiß, wie wichtig das für die Frauen sei. Rouvray bestätigt diese Annahme: "Es müssen nicht immer die herausragendsten, nahezu unerreichbaren Vorbilder sein."

    Vielmehr geht es darum, Frauen zu zeigen, die nahbar und erreichbar sind, deren Lebensweg man sich selbst vorstellen kann.

    Christina Rouvray, "Metavorhaben Innovative Frauen im Fokus"

    Eine Frau mit langen, dunkelbraunen Haaren steht mit dem Rücken zur Kamera und betrachtet ein Gemälde. Sie trägt einen hellen Hosenanzug und hat die Hände locker hinter ihrem Rücken verschränkt. Das Gemälde zeigt einen Mann in dunkler Kleidung, der an einem kleinen runden Tisch sitzt und eine Zigarre in der Hand hält. Neben ihm auf dem Tisch liegen weitere Gegenstände, darunter ein Streichholzbriefchen. Der Rahmen des Bildes ist aus dunklem Holz. Im Hintergrund sind weitere leere Bilderrahmen sowie ein Metallgitter zu sehen.
    Zu Lebzeiten berühmt und gefeiert, wurden sie später aus der Geschichte getilgt und sind heute weitgehend vergessen: Die großen Malerinnen von der Renaissance bis zur Morderne.15.03.2025 | 36:54 min

    Reduzierung auf Äußerlichkeiten und unangebrachtes Verhalten

    Sowohl Aydin als auch Büsing berichten davon, auf ihre Äußerlichkeiten angesprochen zu werden - oft von männlichen Studenten: "Ein Studierender kam auf mich zu und hat gesagt 'Können Sie sich bitte andere Kleider anziehen, weil ich kann mich nicht konzentrieren'", schildert Büsing.
    Liebesbriefe, Diätvorschläge, die Hand die plötzlich im Schoß landet, für die Sekretärin gehalten werden oder Frauenwitze bei Konferenzen, bei denen immer noch mehr Männer als Frauen vertreten sind - es sind kleine "Nadelstiche", wie Büsing sagt. Sie ermüden, sagt Aydin.
    Und dennoch: Beide würden sich immer wieder für die Forschung entscheiden. Wenn bei jungen Frauen Unsicherheiten aufkämen, "sollen sie auf ihre Fähigkeiten vertrauen und ihren Weg gehen", rät Aydin.

    Icon von whatsapp
    Quelle: dpa

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