Bahn-Anschläge in Frankreich:Experte: Täter wollen maximales Chaos stiften
von O. Klein, J. Schneider, C. Harz
|
Wer steckt hinter den Anschlägen auf die französische Bahn? Ein Experte erklärt: Die Täter trafen geschickt neuralgische Punkte, die Vorbereitung sei keine schwere Herausforderung.
Kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele hat es in Frankreich mehrere Brandanschläge auf das Schnellzugnetz gegeben. Rund 800.000 Fahrgäste sind von Ausfällen betroffen.26.07.2024 | 2:22 min
Nur Stunden vor dem Beginn der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris hat Frankreichs Bahngesellschaft SNCF einen koordinierten und massiven Angriff auf das Schnellzugnetz gemeldet.
Dabei sei es auch zu Brandanschlägen gekommen. Was ist aktuell dazu bekannt, wie reagieren die Behörden - und wen vermuten sie als Täter? Ein Überblick zur aktuellen Lage:
Was ist passiert?
Der geschäftsführende Premierminister Gabriel Attal sprach von "koordinierten Sabotageakten": Es wurden "neuralgische Punkte ins Visier genommen", sagte er. Medienberichten zufolge wurden unter anderem Signalanlagen angezündet oder Kabel durchtrennt.
Betroffen seien insgesamt drei Verbindungen im Westen, Norden und Osten des Landes, heißt es von der SNCF. Die Bahnlinie im Südosten des Landes sei nicht betroffen, dort wurde laut SNCF "ein böswilliger Akt vereitelt". Die Pariser Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.
Quelle: ZDF
Die Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele in Paris stehen kurz bevor. Inwiefern die Brandanschläge die Feier beeinflussen, erklärt ZDF-Korrespondent Thomas Walde.26.07.2024 | 1:59 min
Wie ist der Fernverkehr beeinträchtigt?
Jeder zweite Zug nach Osten, nach Norden und jeder vierte Schnellzug in Richtung Bordeaux sei betroffen, erklärte der geschäftsführende Verkehrsminister Patrice Vergriete. Beeinträchtigt seien demnach auch Züge nach Belgien und Großbritannien.
Die Situation dürfte mindestens das ganze Wochenende anhalten, während die Reparaturen durchgeführt werden. Allein heute seien 250.000 Fahrgäste betroffen, am gesamten Wochenende seien es 800.000, hieß es von der SNCF gegenüber ZDFheute.
Erst Sabotage bei der Bahn, dann die Evakuierung am Flughafen Basel-Mulhouse. Was das für die Sicherheitslage während der Spiele heißt, erklärt ZDF-Korrespondent Thomas Walde.26.07.2024 | 1:09 min
Wer steckt hinter den Taten?
Noch unklar - auf einschlägig bekannten Internetportalen sind bisher keine Bekennerschreiben aufgetaucht. Attal hatte am Mittag das Krisenzentrum im Verkehrsministerium aufgesucht. Geheimdienste und Sicherheitskräfte seien mobilisiert, um die Täter zu finden, sagte er.
Attal rief zur Vorsicht bei Spekulationen über das Profil der Täter auf. Fest stehe aber, dass diese sich im französischen Bahnnetz gut auskennen müssten, um zu wissen, wo sie angreifen, fügte er hinzu.
Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris findet auf und entlang der Seine statt. Ein enorm hohes Sicherheitsaufgebot soll einen reibungslosen Ablauf ermöglichen.25.07.2024 | 1:50 min
Auch der Extremismusforscher Hans-Jakob Schindler erklärte gegenüber dem ZDF, dass die Täter ein technisches Grundverständnis mitbringen müssen. Er geht davon aus, dass keine islamistischen Drahtzieher hinter den Angriffen stecken.
Islamistisch motivierte Taten zielen laut Schindler immer darauf, Menschen zu verletzen oder zu töten.
"Man spricht nicht von Terrorismus", erklärt ZDF-Korrespondent Thomas Walde in Paris. 26.07.2024 | 1:08 min
Welches Motiv könnten die Täter haben?
Da die Frage, wer die Angriffe begangen hat, noch unklar ist, lässt sich nur mutmaßen, welches Motiv dahintersteckt. Laut Extremismusforscher Schindler gehe es den Tätern "offensichtlich darum, maximales Chaos zu stiften" - was ihnen im gewissen Umfang auch gelungen sei.
Ziel sei es, den "französischen Staat schlecht aussehen zu lassen und eine Sicherheitslücke zu zeigen", so Schindler. Die offensichtliche Intention? "Frankreich am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele zu blamieren", erklärt Schindler.
Für Sicherheitsexperte Hans-Jakob Schindler ist klar: Den Saboteuren des französischen Bahnnetzes gehe es darum, Chaos zu verursachen und Frankreich zum Olympia-Start zu blamieren.26.07.2024 | 15:25 min
Wie sind die Behörden auf Olympia vorbereitet?
Die Anschläge hätten sich schwer verhindern lassen, sagt der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Gegenüber der "Rheinischen Post" erklärte er: "Weder in Frankreich noch in Deutschland ist ein Schutz der Bahntrassen in der Form möglich, dass Anschläge ausgeschlossen werden könnten." Störungen würden jedoch sofort erkannt und dann alle Signale automatisch auf Rot springen. "Unfälle können also trotz solcher Anschläge sehr gut verhindert werden."
Die Sicherheitslage in Frankreich ist wegen der Olympischen Spiele extrem angespannt, der Aufwand zum Schutz des Mega-Events ist gewaltig. Rund 35.000 Polizisten und Gendarmerie-Mitglieder sowie 18.000 Soldaten werden bei den Spielen im Schnitt jeden Tag im Einsatz sein.
ZDF-Reporterin Lena Kesting berichtet aus dem verregneten Paris über Sicherheitsvorkehrungen und die Atmosphäre vor der großen offiziellen Eröffnungsfeier auf der Seine.26.07.2024 | 2:40 min
Die französischen Behörden haben bei diesen Spielen die große Herausforderung, dass die einzelnen Veranstaltungen im dichtesten urbanen Gebiet des Landes stattfinden, erklärt der Terrorismus-Experte Hans-Jakob Schindler vom Counter Extremism Project gegenüber ZDFheute.
Allein bei der Eröffnungsveranstaltung auf der Seine müssten fast zwölf Kilometer Flussufer und Wasserfläche im Zentrum von Paris gesichert werden. Auch muss der Himmel über den Stadien und Fanmeilen frei von Drohnen gehalten werden. Dafür sind Scharfschützen, Taucher und KI-Kameras im Einsatz, um mögliche Zwischenfälle rund um die Eröffnungsfeier zu verhindern.
Gibt es Auswirkungen auf den Bahnverkehr in Deutschland?
"Aufgrund von Vandalismusschäden an der französischen Hochgeschwindigkeitsstrecke 'LGV Est', über die die ICE und TGV zwischen Deutschland und Paris fahren, gibt es Einschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr", so die Deutschen Bahn.
Am Abend teilte der französische Bahnbetreiber SNCF mit, dass die Züge auf der Oststrecke Richtung Straßburg und weiter nach Deutschland am Samstag wieder planmäßig fahren werden. Das bedeutet einen normalen Verkehr auch der Züge zwischen Paris und Frankfurt/Main sowie Stuttgart.
Die olympischen Schießwettbewerbe findet nicht in Paris, sondern in Châteauroux statt. Weniger Pariser Flair und weniger Begeisterung für die Athletinnen und Athleten? 26.07.2024 | 1:52 min
Auf der Strecke Richtung Norden, worüber die Züge nach Brüssel und London, aber auch Köln fahren, sollen ab Samstag 80 Prozent der vorgesehenen Züge pendeln, allerdings mit einer Verspätung von ein bis zwei Stunden.
Das betraf dann ausgerechnet drei deutsche Olympia-Springreiter, die heute eigentlich nach Paris fahren wollten: Wegen der zu erwartenden großen Verspätung stornierten die Pferdesportler ihre Anreise und verpassen damit auch die Eröffnungsfeier.