Unfälle mit Fahranfängern: Wo Fahrschulen versagen
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Unfälle mit Fahranfängern:Wo Fahrschulen versagen
von H-C. Schultze und Gregor Witt
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Die Durchfallquote bei Fahrschülern ist hoch - ebenso die Unfallgefahr durch Fahranfänger. Das liegt Experten zufolge auch am Unterricht in Fahrschulen. Wo besteht Handlungsbedarf?
Mehr als 40 Prozent der Fahrschüler fallen bundesweit durch. Neben der Durchfallquote ist auch die Unfallgefahr durch Fahranfänger hoch.19.03.2024 | 8:29 min
"Fahranfänger und Mitfahrer bei Autounfall schwer verletzt", "Fahranfänger verursacht Frontalzusammenstoß - ganze Familie verletzt", "Fahranfänger rast mit 111 Stundenkilometern durch Tempo-30-Zone" - solche Meldungen aus diesem und dem vergangenen Jahr bestätigen das, was Statistiken zeigen: Obwohl die Zahl der Unfälle mit Personenschaden insgesamt zwar ständig kleiner wird, bleibt das Risiko durch Fahranfänger hoch.
"18- bis 24-jährige Verkehrsteilnehmer haben immer noch das mit Abstand höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr", hieß es 2021 in einer Auswertung des Statistischen Bundesamts.
Woran liegt das? Und wie können Fahrschulen hier gegensteuern?
Mangelnde Fahrerfahrung und Jugendlichkeitsrisiko
Psychologin Bianca Bredow und ihre Kollegen von der Uni Potsdam haben das im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen untersucht. Mit dem Ergebnis, "dass die Unfälle vor allem auf die Fahrerfahrung zurückzuführen sind und dass das Jugendlichkeitsrisiko überschätzt wird".
So neigen Fahranfänger dazu, gefährlich zu überholen, ohne Schulterblick abzubiegen, die Spur zu wechseln oder zum Beispiel zu dicht aufzufahren. Eine Gefahr für sich und andere Verkehrsteilnehmer. Hier könnte die Ausbildung in den Fahrschulen ansetzen, heißt es in der Untersuchung von Bredow und ihrem Team.
Dass dies häufig nicht geschieht, erleben Thomas Martens und seine Kollegen vom TÜV Rheinland beinah täglich. ZDF frontal hat ihn einen Tag lang begleitet. Nur zwei Prüflinge haben bei Fahrprüfer Martens an diesem Tag bestanden, fünf sind durchgefallen.
Durchfallquote bei Fahrprüfungen gestiegen
Hohe Durchfallquoten gibt es aber nicht nur beim TÜV-Rheinland, sondern bundesweit. Bei den Fahrprüfungen für den PKW-Führerschein "B" ist die durchschnittliche Durchfallquote laut TÜV-Verband von gut 36 Prozent im Jahr 2012 auf 42 Prozent in 2023 gestiegen. In Brandenburg, Bremen, Hamburg, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen fällt schon jetzt rund jeder Zweite durch.
Ein zentrales Defizit der heutigen Fahrschulausbildung sind nach Erkenntnissen von Bianca Bredow die fehlenden Lernkontrollen.
Da bestehe auf jeden Fall Handlungsbedarf, sagt die Expertin gegenüber ZDF frontal. Den gebe es auch bei der völlig veralteten Ausbildungsordnung für Fahrschüler von 1998. Dort finde sich zum Beispiel kein Wort zu E-Rollern oder elektrischen Lastenfahrrädern. Ob und wie im Unterricht darauf eingegangen werde, bleibe den Fahrschulen überlassen.
Bessere Überwachung der Fahrschulen gefordert
Das, so die Expertin, führe zu weiteren Defiziten: der fehlenden Fokussierung auf Verkehrswahrnehmung und Gefahrenvermeidung. Diese Themen spielten in den Ausbildungsvorgaben nur eine untergeordnete Rolle, obwohl inzwischen bekannt sei, "dass Fahrschüler vor allem deshalb verunglücken, weil sie den Verkehr nicht richtig beobachten und Gefahren nicht vermeiden können".
Geboten wäre angesichts der hohen Durchfallquoten eine bessere Überwachung der Fahrschulen, besonders mit Blick auf die pädagogische Qualität der Fahrschulausbildung. Die wird aber bisher, so das Ergebnis des Teams um Bredow, nicht einmal von der Hälfte der Bundesländer regelmäßig überwacht.
Bundesländer lehnen Überwachungsverordnung ab
Diesen Mangel wollte das Bundesverkehrsministerium vor wenigen Jahren endlich beenden. Es stellte bei den Beratungen für das 2018 reformierte Fahrlehrerrecht eine bundesweit geltende und damit eine das behördliche Handeln vereinheitlichende Überwachungsverordnung zur Diskussion.
Dabei fordern sogar Fahrlehrer wie Kurt Bartels von der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände schärfere Kontrollen. Er kritisiert, dass viele Aufsichtsbehörden die Durchfallquoten der örtlichen Fahrschulen nicht bei den Prüfstellen abfragen. Dabei sei eine hohe Nichtbestehensquote ein Riesenproblem für die Verkehrssicherheit, erklärt Bartels. Der ganze Berufsstand könne nur profitieren, wenn regelmäßig abgefragt würde, flächendeckend in ganz Deutschland durch alle zuständigen Behörden.
Immer mehr Fahrschüler fallen durch die Abschlussprüfungen. Unter anderem auch, weil junge Menschen heute eine ganz andere Verkehrswahrnehmung haben als früher.02.02.2023 | 1:49 min
Wie es in Fahrschulen besser laufen kann
Ähnlicher Ansicht ist auch Fahrlehrer Sven Skolaster aus Bonn - er versucht, es besser zu machen als manche Kollegen. Bei ihm, verspricht er, komme niemand vorschnell zur Prüfung.
Mit modernen Unterrichtsmethoden wie Fahrsimulatoren und einer speziellen Handy-App ermöglichen Skolaster und seine Kollegen in ihrer Bonner Fahrschule Fahranfängern ein intensives Training. Mit Videos üben sie das Befahren besonders riskanter Stellen.
So verbessert sich ihre Gefahrenwahrnehmung und zugleich lassen sich so auch Fahrstunden einsparen. Resultat: Die Durchfallquote dieser Fahrschule liegt bei den Fahrprüfungen seit Jahren unter 20 Prozent. Weniger als halb so viel wie im Bundesdurchschnitt.