Das sagen Experten zu dem Trend:Eisbaden - gesund oder gefährlich?
von Jana Nieskes
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Frieren fürs Immunsystem: Eisbaden soll viele Vorteile für die Gesundheit haben. Was ist dran - und wie gefährlich ist das? Fragen und Antworten rund um den eiskalten Trend.
Eisbaden ist gesund, doch es gibt auch Risiken. Zwei erfahrene Eisbaderinnen zeigen, was es zu beachten gibt.10.01.2024 | 5:18 min
Ob im See, im Fluss oder sogar in der Regentonne auf dem Balkon - Eisbaden liegt im Trend. Sobald die Temperaturen wieder sinken, begeben sich viele Menschen ins kühle Nass. Auch in den sozialen Netzwerken tummeln sich etliche Videos vom Bad im eiskalten Wasser. Wer sich überwindet, kann angeblich mit vielen gesundheitlichen Vorteilen rechnen. Zwei Experten erklären, wie gesund der Trend wirklich ist - und welche Gefahren er birgt.
Was passiert im Körper, wenn wir in kaltem Wasser baden?
"Eisbaden ist zunächst einmal eine ausgesprochene Stresssituation für den Körper", erklärt Hanns-Christian Gunga vom Zentrum für Weltraummedizin und Extreme Umwelten an der Berliner Charité. Denn unser Körper ist eigentlich darauf ausgelegt, seine Temperatur konstant zu halten.
Auf die Kälte reagieren wir dementsprechend intensiv. Diese Reaktion findet in drei Bereichen statt, sagt Stefan Kwast vom Helios Health Institute in Leipzig: im Immunsystem, im Hormonhaushalt und im Kreislaufsystem. Wenn wir ins kalte Wasser steigen, reagiert zunächst vor allem unser Kreislauf. Unser Blut zieht sich in den Körperkern zurück. Als Reaktion darauf wird die Haut danach verstärkt durchblutet - ein erster positiver Effekt des Eisbadens.
Außerdem schüttet der Körper die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Sie führen unter anderem dazu, dass in unserem Fettgewebe Wärme produziert wird. Zusätzlich nutzt der Körper einen anderen Mechanismus, um Wärme zu produzieren: Er zittert. Durch diese Muskeltätigkeit soll die Körpertemperatur aufrechterhalten werden.
Welche gesundheitlichen Vorteile hat Eisbaden?
Regelmäßiges Eisbaden trainiert unsere Gefäßmuskulatur, erklärt Hanns-Christian Gunga: "Unsere Blutgefäße, in denen das Blut transportiert wird, haben an einer bestimmten Stelle eine Muskulatur, die den Blutdruck reguliert." Bei Kälte werden die Gefäße geschlossen - und bei Hitze geöffnet. Die Muskulatur und die Nerven, die dazu notwendig sind, werden durch das Eisbaden beansprucht.
Einen positiven Effekt können auch die Stresshormone haben, die wegen der Kälte ausgeschüttet werden, sagt Stefan Kwast. Wenn Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet werden, unterdrücke das erst einmal das Immunsystem. Dieser Effekt trete auch beim Sport ein.
Dieses Training führt dazu, dass der Körper auch besser mit Infektionen umgehen kann. Eisbaden kann also unser Immunsystem stärken. Ein weiterer Vorteil: Auch unsere Schleimhäute reagieren auf die Kälte. Das führt letztlich dazu, dass die Immunzellen dort besser Krankheitskeime abwehren.
Wie kalt muss das Wasser sein?
Um positive Effekte zu erzielen, muss das Wasser gar keine eisigen Temperaturen haben. Es muss lediglich so kühl sein, dass die Körperkerntemperatur sinkt. Dafür reichen schon Temperaturen von unter 20 Grad aus. Sportmediziner Stefan Kwas empfiehlt Temperaturen von rund 10 Grad und kälter, damit man nicht zu lange im Wasser bleiben muss, um den gewünschten Effekt zu erreichen.
Wie lange kann man Eisbaden?
Wie schnell man auskühlt, ist ganz individuell und hängt zum Beispiel von der Menge des Fettgewebes ab, erklärt Hanns-Christian Gunga. Er empfiehlt, mit einem Arzt abzusprechen, wie lange man Eisbaden geht.
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von Emily Meinken
FAQ
Kann Eisbaden gefährlich sein?
"Wir sind als Menschen auf eine konstante Körperkerntemperatur angewiesen - also dass die inneren Organe und das Gehirn immer die gleiche Temperatur haben", erklärt Kwast. Wenn diese Temperatur sinkt, kann das grundsätzlich gefährlich sein.
Es ist deshalb wichtig, sicherzustellen, dass der Körper mit dem erhöhten Stress umgehen kann und den Temperaturabfall kompensieren kann. Für Menschen mit einer Herzerkrankung kann Eisbaden deshalb gefährlich werden. Bevor man in die Kälte eintaucht, sollte man also von einem Arzt seine Kreislaufgesundheit überprüfen lassen.
Auch Hanns-Christian Gunga warnt davor, zu leichtfertig mit dem Eisbaden umzugehen. Denn Arme und Beine können innerhalb von Minuten auskühlen. Außerdem hat das Wasser bei kalten Temperaturen eine höhere Dichte als im Sommer - das macht es schwerer, sich zu bewegen. Der Experte rät deswegen dazu, nie alleine Eisbaden zu gehen und nur kurz im Wasser zu bleiben.
Wie fange ich mit dem Eisbaden an?
Kälte-Anpassung kann man trainieren. Beim Eisbaden gilt deswegen wie beim Sport: Langsam anfangen und sich dann steigern.
Je jünger und gesünder man ist, desto besser kann der Körper Kälte kompensieren. Gerade als älterer Mensch sollte man deshalb ganz langsam mit dem Eisbaden beginnen. Hat man einmal mit dem Eisbaden angefangen, ist es vor allem wichtig, dranzubleiben. Um einen Trainingseffekt zu erzielen, sollte man ein bis dreimal die Woche ins kalte Wasser steigen, empfiehlt Stefan Kwast.
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von Ina Baltes
Der Artikel wurde erstmalig am 2. November 2023 publiziert.