Unfälle von Mitarbeitern der Deutschen Bahn: Tod am Gleis

    Mitarbeiter-Unfälle bei der Bahn:Tod am Gleis

    von Tonja Pölitz
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    Im Herbst 2023 sterben zwei Mitarbeiter der Deutschen Bahn an Gleisen. Ihr Tod wirft Fragen auf: nach der Arbeitssicherheit - und danach, wie die Bahn solche Vorfälle untersucht.

    Gefährlicher Job bei der Bahn: Arbeiten am Gleis (Symbolbild).
    Die Arbeit der Reparaturtrupps an den Schienen ist mehr als gefährlich.20.08.2024 | 10:40 min
    "Sehr geehrte Fahrgäste! Im Zugverkehr kommt es zu Verzögerungen. Grund dafür ist die Reparatur an einer Weiche!": Bei dieser Bahndurchsage denkt man auf dem Bahnsteig zunächst nur an die eigene Verspätung. Für Katharina Duarte hat sie eine viel tiefere Bedeutung.
    Duartes Lebensgefährte Ali Ceyhan arbeitete seit 2022 als Weichenmechaniker bei der Deutschen Bahn, zeigte ihr stolz seinen Arbeitsplatz. "Da habe ich dann gesehen, wie nah er an den Gleisen arbeitet. Aber er sagte, dass ich mir keine Sorgen machen solle. Dass die Gleise gesperrt werden, wenn die dort am Arbeiten sind."
    Im September 2023 aber war das Gleis offenbar nicht gesperrt. Ali wurde in Köln von einem Zug erfasst und starb nur wenige Tage später. Er wurde nur 33 Jahre alt. Antworten zur Unfallursache habe sie bisher weder von Behörden noch der Deutschen Bahn erhalten, erzählt seine Lebensgefährtin.

    Während der Arbeit vom Zug überfahren

    An jenem September-Tag befand sich Ali zwischen den Gleisen am S-Bahnhof Trimbornstraße, kurz vorm Kölner Hauptbahnhof, wahrscheinlich an einem Bremsmagneten. Er war mit einem Kollegen vor Ort. Was dann passierte, ist ein Jahr später immer noch Gegenstand von Ermittlungen: Der Lokführer hat gebremst, aber offenbar erst, als es dafür schon zu spät war.
    "Eine Reparatur an dieser Stelle, da hätte man auf jeden Fall das Gleis sperren müssen - da hat irgendjemand seinen Job nicht gemacht", erzählt ein Fahrdienstleiter, der anonym bleiben will, ZDF frontal während der Recherche. Diesem Verdacht geht später auch die Staatsanwaltschaft Köln nach und ermittelt gegen einen Bahn-Mitarbeiter, weil der die notwendige Gleissperrung nicht beantragt haben soll.
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    Auf Anfrage erklärt die Deutsche Bahn AG dazu, dass die Sicherheit ihrer Mitarbeiter oberste Priorität habe. Zu fehlenden Gleissperrungen heißt es: "Bei unseren unternehmensinternen Kontrollen treten Auffälligkeiten nur in seltenen Fällen auf."

    Reparaturen ohne notwendige Gleissperrungen?

    Dabei gibt es noch mehr Fälle wie Ali Ceyhan aus dem vergangenen Herbst. Der Auszubildende Simon Hedemann starb im September 2023. Der 19-Jährige war in der Nähe von Hannover mit Kollegen am Gleis unterwegs, als er von einem Güterzug erfasst und getötet wurde. Auch bei ihm war das Gleis nicht gesperrt.
    Was Hedemann da neben den Schienen gemacht hat, wissen seine Eltern nicht. Die Bahn habe zwar per Brief das Firmeneigentum und den Konzernausweis zurückgefordert, aber keinerlei Erklärung dafür abgegeben, wie ihr Sohn während der Ausbildung vom Zug überfahren werden konnte. Simons Vater, Steffen Rach, versucht die Fassung zu wahren, wenn er über den Unfall spricht: "Wusste der Zugführer überhaupt, dass da jemand im Gleisbett ist? Das sind so die Fragen, die gehen einem ständig durch den Kopf."
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    Wer trägt die Verantwortung?

    Lokführer wissen oft nicht von Arbeiten im Gleisbereich. Philipp Grams erzählt, wie er als Lokführer gefährliche Situationen erlebt hat. Man habe keinen Einblick, was hinter der Kurve sei. Wenn etwa Mitarbeiter die Böschung zurückschneiden. Seiner Erfahrung nach komme es mindestens drei-, viermal am Tag vor, dass Arbeiter am Gleis einem Sicherheitsrisiko ausgesetzt seien.
    Wie viele Menschen während der Arbeit vom Zug überfahren werden, ist weder dem Bundesverkehrsministerium noch dem Eisenbahn-Bundesamt bekannt. ZDF frontal ist auf mindestens zwölf Todesfälle im Jahr 2023 gestoßen. Zuständig für die Überwachung des Arbeitsschutzes auf Bahn-Anlagen ist das Eisenbahn-Bundesamt. Es darf Unfallursachen klären, Beweise sichern und Zwangsmaßnahmen durchsetzen.
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    Deutsche Bahn muss Untersuchungen nicht veröffentlichen

    Die Fälle Hedemann und Ceyhan aber überlässt die Behörde der Bahn. Es gebe keine Pflicht zur vertieften Untersuchung von Arbeitsunfällen, erklärt das Eisenbahn-Bundesamt auf Anfrage. Die Behörde verlässt sich beim Arbeitsschutz auf die Untersuchung der Deutschen Bahn, und die muss ihren Bericht nicht mal veröffentlichen. Die Bahn erklärt ihrerseits, alle Arbeitsunfälle würden sorgfältig untersucht.
    Wer ist verantwortlich für den Tod von Ali Ceyhan und Simon Hedemann? Seit fast einem Jahr gibt es in beiden Fällen Hinweise auf möglicherweise mangelnden Arbeitsschutz. Doch das Eisenbahn-Bundesamt geht dem selbst nicht nach.
    Aber es schreibt an ZDF frontal. Sollten tatsächlich Mängel des Arbeitsschutzes vorliegen, wäre es an diesen Erkenntnissen dann doch sehr interessiert.

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    Quelle: ZDF

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