50 Jahre DDR-Jeans: Vom Klassenfeind zum Kult

    Boxer, Wisent, Shanty & Co.:50 Jahre DDR-Jeans: Vom Klassenfeind zum Kult

    von Franziska Wunderlich
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    Lange galten Jeans in der DDR als stoffgewordener Klassenfeind. Doch ihr Siegeszug war unaufhaltsam. Um dennoch ihren Import zu verhindern, ging die DDR 1974 selbst in Produktion.

    Eine Gruppe Menschen in Jeansjacken
    Die Jeans findet man in jedem Schrank. Heute normal, stand sie in der DDR für vorerst westliche Dekadenz. Die erste DDR-Jeans setzte somit vor 50 Jahren ein politisches Zeichen.08.04.2024 | 9:21 min
    Die ausgewaschenen Arbeitshosen aus Amerika - sie waren Ausdruck westlicher Freiheit - und damit in der DDR ein modisches No-Go. Zwar war sie nicht direkt verboten, doch wurden ihre Träger als "Rowdys" oder "Gammler" verunglimpft.
    Mancher wird nach Hause geschickt, um sich "ordentliche" Hosen anzuziehen oder erhielt keinen Einlass zu bestimmten Veranstaltungen.
    Stefan Wolle, Historiker mit Schwerpubkt DDR-Forschung, erinnert sich: "Die DDR Jugend wollte natürlich so aussehen wie Marlon Brando und James Dean mit Motorrad, Lederjacke und Niethosen. Das war für die DDR-Führung eine große Herausforderung. Die sagten, das wäre eine amerikanische Strategie der Welteroberung und sie behaupteten, das sei die amerikanische Unkultur, zusammen mit dem Rock'n'Roll."

    Das war das Allerschlimmste, was es geben konnte für die Funktionäre der SED und FDJ. Und umso mehr wollten es die jungen Leute natürlich haben.

    Stefan Wolle, wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums in Berlin

    Ein Mann entfernt mit einem Schraubendreher das Länderkennzeichen DDR von seinem Trabant.
    Ab Anfang der 1980er-Jahre wurde die Jeans zum "geduldeten Kleidungsstück". Sie war bei der jungen Generation angesagt und Ausdruck modischer Freiheit.
    Quelle: Getty Images

    DDR-Jeans kommt in Produktion

    Die Sehnsucht einer ganzen Generation nach diesem Kleidungsstück zwang schließlich auch die DDR-Führung zum Umdenken. Um aber dennoch dem verhassten Westen nicht Tür und Tor zu öffnen, beschloss man, selbst zu produzieren.
    Auserkoren wurde dafür Lößnitz im Erzgebirge. Christine Werzner arbeitete als Modedesignerin im damaligen VEB Bekleidungswerk Lößnitz und war diejenige, die vor 50 Jahren beauftragt wurde, erste Entwürfe zu skizzieren.
    Sie sagt mit Blick auf die damalige Zeit: "Erstmal musste ja ein vollkommen neuer Betrieb erstmal gebaut werden. Und das war natürlich wie eine wahnsinnige Herausforderung, mitten dabei zu sein als Gestalter."

    Ich war ja eine junge Frau, und das war ja genau das, was man machen möchte. Für junge Menschen fetzige, schöne, tolle Kleidung zu produzieren und zu entwerfen.

    Christine Werzner, Modedesignerin

    Eine Ausstellung der Modezeitschrift Sibylle mit Titelseiten von 1956 -1995
    In der DDR war die Modezeitschrift Sybille eine wichtige Informationsquelle zu Fashion und Co.
    Quelle: pa/dpa-Bildfunk

    Verschiedene DDR-Jeans Marken wurden populär

    El Pico - so hieß die erste DDR-Jeans. In den nächsten Jahren folgen weitere Produktionstätten überall im Land. Boxer, Wisent, Shanty kamen auf den Markt. Und obwohl die DDR-Jugend oft bemängelte, dass sie in Farbe und Passform nicht mit den Westjeans mithalten konnte, war sie meist vergriffen.
    Auch mühte man sich in der DDR, dem Original - wenigstens optisch - so nah wie möglich zu kommen. Das bleibt sogar der kapitalistischen Konkurrenz aus Amerika nicht verborgen. "Natürlich wurde man auch in Los Angeles aufmerksam, dass da Markenprodukte nachgeahmt wurden in der sozialistischen DDR. Und die waren gar nicht so begeistert und beschwerten sich und schickten einen Brief, man möge das bitte unterlassen, die Jeans (Wisent A.d.R.) in dieser Form nachzuahmen", sagt Wolle.

    Und da gab es etwas Hin und Her mit den Markenjeans und dann einen Kompromiss zwischen Wisent und der Original Levis-Produktion in Amerika. Die sagten: 'Okay, ihr könnt für euren Binnenmarkt für DDR-Geld produzieren, was ihr wollt.'

    Stefan Wolle, DDR-Museum Berlin

    Trabant Fan mit einer Jeans-Veste mit dem Logo des Trababants auf einem Treffen von Trabant-Begeisterten in Zwickau.
    Nachfrage nach Denim: Ob Hose, Jacke oder Weste: Am Ende der DDR kam die Jeansproduktion kaum noch hinterher.
    Quelle: Getty Images

    DDR-Jeansproduktion kam ins Stocken

    In der DDR-Jeansproduktion kam man kaum noch hinterher - auch weil der DDR typische Mangel kompensiert werden muss. Denn mal fehlt Garn, mal an den Stoffen. Und auch wenn Maschinen kaputtgehen, muss improvisiert werden:

    Wenn dann doch ein Ersatzteil nicht rechtzeitig da war und wir wussten, da sind Rentner und die fahren in den Westen zu ihren Verwandten - die mussten dann eventuell dieses Ersatzteil eben mitbringen. So war das, damit es weitergegangen ist.

    Gabriele Meixner, ehemalige Produktionsstättenleiterin "VEB Bekleidungswerke Lößnitz"

    Das Aus für die DDR-Jeans

    Nach der Wende ging es jedoch nicht mehr weiter. Boxer und Co. wurden in den Kleiderschränken mehr und mehr von den immer noch heißbegehrten Originalen amerikanischer Hersteller ersetzt.
    Es war das Ende vieler Betriebe, auch das Ende des VEB Bekleidungswerks in Lößnitz - in dem vor 50 Jahren die erste DDR Jeans entworfen und produziert wurde.
    "ZDFzeit: Früher war alles besser! Oder? - Frei Fahrt und freie Meinung": Andreas Keßler und Lina van de Mars sitzen in einem Karman Ghia nebeneinander und schauen durch die Frontscheibe in Richtung Kamera.
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