Lärmbelastung: Wie eine laute Umgebung uns krank machen kann
Interview
Lärmbelastung:Wie eine laute Umgebung uns krank machen kann
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Der Frühling kommt und mit ihm der Lärm: Motorräder rasen durch Wälder, Urlaubsflieger starten über unsere Köpfe hinweg. Wie Lärm krank macht, erklärt der Kardiologe Thomas Münzel.
Wie viel Lärm ist zu viel? Welche Auswirkungen hat die Lärmbelästigung durch den niemals ruhenden Verkehr auf uns? Der Kardiologe Thomas Münzel im Gespräch.26.04.2023 | 5:50 min
Wütende Anwohner und demonstrierende Biker: Der Streit um den Lärm wird zum Beginn des Frühlings auch wieder lauter. Die einen fordern, dass Motorräder leiser werden müssen, sonst könnten sogar Fahrverbote drohen.
Ein Ding der Unmöglichkeit, sagen die Motorradclubs: Es könne nicht sein, dass man Motorradfahrer in Sippenhaft nimmt für einige schwarze Schafe, die sich nicht an die Spielregeln halten.
Auch für manche Autofahrer gehört der Klang eines röhrenden Verbrenner-Auspuffs dazu. Was Ihnen ihr "Benzin im Blut" ist, ist für die Anwohnerinnen und Anwohner von Straßen eine Lärmbelästigung.
Der Streit um den Lärm wird zum Beginn des Frühlings auch wieder lauter. So fordern manche Anwohner, dass Motorräder leiser werden müssen. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Wer in der Nähe eines Flughafens lebt, leidet häufig unter dem Fluglärm. Lärm wird dabei subjektiv verschieden wahrgenommen - und er kann sogar krank machen. Das sagt Prof. Dr. Thomas Münzel, Kardiologe an der Universität Mainz, in NANO.
ZDFheute: Sie haben ja auch schon mehrere Studien betreut. Warum genau macht Lärm denn überhaupt krank?
Dr. Thomas Münzel: In der Lärmwirkungsforschung werden zwei Wege beschrieben. Wenn die Werte über 100 Dezibel sind, gibt es einen sogenannten direkten Weg, wo im Endeffekt das Hörorgan geschädigt wird. Der zweite, indirekte, bedeutet, dass die Konversation oder der Schlaf gestört wird. Dadurch entsteht Stress. Wir ärgern uns darüber, und es geht im Endeffektdann darum, dass der Stresshormonspiegel hoch ist, ansteigendes Kortison zum Beispiel.
Das heißt, der Blutdruck geht hoch, man kriegt Diabetes, der Cholesterinwert geht hoch. Und wenn das noch mal über längere Zeit persistiert, dann wird man herzkrank. Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche sind dann im Endeffekt die Folgen.
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ZDFheute: Welcher Lärm ist dann besonders gesundheitsschädlich?
Münzel: Es gibt verschiedene Bereiche. Der Autolärm ist natürlich der, der die meisten betrifft, europaweit. Und es gibt relativ neue Daten aus Dänemark, die gezeigt haben, dass schon bei 46 oder 47 Dezibel die Zahlen derer, die aufgrund von Lärm versterben, signifikant ansteigen. Wir haben sicher, kann man sagen, den Straßenlärm als wichtigste Quelle für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Todesfälle.
Wenn es darum geht "was nervt am meisten?", da ist relativ klar, dass der Fluglärm mehr nervt. Tagsüber hören wir sozusagen ohnehin schon ein Dauerrauschen. Was ist denn, wenn nachts der Lärmpegel nicht runtergeht? Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Wir haben in der Lärmwirkungsforschung an der Uni Mainz noch verschiedene Aspekte untersucht: Was ist, wenn Mäuse am Tag oder in der Nacht Lärm exponiert werden? Da haben wir gesehen:
Und das liegt daran, dass der Schlaf gestört wird, dass der Schlaf insgesamt zu kurz wird. Das steigert die Stressreaktionen. Auch gesunde Medizinstudenten oder Patienten mit koronarer Herzerkrankung, die Nachtfluglärm oder Schienenlärm ausgesetzt wurden, haben wir getestet. Es reicht aus, um eine schwere Gefäßfunktionsstörung auszulösen. Das hat uns natürlich extrem überrascht. Man kann es aber durch Vitamin C korrigieren, das ist die gute Botschaft.
ZDFheute: Trotzdem passiert ja relativ wenig, obwohl Sie und ihre Studien zeigen, dass Lärm massiv gesundheitsschädlich ist. Wie lautet denn da ihre Forderung?
Münzel: Man muss davon ausgehen, das sagt die Weltgesundheitsorganisation auch, dass Lärm das meist unterschätzte Gesundheitsrisiko ist. Man setzt es an zweiter Stelle nach der Feinstaubexposition als Todesursache ein. Die Lärmschutzbedingungen müssen eingehalten werden, zum Beispiel in Bezug auf Fluglärm. Die aktiven Schallschutzmaßnahmen müssen greifen, das heißt höher fliegen, steiler landen. Dadurch schützt man die Anwohner oder GPS-gesteuert über bevölkerungsarme Gebiete fliegen.