Nach Horror-Flug mit Boeing: Was Passagiere wissen müssen

Nach dem Horror-Flug einer Boeing 737 Max 9 über dem US-Bundesstaat Oregon ergeben sich viele Fragen - für Airlines, Ermittler von Luftfahrtbehörden, aber auch für Passagiere: Wie konnte es zu dem Unglück kommen, bei dem ein Teil des Kabinenrumpfs von der Größe einer Flugzeugtür in etwa 5.000 Metern Höhe herausbrach? Was sind die Konsequenzen - und könnte so ein Unfall auch mit einer deutschen Fluggesellschaft passieren? ZDFheute klärt die wichtigsten Fragen.

Das ist bisher noch nicht geklärt. Die US-Luftfahrtaufsicht FAA hatte am Wochenende angeordnet, Flugzeuge des selben Typs am Boden zu lassen und zu inspizieren. Zwei US-Airlines haben daraufhin an der gleichen Stelle Probleme bei weiteren Max 9 entdeckt: Alaska Airlines und United Airlines berichteten am Montag von losen Schrauben und Teilen.

Bundesermittler sagten einem Bericht der "New York Times" zufolge, es sei möglich, dass die Schrauben, die die weggeflogene Rumpfplatte an Ort und Stelle halten sollten, nie angebracht worden seien. Das sei eine der Theorien, die die zuständige Behörde verfolgt. Die Fluggesellschaft Alaska Airlines steht nun unter Erklärungsdruck: Experten werfen die Frage auf, ob das betroffene Flugzeug überhaupt einsatzfähig war. Denn zuvor hatte bei drei Flügen eine Warnleuchte auf ein mögliches Problem mit dem Kabinendruck hingewiesen.

Die Airline hatte wegen der Warnleuchte festgelegt, die Boeing 737 Max 9 nur noch über Land fliegen zu lassen. Wie kann das sein? Wie mit einer Fehlermeldung umgegangen wird, entscheiden die beteiligten Techniker der jeweiligen Fluggesellschaft, erklärt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt ZDFheute:

Die Entscheidung sei anschließend meist Ermessenssache - wie im Falle von Alaska Airlines. Ob die sporadischen Druckwarnungen tatsächlich in Zusammenhang mit dem Unglück stehen oder möglicherweise nur auf einen defekten Sensor zurückzuführen sind: Unklar. Fest steht: Wäre das Unglück über dem Meer passiert, fernab von einem Flughafen, hätte das eine Katastrophe zur Folge haben können.

Die Boeing 737 Max 9 ist ein klassischer Mittelstreckenjet. Weltweit sind dem Luftfahrtdatenanbieter Cirium zufolge 215 Maschinen des Typs im Einsatz, zwei Drittel bei den Fluggesellschaften United Airlines und Alaska Airlines. Weitere Maschinen werden unter anderem von Turkish Airlines, FlyDubai und Iceland Air betrieben.

In der Europäischen Union sind laut der hiesigen Behörde EASA keine Maschinen betroffen. Zwar setzt Iceland Air die 737 Max 9 auch auf Verbindungen ab Frankfurt oder Berlin ein.

Die Fluggesellschaft verwendet aber eine andere Version der Maschine als Alaska Airlines: Bei Iceland Air befindet sich an der betroffenen Stelle ein Notausgang. Bei der anderen Version der Max 9, die diesen Notausgang nicht hat, befindet sich an der Stelle ein Bauteil, das die Lücke im Rumpf schließt - und das bei dem Unglücks-Jet abgeplatzt und weggeflogen ist.

Schon bei der Herstellung engmaschig. "Jedes Flugzeug wird in der Produktion bei Tausenden von Einzelschritten überprüft", erklärt Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Wichtige Arbeitsschritte würden von unbeteiligten Fachkräften kontrolliert, abgezeichnet und freigegeben.

Hinzu kommen regelmäßige Wartungen. So überprüfen Cockpit-Crew und Mechaniker das Flugzeug vor jedem Flug auf von außen auf sichtbare Schäden. Im Falle des Alaska-Unglücks wären die Mängel wahrscheinlich "bei einem der größeren Wartungsereignisse, bei einem sogenannten C-Check" entdeckt worden, sagt Großbongardt.

Ein C-Check umfasst eine gründliche Überprüfung von Strukturen etwa an Rumpf und Tragflächen - und "steht ungefähr alle zwei bis drei Jahre an", erklärt der Experte.

2018 und 2019 stürzten zwei Maschinen vom Typ Max 8 ab, 346 Menschen starben. Behörden in aller Welt verhängten deshalb Flugverbote für den Typ: Ab März 2019 durfte die Max mehr als anderthalb Jahre lang nicht mehr abheben und wurde erst nach technischen Verbesserungen nach und nach wieder zugelassen. Den Hersteller kostete das Desaster insgesamt Milliarden.

Zuletzt musste Boeing die Auslieferung der 737 Max gleich zweimal unterbrechen - zunächst wegen Qualitätsmängeln am hinteren Rumpfteil, dann wegen fehlerhafter Bohrlöcher in dem Druckschott, das die Flugzeugkabine nach hinten abschließt. Ende 2023 entdeckte eine Fluggesellschaft eine Schraube mit fehlender Mutter in der Rudersteuerung - Boeing forderte daraufhin die Airlines auf, alle Flugzeuge auf lose Schrauben am Steuerungssystem zu überprüfen.