Graf Hardenberg und der 20. Juli:"Er hat überlebt, er hat ein Schloss"
von Katrin Lindner
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Vor 80 Jahren trifft sich die Widerstandsgruppe um Graf von Stauffenberg auf dem Schloss ihres Verbündeten Graf von Hardenberg. Nun wird ihrer dort jedes Jahr feierlich gedacht.
Schloss Neuhardenberg
Quelle: ap
Rund 70 Kilometer östlich von Berlin liegt Schloss Neuhardenberg. Hier trifft sich im Sommer 1944 die Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Der Schlossherr von damals, Graf von Hardenberg, ist einer von ihnen. Er ist auch einer der wenigen, die ein Grab haben. Viele seiner Mitstreiter sind nach dem missglückten Attentat einfach nur verscharrt worden.
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"Er ist mein Vorbild. Gerade heute. Man darf nicht schweigen. Er hat damals schon gemahnt." Uwe Rosenberg steht an diesem Tag im Laden der Stiftung Neuhardenberg, in einem der Kavaliershäuser des Schlosses. Seit vielen, vielen Jahren hat er sich geschworen:
In den 90er Jahren setzt sich der gelernte Tischler dafür ein, dass jedes Jahr in Neuhardenberg ein Gedenkgottesdienst stattfindet - immer am 20. Juli. Immer in dieser Hitze. Auch jetzt.
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Carl-Hans Graf von Hardenberg ist Reserveoffizier (zuletzt Oberstleutnant d.R) und stellt sein Schloss als geheimen Treffpunkt für viele Oppositionelle zur Verfügung. Er schreibt in seinen Erinnerungen, dass die Überwachung auf dem Land weit schwieriger gewesen sei als in Berlin.
Historiker: Hardenberg war "hochkonservativ"
Militärhistoriker Winfried Heinemann hält in diesen Tagen viele Vorträge über den 20. Juli 1944 und beschreibt von Hardenberg als "hochkonservativ. Aus diesem Grund lehnte er den Nationalsozialismus schon früh ab. Die Erfahrung der Verbrechen im Osten tat ein übriges."
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Auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist zu Besuch in Neuhardenberg im Sommer '44.
Hardenbergs Tochter Rheinhild ist im Sommer 1944 21 Jahre alt und mit Stauffenbergs Adjutant Werner von Haeften verlobt, ihr Vater weiht sie ein.
Das Attentat auf Hitler schlägt fehl, Oberst Stauffenberg und seine engsten Mitverschworenen werden kurz darauf im Hof des Bendlerblocks erschossen.
Gestapo verlangt Todesstrafe für Hardenberg
Carl-Hans Graf von Hardenberg wird am 24. Juli von der Gestapo verhaftet. Er unternimmt einen Selbstmordversuch, der misslingt - und wird ins Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Ihn erwartet ein Prozess, die Gestapo verlangt die Todesstrafe. Doch bevor es dazu kommt, befreit die Sowjetarmee das KZ Sachsenhausen.
Es folgt die Bodenreform, Hardenberg wird enteignet, die Familie zieht um auf den Familiensitz Nörten-Hardenberg bei Göttingen. 1958 stirbt Carl-Hans Graf von Hardenberg.
In der DDR wurde geschwiegen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird Neuhardenberg kurzerhand in Marxwalde umbenannt, von 1949 bis 1990 heißt es so. Die Regierungsstaffel für Erich Honnecker wird in diesem Marxwalde stationiert.
Ein Widerstandskämpfer und Graf passt nicht in diese Zeit. Und so macht die DDR das, was sie mit unpassender Geschichte gern tut: Sie schwieg sie tot. Die Überführung der Urne Hardenbergs in seine Heimat wird abgelehnt. Erst 1991 – zu seinem 100. Geburtstag – wird er an der Kirche in Neuhardenberg beigesetzt.
"Er hat überlebt und er hat wirklich ein Schloss"
Uwe Rosenberg erzählt: "Nach der Wende stand ein alter Mann vor dem Grab und rief: 'Er ist 1958 gestorben, er hat überlebt! Und er hat wirklich ein Schloss!'". Der Pole Marian Subkowiak wird ein treuer Besucher des Gottesdienstes am 20. Juli in Neuhardenberg.
Im KZ Sachsenhausen hat der polnische Widerstandskämpfer den verletzten Hardenberg gepflegt, beide teilen sich das Krankenzimmer.
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Uwe Rosenberg erzählt weiter: "Am Anfang hat er es für einen Fake gehalten, ein Deutscher im Widerstand!" Nach dem Krieg sei Marian Subkowiak nach Polen zurückgegangen. Subkowiak habe Rosenberg dann erzählt, dass Hardenberg ihm gesagt habe: "Nach dem Krieg kommst du wieder und du kannst so lange bei mir wohnen, wie du willst."
Begegnet sind sie sich nicht mehr, doch selbst im hohen Alter kam Marian Subkowiak jedes Jahr den weiten Weg von seinem polnischen Heimatort nach Neuhardenberg.
"Vergiss die Toten des 20. Juli nicht"
Der evangelische Theologe Notger Slenczka hält in diesem Jahr die Predigt im Gedenkgottesdienst der Neuhardenberger Kirche. Er sagt: "'Vergiss die Toten des 20. Juli nicht!' – so spricht Carl-Hans Graf von Hardenberg das deutsche Volk an am Ende seiner Erinnerungen, die er auf Silvester 1945 datiert - also etwas mehr als ein halbes Jahr nach dem Ende des Krieges in Europa. 'Vergiss nicht! Halte sie in Erinnerung'", so predigt Slenczka in der Kirche.
Im Schloss werden in der Ausstellung "Nacht in Deutschland – Verfolgung - Zerstörung - Widerstand" Werke aus der Sammlung Gerhard Schneider gezeigt - Beispiele "verfolgter Kunst" aus dem Dritten Reich, die einst das Leben kosten konnte. Im Schlosspark wird der Gedenkort für Carl-Hans Graf von Hardenberg und den deutschen Widerstand eingeweiht und in der Schinkelkirche Neuhardenberg findet ein Gedenkgottesdienst statt.
Viele Widerstandskämpfer kennengelernt
Uwe Rosenberg arbeitet nun seit rund 20 Jahren für die Stiftung Neuhardenberg. Er hat viele Widerstandskämpfer und die Kinder von Carl-Hans Graf von Hardenberg kennengelernt, immer wenn sie zu den Gedenkgottesdiensten am 20. Juli kamen.
Das Gedenken an den 20. Juli 1944 lebt auch in Neuhardenberg, dank Menschen wie Uwe Rosenberg oder anderen, die diesen Teil deutscher Geschichte weiter erzählen.
Katrin Lindner ist Redakteurin im ZDF-Landesstudio Brandenburg.
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