Gedenkakt zum fünften Jahrestag des Attentats in Halle

    Fünf Jahre Halle-Attentat:Gedenken, Trauer und ein Zeichen neuen Lebens

    |

    Am fünften Jahrestag des Attentats in Halle wird heute der Opfer gedacht. Die Aufarbeitung ist langwierig, die Trauer noch immer groß. Trotzdem gibt es ein "Zeichen neuen Lebens".

    Trauriges-Gedenken-in-Halle
    Am fünften Jahrestag wird heute an die Opfer des antisemitischen Anschlags in Halle erinnert. Heute vor 5 Jahren versuchte ein Rechtsextremist in die Synagoge einzudringen und erschoss anschließend zwei Menschen.09.10.2024 | 1:56 min
    "Der Angriff auf die Synagoge in Halle war einer der widerwärtigsten antisemitischen Akte seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Generalbundesanwalt Kai Lohse in seinem Schlussplädoyer im Prozess über den rechtsterroristischen Anschlag vom 9. Oktober 2019. Im Dezember 2020 erging das Urteil: Der 28-jährige Täter wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt.

    Stephan B. hatte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur schwer bewaffnet versucht, in der Synagoge ein Massaker anzurichten. Zum Tatzeitpunkt befanden sich dort 51 Gottesdienstteilnehmende. Er eröffnete das Feuer auf die Synagogentür. Als ihm das Eindringen misslang, erschoss er erst eine 40-jährige Passantin vor der Synagoge, dann einen 20 Jahre alten Maler-Azubi in einem nahen Döner-Imbiss und verletzte auf seiner Flucht weitere Menschen, zwei davon schwer. Der Täter filmte seine Taten und streamte sie live im Internet. Bis zuletzt zeigte er im Prozess keine Reue für seine Taten.

    Quelle: KNA

    Gedenkakt mit Bundespräsident

    Zum fünften Jahrestag des Attentats an diesem Mittwoch finden mehrere Veranstaltung in Halle statt. Der zentrale Gedenkakt beginnt um 17.00 Uhr in der Ulrichskirche. Zum Zeitpunkt des damals ersten Schusses, um 12.03 Uhr, läuten alle Kirchenglocken der Stadt. Ebenfalls bereits am Mittag findet in der Synagoge ein Gedenken mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier statt. Im Anschluss erhält die Jüdische Gemeinde feierlich eine neue Thora-Rolle, deren letzter Buchstabe dann geschrieben wird.

    Der Attentäter wollte das jüdische Leben in Halle zerstören. Das ist ihm nicht gelungen. Die neue Thora ist für uns jetzt auch ein Zeichen neuen Lebens.

    Max Privorozki, Jüdische Gemeinde Halle

    Auf die Frage, inwieweit seine gut 500 Mitglieder umfassende Gemeinde überhaupt wieder zur Ruhe kommen kann, antwortet der Gemeindevorsitzende Max Privorozki achselzuckend: "Wir arbeiten weiter. Die gesamte Welt kommt ja nicht zur Ruhe." Die Solidarität nach dem Attentat sei damals unglaublich groß gewesen. "Aber das ist nicht automatisch so. Jetzt im Zuge des Kriegs gegen Israel vermisse ich sie ein wenig. Da würde ich mir noch klarere Statements wünschen."
    "Einzeltäter - Halle": Bildcollage
    Der Attentäter von Halle ermordet zwei Menschen auf offener Straße. Ein Dokumentarfilm richtet den Blick auf die Hinterbliebenen der Opfer. Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen der Trauerarbeit der Betroffenen und der politischen Deutung der Tat?21.07.2023 | 67:17 min

    Döner-Imbiss inzwischen Gedenkort

    Auch am zweiten Tatort, dem Döner-Imbiss, ist am Abend ein Gedenken geplant. Der ehemalige "KiezDöner" heißt inzwischen "Tekiez" und ist nunmehr ein Gedenkraum, an dem zwei Mal wöchentlich nachmittags die Türen geöffnet sind, um Kaffee zu trinken, gemeinsam zu kochen, sich auszutauschen, zu trauern und zu erinnern. Daneben gibt es Veranstaltungen wie Lesungen und Workshops. Die Initiative kam von den Betreibern Ismet und Rifat Tekin, die mitansehen mussten, wie der Attentäter in ihrem Laden einen Mann erschoss.
    Das Interesse an der Erinnerung konzentriere sich sehr auf konkrete Anlässe wie den Jahrestag, berichtet Projektkoordinatorin Yamin Hamid.

    Für uns ist die Erinnerung sehr präsent, aber sie in der Öffentlichkeit wach zu halten, ist sehr schwierig.

    Yamin Hamid, Projektkoordinatorin "Tekiez"

    Auch erkennt die Stadt ihres Erachtens das "Tekiez" nicht wirklich als Gedenkort an. Zwar sei die Finanzierung bis Ende 2025 gesichert, die weitere Zukunft aber offen. "Nach wie vor ist dieser Ort für viele Überlebende wichtig, das berichten sie uns immer wieder. Schon das Wissen, dass es diesen Gedenkort überhaupt gibt, gibt ihnen Kraft, selbst wenn sie gar nicht hier in der Nähe wohnen."
    Nahaufnahme von Springerstiefeln mit weißen Schnürsenkeln. Sie stehen auf einer auf dem Boden angedeuteten Flagge der Europäischen Union.
    In Europa radikalisiert sich eine neue Generation von Neonazis, die gezielt Angriffe auf Muslime, Juden, Migranten und Linke durchführt. Ihr Ziel ist die Vorherrschaft der "Weißen"06.03.2024 | 42:23 min

    Langwierige Aufarbeitung

    "Die Aufarbeitung der Tatfolgen ist langwierig und stellt eine weitreichende Aufgabe dar. Das sehen wir sehr deutlich bei den Überlebenden, zu denen der Kontakt besteht", berichtet auch die Psychologin Marina Chernivsky, Geschäftsführerin von "Ofek", einer bundesweiten Beratungsstelle für Opfer von Antisemitismus. Terroranschläge und extreme Gewalttaten wie in Halle würden für die Überlebenden und Hinterbliebenen spürbare Folgen hinterlassen, die nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich relevant seien.

    Oftmals treffen Menschen auf ein stummes, unsolidarisches Umfeld, was ihre Verletzung verschärft.

    Marina Chernivsky, Psychologin

    Die Anerkennung des geschehenen Unrechts sei für die Überlebenden eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Umgang mit Gewalt.
    Menschenkette um Bochumer Synagoge nach Anschlag in Halle mit Schild "Schweigende Mehrheit"
    Nach dem Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle fanden in ganz Deutschland Gedenk- und Solidaritätskundgebungen statt. Gleichzeitig wurde debattiert, ob jüdische Einrichtungen ausreichend geschützt werden. 12.10.2019 | 4:11 min

    Synagogen sollen besser geschützt werden

    Die Synagoge in Halle hatte zum Zeitpunkt des Anschlags keinen Polizeischutz. Das führte im Nachgang zu einer bundesweiten Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Gotteshäuser. Bund und Länder sagten zu, Synagogen besser zu schützen.
    Recherchen des "Mediendienstes Integration" ergaben, dass die meisten Bundesländer seitdem Gelder für zusätzliche Schutzmaßnahmen an jüdische Einrichtungen zahlen. Zuvor hatten viele Maßnahmen wie Einlassschleusen, Videoüberwachung und Sicherheitspersonal selbst finanzieren müssen.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

    Sie wollen stets auf dem Laufenden bleiben? Dann sind Sie bei unserem ZDFheute-WhatsApp-Channel genau richtig. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt auf Ihr Smartphone. Nehmen Sie teil an Umfragen oder lassen Sie sich durch unseren Mini-Podcast "Kurze Auszeit" inspirieren. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: ZDFheute-WhatsApp-Channel.

    Quelle: Karin Wollschläger (KNA)

    Mehr zum Thema Antisemitismus