150. Geburtstag:Albert Schweitzer: Vorreiter mit Widersprüchen
von Peter Theisen
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Albert Schweitzer war Theologe, Mediziner und Musiker. Er lebte seine Ethik, die zu Lebzeiten fast revolutionär war. Doch sein Werk wirft auch Fragen auf.
Wie der Friedensnobelpreisträger seine Zeit prägte.14.01.2025 | 3:10 min
Als Urwalddoktor wurde Albert Schweitzer weltberühmt. In Deutschland setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein regelrechter Hype um Schweitzer als den "guten Deutschen" ein - dabei besaß er die französische Staatsangehörigkeit.
Zahlreiche Schulen, Straßen, Plätze sind bis heute nach dem gebürtigen Elsässer benannt. Nach heutigen Maßstäben aber fallen auch dunkle Schatten auf das Lebensbild Schweitzers. Am 14. Januar 2025 wäre er 150 Jahre alt geworden.
Interesse an Schweitzer hat nachgelassen
Wenn man durch das kleine Albert-Schweitzer-Museum in Offenbach streift, fällt einem sofort die Ruhe auf. Es sind kaum Besucher da. Das Interesse an dem Mann mit dem prägnanten Schnauzer hat merklich nachgelassen, stellt auch Gottfried Schütz fest, der Leiter des Albert-Schweitzer-Zentrums. Zu Unrecht, wie er meint, denn Schweitzers Ethik sei aktueller denn je.
Dieser Satz Schweitzers habe eine geradezu revolutionäre Sprengkraft, findet Schütz. Denn er bedeute in der Konsequenz Achtung für alle Menschen, egal welcher Religion oder Ethnie, aber auch für alles tierische und pflanzliche Leben. Daher berufen sich bis heute viele Tierschützer auf Albert Schweitzer.
Angesichts von Klima- und Biodiversitätskrise ist Schweitzers Ethik also aktueller denn je. Und dennoch droht er in Vergessenheit zu geraten.
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Waren für Schweitzer Afrikaner weniger Wert?
Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass Schweitzer als Kind seiner Zeit Positionen vertrat, die aus heutiger Sicht fragwürdig erscheinen. So bezeichnete er die Afrikaner zwar als seine Brüder - doch er, der weiße Mann, sei halt doch der ältere Bruder. Die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten lehnte er als verfrüht ab, das trug ihm den Zorn der afrikanischen Intelligenzia ein.
Auch, dass er zu Jähzorn neigte und Frau und Tochter jahrelang alleine ließ, um sein Lebenswerk im Urwald des heutigen Gabun zu schaffen, kratzte später am Bild Schweitzers.
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Gabun: Hospital dank Schweitzers Einsatz
Allerdings: Ohne seinen unbedingten Durchsetzungswillen und persönliche Opfer wäre sein Hospital im Urwald wohl nie entstanden.
Schweitzer, 1875 in Kaysersberg im Elsass und damit im damaligen Deutschen Reich geboren, entwickelte schon als Kind großes Mitgefühl für die Geschöpfe der Natur. Er studierte evangelische Theologie, wurde außerdem ein herausragender Orgelspieler und Bach-Interpret.
Schweitzer studierte auch Medizin
Doch Hochschullehrer und Pfarrer zu sein, das genügte ihm nicht. Mit 30 Jahren beschloss er, ein Medizinstudium zu beginnen, um in der Nachfolge Christi den Menschen in Afrika beizustehen.
Er fand seinen Bestimmungsort in Lambarene in Gabun, wo er unermüdlich am Aufbau eines Hospitals mitten im Urlaub arbeitete. Er war Architekt, Baumeister, Verwaltungschef und Arzt in einer Person.
Wie der Friedensnobelpreisträger seine Zeit prägte.14.01.2025 | 3:10 min
Für seine medizinischen "Wundertaten" wurde er bewundert. Der Ruhm Schweitzers verbreitete sich aus Lambarene in die ganze Welt.
In Lambarene wurden Tiere und Menschen gleich behandelt
50 Jahre seines Lebens schuftete Schweitzer unermüdlich. Tiere wurden in Lambarene mit derselben Selbstverständlichkeit versorgt und behandelt wie die Menschen.
Dieser besondere Geist Schweitzers sei auch heute noch spürbar im Krankenhaus von Lambarene, meint Roland Wolf, Leiter des Albert-Schweitzer-Hilfsvereins. Bis heute sammelt der Verein um die zweihunderttausend Euro im Jahr.
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Wolf reist immer wieder nach Gabun und beobachtet, dass in Lambarene - anders als in den anderen Krankenhäusern des Landes - auch die Patienten behandelt werden, die weder eine Krankenversicherung noch Geld für eine Behandlung hätten.
Hatte Schweitzer auch etwas mit dem ersten Atomwaffentest-Moratorium zu tun?
Schweitzer erhielt den Friedensnobelpreis 1952. In seinen letzten Lebensjahren nutzte er seine Prominenz, um gegen die atomare Aufrüstung zu protestieren. Er korrespondierte mit John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow.
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Nach seinem eindringlichen Appell kam es zu einem ersten Atomwaffentest-Moratorium. Ganz entsprechend Schweitzers Ethik, alles Leben auf der Erde - wenn irgendwie möglich - zu schützen und zu fördern.
Quelle: ZDF
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