Menschen werden ungleich behandelt - auch im Gesundheitssystem. Nicht selten habe das mit Herkunft oder Hautfarbe zu tun, sagt Autorin Liverpool. Es sei ein strukturelles Problem.
Rassismus gibt es auch in Krankenhäusern und Arztpraxen.
Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
Am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn legen Ärzte ein Gelöbnis ab - unter anderem schwören sie darin, dass "Erwägungen" von Alter, Glaube oder auch der Rasse nicht zwischen ihre Pflichten und den Patienten treten. So steht es in der Genfer Deklaration des Weltärztebundes. Damit schwören Ärzte, alle Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, gleich zu behandeln.
Doch die Realität sieht anders aus. Zahlreiche Studien belegen, dass Menschen mit Migrationshintergrund, Fluchtgeschichte oder anderer Hautfarbe durchschnittlich eine schlechtere gesundheitliche Versorgung erfahren - was mit einem hohen gesundheitlichen Risiko einhergeht. Manchmal ist es sogar lebensbedrohlich.
Layal Liverpool: Vorurteile führen zu Ungleichbehandlung
"Die Wahrscheinlichkeit für schwarze Frauen wie mich ist in Großbritannien viermal höher während der Schwangerschaft oder Geburt zu sterben als für weiße Frauen", sagt Layal Liverpool, Wissenschaftsjournalistin und Autorin zu dem Thema.
Zahlreiche Vorurteile - wie etwa, dass die Haut von schwarzen Menschen dicker sei oder sie weniger empfindsam für Schmerzen sind als Menschen mit heller Haut, halten sich ihrzufolge hartnäckig.
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Autorin beklagt rassistische Systeme
"Dabei wissen wir heute, dass Ethnie oder Hautfarbe eine sehr viel geringere Rolle für die Gesundheit spielen als Rassismus." Das bedeute: Nicht die Herkunft als solche beeinträchtige die Gesundheit, sondern vor allem der Umgang mit Patienten unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe - sowie Vorurteile und Unwissen.
"Seit ich das Buch geschrieben habe, werde ich oft nach demeinen Arztgefragt, der sich rassistisch verhalten hat. Dabei geht es mir nicht um Einzelne, die sich bewusst rassistisch verhalten, sondern ein System, das seit Jahrhunderten Ungleichheiten erzeugt", sagt Liverpool.
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Deutschland hinkt in der Forschung hinterher
In den USA und Großbritannien etwa wird das Thema Rassismus im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten erforscht - in Deutschland hinkt man bis heute hinterher. "Rund 80 Prozent der Studien zu diesem Thema kommen aus den USA", sagt Theda Borde, die seit 1996 zum Thema Migration und Gesundheit in Deutschland forscht. Seit 2022 leitet sie das Projekt "Empowerment für Diversität" an der Berliner Charité.
Eine Studie aus den USA zeigt, dass Krankheiten auf weißer Haut in gängigen Lehrbüchern unverhältnismäßig häufiger abgebildet werden als auf dunkler Haut. Bilder von sechs der häufigen Krebsarten für BPoC (Black and People of Color) fehlen gänzlich. "Symptome auf der Haut richtig zu deuten, ist essenziell", sagt Layal Liverpool. "Die Haut ist ein Frühwarnsystem für viele Krankheiten."
Doch die Wahrscheinlichkeit, dass verbreitete Hauterkrankungen wie Psoriasis undiagnostiziert bleiben, ist für BPoC in den USA höher als für weiße Menschen, zeigen Studien. "Es gibt eine Verzerrung (bias) zwischen der Realität und dem, was dem Gesundheitspersonal in der Ausbildung beigebracht wird", so Liverpool. Das sei sogar in Ländern der Fall, in denen die Mehrheit der Bevölkerung nicht-weiß ist.
"Mit dem Projekt wollen wir bundesweiteAllianzen bilden, um einen gerechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erreichen", sagt Borde. Das Vorhaben umfasst mehrere Ziele aus unterschiedlichen Bereichen. Um diskriminierende Strukturen, Prozesse und Verhaltensweisen in der Praxis zu identifizieren und nachhaltig zu verbessern, nehmen bundesweit sieben Kliniken teil.
Sprachkenntnisse elementar für gute medizinische Versorgung
Nicht zuletzt aus ihrer eigenen Forschung weiß Borde, dass es vielfältige Gründe für Rassismus in der Gesundheitsversorgung gibt. Auch die Sprachkenntnisse spielen aus ihrer Sicht eine zentrale Rolle. "Je geringer die Deutschkenntnisse sind, desto stärker werden Schmerzen angegeben", sagt Borde. Das zeigte eine ihrer Studien mit Patientinnen und Patienten in Berliner Notaufnahmen.
"Unzureichend gelöste Sprachbarrieren sind nicht nur für Patientinnen und Patienten und das Gesundheitspersonal eine zentrale Herausforderung, sondern auch für das Gesundheitssystem", sagt Borde. Fachkräfte würden zwischen professionellen Ansprüchen, rechtlichen Regeln und pragmatischen Arrangements agieren. Denn eine Übersetzung ist in Deutschland bisher nicht flächendeckend verfügbar und wird nicht bedarfsgerecht finanziert und eingesetzt.
In den USA wird in Forschung und Statistiken der Begriff "Race" genutzt, in Großbritannien "Ethnicity". Während Kategorisierungen wie diese mitunter umstritten sind, dienen sie in Studien dem Zweck, Rassismus und Ungleichbehandlung aufzuzeigen.
In Deutschland wird hingegen der Begriff Migrationshintergrund verwendet. Er bezieht sich auf Personen, die selbst oder deren Eltern im Ausland geboren wurden. "Das ist für die Forschung mitunter zu schwammig", sagt Theda Borde. Wie die Diversität besser abgebildet werden kann, wird in Deutschland aktuell verstärkt diskutiert. "Wenn wir Diskriminierung und Rassismus in der Gesundheitsversorgung untersuchen und dem etwas entgegensetzen wollen, brauchen wir in der Forschung Indikatoren, die mögliche Diskriminierungsrisiken abbilden."