Putin trifft Soldatenmütter - Was passiert bei ZDFheute live?
Anlässlich des russischen Muttertages hat sich Präsident Putin nach Kremlangaben mit einer Auswahl von Müttern seiner Soldaten getroffen. Bei der Propagandaveranstaltung sprach er den Frauen sein Mitgefühl aus, sagte aber auch, dass viele Behauptungen über den Zustand der russischen Armee gelogen seien. Er lobte die Frauen am Tisch als russische Patrioten. Kritik am Vorgehen Putins gab es bei dem vom Kreml arrangierten Treffen natürlich nicht.
Tatsächlich sind viele Mütter – besonders die der einberufenen Reservisten – besorgt über den Kriegseinsatz ihrer Kinder. Einige von ihnen werfen dem russischen Militär vor, die eigenen Soldaten ohne ausreichendes Training und mit mangelhafter Ausrüstung, an die Front zu schicken – auch wenn sie den Krieg grundsätzlich nicht infrage stellen. Die russische Aktivistin und Mutter eines eingezogenen Soldaten Olga Tsukanova fordert, die Männer zurück nach Hause zu holen. Sie wirft Putin vor, sich vor den Protesten der leidenden Familien zu verstecken.
Hunderttausende Soldaten setzt Russland bei seinem Angriffskrieg auf die Ukraine ein – darunter auch viele der 300.000 im September einberufenen Reservisten. Nach internationalen Einschätzungen sind auf beiden Kriegsseiten bereits jetzt zehntausende Tote und Verletzte zu beklagen.
Wie reagieren die Familien der russischen Soldaten? Können sie öffentlich protestieren? Oder befürworten auch sie den Krieg? Darüber sprechen wir bei ZDFheute live mit Russlandexperte Nico Lange und der russischen Anthropologin Alexandra Arkhipova.
Viele der rund 87.000 Reservisten sind wohl schon tot
"Von heute an gehörst du nicht zu mir, du gehörst dem Land, der Heimat." Diesen Satz habe seine Mutter zu ihm gesagt, als er im Alter von 18 Jahren ins Militär eintrat, erzählte der russische Ex-Soldat Igor Kobzev kürzlich auf einer Veranstaltung mit vielen Müttern im Publikum. Kobzev, heute 56 Jahre alt und Gouverneur der russischen Region Irkutsk, ist damit voll auf Linie des Kremls. Präsident Putin hat seit der Mobilmachung wohl rund 87.000 Reservisten an die Front geschickt. Einschätzungen britischer Geheimdienste zufolge ist eine hohe Zahl von ihnen inzwischen tot. Anfang November erklärte Putin die Mobilmachung für beendet.
Viele Frauen in Russland machen sich Sorgen um ihre Söhne und Ehemänner, die zum Kampf im Angriffskrieg gezwungen wurden. Unter anderem das Magazin "Der Spiegel" berichtete vor zwei Wochen vom Aufbegehren mehrerer Reservistenfrauen: In Videobotschaften forderten sie die Armee auf, ihre Männer von der Front abzuziehen, versammelten sich tagelang vor Militärbehörden, fuhren sogar in die Region Luhansk und belagerten Gebietsverwaltungen in russischen Gebieten.
Nur wenige Mütter und Ehefrauen sind gegen den Krieg
Gegen den Krieg an sich, der in Russland immer noch "Spezialoperation" genannt werden muss, protestieren aber die wenigsten Frauen. Ihnen geht es um den Umgang mit ihren Männern und Söhnen, den sie für inakzeptabel halten. Das Militär halte sich nicht an Versprechungen, was Ausbildungszeit, Ausrüstung, Vergütung und Unterbringung anginge, kritisieren sie. Auch die Gesundheitsuntersuchungen seien nicht ausreichend. Wer nicht kämpfen will oder kann, wird offenbar in Keller gesperrt oder vor dem Rest seiner Einheit abgeführt. Darauf lassen Videos und Bilder im Netz schließen.
Das 1989 gegründete "Komitee der Soldatenmütter Russlands" stellt eine Ausnahme dar, wenn es sich zumindest vorsichtig oppositionell äußert. Mitglied Valentina Melnikova sagte der englischen Zeitung "Guardian": "Mit den Angehörigen von mobilisierten [Soldaten] zusammenzugehen, die damit einverstanden sind, dass ihre Ehemänner und Söhne an der Front sterben, ist für uns nicht angenehm." Über Putins Vorgehen sagt sie:
Zu dem Treffen mit Wladimir Putin wurde das Komitee nicht eingeladen.
Mit Material von dpa, Spiegel und Guardian