US-Präsident Donald Trump baut den Nationalen Sicherheitsrat um: Statt der Expertise von Geheimdienst und Generalstab vertraut er lieber seinem ultrarechten Chefstrategen Stephen Bannon. Kritiker sehen dies als Anzeichen, dass Trump auch das politische System der USA verändern will.
Obamacare stoppen, mit dem Mauerbau beginnen, die Einreise von Muslimen verweigern: Donald Trump macht mit seinen lauten Wahlkampfversprechen ernst. Seit seinem Amtsantritt vor elf Tagen hat er mehrere Dekrete erlassen, mit denen er Beifall von seinen Anhängern und Entsetzen bei seinen Gegnern und im Ausland erntet. Während das Einreiseverbot von Muslimen aus sieben Staaten konkrete Auswirkungen für Geschäftsleute, Reisende und Airline-Crews hat, ist eine andere Reform von Donald Trump noch wenig greifbar - könnte aber bald gravierende Folgen haben. Es geht um die Zusammensetzung des Nationalen Sicherheitsrats, an der Trump am Wochenende massive Änderungen vorgenommen hat.
Der Nationale Sicherheitsrat - gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg
Der Nationale Sicherheitsrat ist ein Erbe des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges, gegründet von Harry S. Truman. Truman wurde 1945 unverhofft Präsident - weil Franklin D. Roosevelt starb. Von heute aus betrachtet wirkt Truman wie ein Anti-Trump: ein bescheidener Mann aus einfachen Verhältnissen, der ein Leben lang mit derselben Frau verheiratet war und uneitel agierte. Truman hat nie studiert, kannte noch mehr als seine Stärken seine Zweifel und Schwächen. Gerade auch deshalb gründete er den Nationalen Sicherheitsrat. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste der amerikanische Präsident jederzeit damit rechnen, über die Frage von Leben und Tod - nämlich das Zünden der Atombombe - zu entscheiden. Allein traute sich Truman das nicht zu, weswegen er die besten Leute des Landes in einem Beratergremium vereint wissen wollte - und den Nationalen Sicherheitsrat gründete.
Bis heute gibt es diesen illustren Zirkel, der sowohl die Leitlinien der amerikanischen Außenpolitik festzurrt als auch ad hoc zusammenkommt, wenn die nationale Sicherheit in Gefahr ist. Zum Beispiel nach dem 11. September 2001. Oder wenn wichtige militärische Operationen anstehen wie das Töten des Al-Kaida-Führers Osama bin Laden. Das Foto aus dem "Situation Room" mit der damaligen Außenministerin Hillary Clinton, die furchtvoll die Hand vor den Mund schlägt, ging um die Welt
Trump stärkt sein direktes Umfeld
Mittlerweile ist dieses Bild ebenso Geschichte wie die Zusammensetzung des Nationalen Sicherheitsrats: Donald Trump hat eine Verfügung erlassen, mit der Geheimdienst und Generalstab geschwächt werden, sein direktes politisches Umfeld jedoch gestärkt wird. Trumps Chefstratege Stephen Bannon wird künftig Zugang zu allen Sitzungen des Gremiums bekommen - ebenso wie der Stabschef im Weißen Haus, Reince Priebus. Die Leitung wird der frühere Generalleutnant Michael Flynn innehaben. Im Gegenzug werden der Generalstabschef Joseph Dunford und der nationale Geheimdienstdirektor Dan Coats degradiert. Sie sind keine ständigen Mitglieder mehr, sondern sollen nur bei Bedarf zu den Sitzungen hinzugezogen werden. Laut dem Historiker Georg Schild ist das in der Geschichte der USA ein beispielloser Vorgang. "Trump verzichtet auf die Männer mit der größten Expertise", sagt Schild, Professor für nordamerikanische Geschichte an der Universität Tübingen. "Das ist eine wirklich radikale Änderung. Trump macht aus einem Expertengremium ein politisches Gremium."
Klassisches "policy planning", also das operative Politik-Geschäft, sei bislang bewusst aus dem Nationalen Sicherheitsrat herausgehalten worden. "Wie der Name schon sagt, stand in diesem Gremium die nationale Sicherheit im Vordergrund. Von daher war das vor allem etwas für Sicherheitsexperten und Geheimdienstler, nicht für Politstrategen", urteilt Schild. Dem früheren US-Präsidenten George W. Bush wäre "niemals in den Sinn gekommen", engste Berater wie Karl Rove in den Nationalen Sicherheitsrat zu stecken. Schild ist "mehr als verwundert", dass Trump nicht auf die Expertise der Geheimdienste bestehe. "Auf den Vizepräsident könnte man in dem Gremium viel eher verzichten."
Umstrukturierung stößt auf Kritik
So verwundert auch nicht, dass Trumps Umstrukturierung auf Kritik stößt. Die ehemalige Nationale Sicherheitsberaterin unter Barack Obama, Susan Rice, bezeichnete die Entscheidung als "vollkommen verrückt" - und fügte mit ironischem Unterton an: "Wer braucht schon den Rat von Militär- und Geheimdiensten, wenn es um die Politik zum IS, Syrien, Afghanistan oder Nordkorea geht?" Auch von republikanischer Seite hagelte es Kritik. John McCain, der einflussreiche Senator aus Arizona und Obama-Konkurrent von 2008, sagte im amerikanischen Fernsehen, er mache sich "große Sorgen" über den "radikalen Schritt". Er könne nicht verstehen, warum der Geheimdienstdirektor degradiert werde. "Der wichtigste Entscheidungsträger im Sicherheitsrat, Joseph Dunford, wird aus heiklen Sitzungen ausgeschlossen", kritisierte McCain.
Personalie Bannon lässt viele erschaudern
Trumps neue Arbeitsteilung lässt viele erschaudern, weil sie den umstrittenen Chefstrategen, den ultrarechten Stephen Bannon, mit einem ständigen Sitz im Nationalen Sicherheitsrat entscheidend stärkt. Der 63-Jährige verfügt über keinerlei außen- oder sicherheitspolitische Erfahrung und ist bislang eher durch polemische Sprüche und Medienschelte aufgefallen. Sein früherer Arbeitgeber, das konservative Nachrichtenportal "Breitbart News", sorgte aufgrund von Nachrichten mit antisemitischer Grundierung für Kontroversen. Der Historiker Georg Schild kann nur spekulieren, was Trump dazu verleitet haben könnte. "Vermutlich hat es mit dem Kampf gegen den Islamischen Staat zu tun. Das Militär dürfte Trump gewarnt haben: Das ist nicht so leicht zu machen. Doch Trump will hier schnelle Erfolge und dürfte, da die Fachleute ihm im Weg stehen, seine eigenen Leute vorziehen."
Laut Schild ist Trump nach wie vor schwer einzuschätzen. Der neue Präsident stehe unter enormem Druck, nach seinen vollmundigen Versprechen nun auch zu liefern. Denn in zwei Jahren schon stehen in den USA wieder Wahlen an, in denen die Demokraten womöglich die Mehrheit in einem oder gar beiden Kongresshäusern zurückerobern könnten. "Trump will jetzt Fakten schaffen", sagt Schild. "Er meint, er muss wichtige Projekte jetzt sofort durchsetzen, da er fürchtet: Wenn er zwölf Monate wartet, ist der Impetus verflogen."
"Trump ist unberechenbar"
Was Trumps Radikalumbau des Sicherheitsrats für die Strategie gegen den Islamischen Staat bedeutet, wird sich wohl schon in 30 Tagen zeigen. So lange hat Trump seinem Team Zeit gegeben, eine neue Strategie für einen Sieg über die Terrormiliz auszuarbeiten. So mancher in Washington spekuliert, dass Trump zu Militärschlägen ausholen wird - womöglich in den sieben Ländern, gegen deren Bürger er Einreiseverbote verhängt hat. Den IS zu bekämpfen heißt jedoch auch, sich mit dem russischen Präsidenten zu einigen. Hier verhält sich jedoch die neue Spitze in den USA widersprüchlich: Während Trump und der designierte Außenminister Rex Tillerson Putin hofieren, ist Verteidigungsminister James Mattis alles andere als ein Putin-Versteher. Wer sich in der Administration durchsetzen wird, ist unklar. Für weitere Fragen sorgt die Tatsache, dass künftig die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, im Nationalen Sicherheitsrat sitzen wird. Denn eigentlich widerspricht das Prinzip der United Nations Trumps "America First"-Strategie.
"Wir müssen abwarten", sagt daher der Historiker Georg Schild. Und fügt hinzu: "Ich möchte gerade nicht außenpolitischer Berater der Kanzlerin sein. Denn Trump ist unberechenbar und alles, was wir sagen können, wäre nur Spekulation."
(Quelle: ZDF)