Sigmar Gabriel hat das Amt aufgegeben, das er am meisten liebte: den Parteivorsitz. Der Mann verstand die SPD wie kein anderer. Doch er konnte seine Partei nicht aus dem Umfrage-Tief befreien. Seine Entscheidung: persönlich bitter, politisch verantwortungsvoll.
Sigmar Gabriel hat das Amt aufgegeben, das er am meisten liebte: den Parteivorsitz. Der Mann verstand die SPD wie kein anderer. Er konnte sie bewegen – sogar zurück in die Große Koalition. Er drückte, im Grunde als Juniorpartner Merkels, diesem Bündnis einen sozialdemokratischen Stempel auf. Und konnte seine Partei dennoch nicht aus dem Umfrage-Tief befreien. Das ist nicht ohne persönliche Tragik.
Sturzgeburt für Martin Schulz
"Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit“ – vielleicht hat Gabriel bei seinem Entschluss an dieses Zitat von Friedrich Engels gedacht. Es war ja so: Die Wähler hatten sich ihr Bild von Gabriel längst gemacht. Das hat er schließlich eingesehen. Seine Entscheidung: persönlich bitter, politisch verantwortungsvoll. Aber Gabriel blieb bis zuletzt er selbst: sprunghaft, unberechenbar. Den mit eisernem Willen durchgesetzten Fahrplan zur Kandidatenkür hat der Vorsitzende eigenmächtig umgeschrieben, Wahlkämpfer wie Hannelore Kraft düpiert. Die SPD wirkte heute einmal mehr überrumpelt. So blieb auch Martin Schulz die Sturzgeburt als SPD-Kanzlerkandidat nicht erspart.
Ein volksnaher Anti-Populist
Nach dem Überraschungsschlag Gabriels muss Schulz jetzt die SPD erobern. Keine leichte Aufgabe für den leidenschaftlichen Europäer, dem die Hausmacht, die länder- oder bundespolitische Verankerung fehlt. Ein volksnaher Anti-Populist. Die Umfragen signalisieren: Der sprachmächtige Redner oder Talkshow-Gast ist die richtige Aufstellung gegen Merkel. Ohne Bindung ans Kabinett kann der Klartext-Mann aus Würselen die Kanzlerin direkt angreifen.
Schlummer-Wahlkampf ist mit Schulz nicht drin. Klare Kante, Abgrenzung, Streit. Impulsiver Rheinländer mit Brüsseler Horizont gegen die kühle Physikerin der Macht. Merkel gegen Schulz. Das könnte der Demokratie gut tun.