Nachdem zwischen 2015 und 2016 die Zahl der Asylbewerber*innen besonders stark anstieg, gab es im letzten Jahr einen erneuten Höhepunkt: Die Zahl der Erstanträge auf Asyl war 2023 um 51 Prozent höher als im Vorjahr. Zusätzlich sind seit 2022 über eine Million Ukrainer*innen nach Deutschland geflüchtet. Die Stimmen, dass bei der Aufnahme von Geflüchteten Deutschlands Belastungsgrenze erreicht sei, sind in der politischen Mitte angekommen. 64 Prozent der Deutschen wollen, dass weniger Geflüchtete aufgenommen werden. Droht ein Kontrollverlust, wenn wir immer mehr Menschen aufnehmen? Oder sollten alle bleiben, die vor Krieg, Verfolgung oder aus wirtschaftlichen Gründen fliehen mussten?
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Gekommen, um zu bleiben
Farhad ist Jeside und 2014 aus dem Nordirak geflohen. Im Alter von 11 Jahren wurde seine Familie von der Terrormiliz "Islamischer Staat" angegriffen. Farhads Vater wurde getötet und zwei seiner Schwestern verschleppt. Tagelang flüchtete er mit seiner Mutter und zwei Geschwistern durch die Wüste und kam schließlich über ein Sonderkontingent nach Deutschland: "Am Anfang war das hier für mich eine neue Welt". Doch der heute 21-Jährige integrierte sich schnell, lernte Deutsch innerhalb eines Jahres und wurde Klassenbester. Heute studiert er Maschinenbau.
Farhad ist überzeugt, Migrant*innen seien eine große Chance für die deutsche Gesellschaft: "Die allermeisten leisten hier etwas und sind sehr motiviert, die Möglichkeiten zu nutzen, die sie in ihrem Land nie bekommen hätten." Als Menschenrechtsaktivist will er auf die Situation Geflüchteter aufmerksam machen und wünscht sich, dass Migrationskritiker*innen sich mehr in die Lage dieser Menschen hineinversetzen: "Niemand verlässt sein Heimatland freiwillig und kommt aus Spaß nach Deutschland." Für Farhad steht fest: "Alle Menschen, die nach Deutschland fliehen, sollten bleiben dürfen."
Über Probleme sprechen
Zeinabs Familie ist in den 1990er aus dem Libanon geflohen, sie selbst in Deutschland geboren. Ihren größten persönlichen Erfolg sieht die 23-jährige Data Science-Studentin im Austritt aus dem Islam, "vor allem wegen des problematischen Frauenbilds." Zeinab ist zudem FDP-Mitglied und bei den Jungen Liberalen aktiv: "Wenn wir nicht über die Probleme durch Migration sprechen, machen es die Rechtspopulisten."
Einige Geflüchtete verstünden deutsche Werte nicht und seien nicht bereit, sich zu integrieren. In ihrer libanesischen Community kenne sie Menschen, die nach zwei Jahrzehnten weder besonders gut Deutsch sprächen noch arbeiten gingen. "Ich finde es in Ordnung, Menschen abzuschieben, die hier keinen Schutzgrund haben und sich nicht einbringen wollen." Sie schlägt eine Erweiterung sicherer Herkunftsländer vor, Asylzentren außerhalb der EU-Außengrenzen und konsequentere Rückführungen. Denn Zeinab ist überzeugt: "Wir müssen illegale Migration begrenzen."
Bei "Sag's mir" treffen zwei Menschen aufeinander, die Migration ganz unterschiedlich beurteilen. Schaffen es zwei Fremde, sich trotz ihrer konträren Überzeugungen mit Verständnis zu begegnen?
"Sag's mir" mit den Gästen Farhad Alsilo, Geflüchteter, und Zeinab Herz, Migrationskritikerin.