Das Wetter ist rau, die Landschaft schroff, und manche Dörfer wirken wie verlassen. Die Menschen leben mit dem Wasser, früher von Fischfang und Seefahrt, immer schon mit dem ständigen Regen, heute mit Kreuzfahrtgästen und Instagram-Touristen.
„Der Tourismus zerstört das, was er sucht, indem er es findet“, schrieb der jüngst verstorbene Hans Magnus Enzensberger schon in den 1950er Jahren. Damals galt das für den Titisee, heute zeigt es sich in Venedig und Paris, in den Alpen, an der See und selbst in den entlegenen Regionen Nordeuropas.
Dörte Hansen und die Sehnsucht nach Natur
Dörte Hansen, Schriftstellerin und Mainzer Stadtschreiberin 2022, hat in erfolgreichen Romanen, „Altes Land“, „Mittagsstunde“ und zuletzt „Zur See“, das Leben und die Mentalität der Menschen Norddeutschlands geschildert. Gemeinsam mit dem Kameramann und Dokumentarfilmer Sven Jaax zieht es sie aber immer wieder noch viel weiter in den hohen Norden, und besonders auf die Färöer. Beide lieben diese schroffen Inseln, das raue Wetter, die Einsamkeit und die Natur – und sie sind mit dieser Liebe nicht allein.
Achtzehn kleine Inseln im Nordatlantik, die bis heute manchmal nur per Hubschrauber erreichbar sind - die Färöer sind eine Traumlandschaft für Großstadtmüde und Gestresste, sie lösen Sehnsucht aus. Die Welt scheint dort noch heiler und der Mensch noch eins mit der Natur zu sein.
Sinnsuche auf den Färöern
Also pilgern immer mehr Naturfreunde, Sinnsucher und Instagram-Touristen auf die verregneten und kalten Inseln, wandern durch die stillen Dörfer, steigen über Zäune, lassen ihre Drohnen über Bauernhäusern fliegen, steigen aus den Reisebussen, um in der Küche einer färöischen Familie Stockfisch oder fermentiertes Schaffleisch zu probieren. Und manche treibt die Sehnsucht nach dem Echten und Ursprünglichen so weit, dass sie in eines dieser halb verlassenen Dörfer ziehen, das Schafescheren lernen und fortan von färöischen Wollprodukten leben wollen.
Wo vor zwanzig Jahren nur zwei Hubschrauber im Einsatz waren, arbeitet heute ein ganzes Luftfahrtunternehmen und verbindet nicht nur die Inseln untereinander, sondern den gesamten Archipel auch mit dem Rest der Welt. „Abgelegen“ bedeutet für die Menschen auf den Färöern schon lange nicht mehr „abgeschieden“. Sie leben nicht in der Vergangenheit, aber sie halten an den Traditionen fest. Jagen Seevögel und Grindwale, schlachten ihre Schafe selbst und stricken die Pullover nach den alten Mustern. Feiern jedes Jahr drei Tage lang ihr Seemannsfest in Klaksvík. Studieren im Ausland und kehren dann doch wieder auf die Färöer zurück, um ihre Kinder auf den Inseln großwerden zu lassen.
Was ist so faszinierend an den Färöern?
Wochenlang haben Dörte Hansen und Sven Jaax die Inseln durchstreift, mit vielen Menschen gesprochen - und sich beständig selbst befragt: Was ist so faszinierend an den Färöern? Was suchen wir, die Fremden, dort? Und was macht unsere Sehnsucht nach den Inseln mit den Menschen, die dort leben?