"Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid spricht mit der islamischen Theologin Hamideh Mohagheghi über das Verbot, Gott bildlich darzustellen. Woher kommt diese Regel - und inwiefern haben sich Muslime bis heute daran gehalten?
Im Januar 2008 sorgten Pressemeldungen in Großbritannien für Aufsehen. Nicht weniger als 90.000 in England lebende Muslime forderten in einer Onlinepetition die Entfernung einer Mohammed-Darstellung aus dem entsprechenden Artikel der Internetenzyklopädie Wikipedia. "Im Islam", so steht im Antrag zu lesen, "sind Bilder des Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) und anderer Menschen nicht erlaubt".
Das Ungewöhnliche an diesem Vorgang: Stein des Anstoßes war in diesem Fall nicht etwa die despektierliche Zeichnung eines modernen Karikaturisten, sondern eine spätmittelalterliche islamische Buchminiatur aus dem heutigen Afghanistan. Mit dem Hinweis auf die Herkunft der Darstellung begründeten die Betreiber der Website ihre Entscheidung, die Abbildung an ihrem Platz zu lassen. Das viel zitierte Bilderverbot des Islam - das zeigt auch dieser Fall - war und ist unter Muslimen bei Weitem nicht so eindeutig, wie es scheint. Der Koran schweigt sich zu diesem Thema aus.
Bibel: "Du sollst Dir kein Bildnis machen"
Die ältesten bekannten Einwände gegen bildliche Darstellungen gehen auf einige bestimmte Hadithe zurück. In dieser Sammlung von Texten aus dem siebten und achten Jahrhundert über das Leben des Propheten finden sich Äußerungen gegen die Darstellung Gottes und die Abbildung von Menschen und Tieren. Dahinter steht nichts anderes als die Tradition der jüdischen Bibel. "Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, das oben im Himmel, noch von dem, das unten auf Erden, oder von dem, das im Wasser unter der Erde ist!" So lautet das zweite der Zehn Gebote, die Moses von Gott auf dem Berg Sinai empfing.
Im Kontext der Bibel wird klar, worum es beim Bilderverbot im Kern geht: Es ist in erster Linie gegen die Anbetung von Kultbildern gerichtet. Es wäre dem erhabenen Wesen des einzigen Gottes nicht angemessen, wenn man ihn wie einen der vielen Götter der polytheistischen Religionen darstellen würde. Daher soll er gestaltlos bleiben. Die Ausdehnung des Bilderverbots auf die Abbildung von Mensch und Tier hat einen anderen - wenn man so will psychologischen - Hintergrund. Der Künstler ahmt bei seiner Arbeit in gewisser Weise Gott nach, der ja Adam wie ein Bildhauer erschaffen hat. Daher die Empfindlichkeit der monotheistischen Religionen gegenüber den Bildern.
Muslimische Bilderverehrer
Allerdings war sie nicht zu allen Zeiten immer gleich ausgeprägt. Juden, Christen und Muslime kennen aus ihrer Geschichte sowohl Bilderverehrer als auch Bilderstürmer. Am berühmtesten sind bis heute die Auseinandersetzungen über die religiösen Darstellungen aus Byzanz. Im Jahr 730 verhängte Kaiser Leo III. ein generelles Bilderverbot. Sein Sohn, Konstantin V., ging sogar dazu über, die Bilderverehrer staatlich zu verfolgen und brachte damit das Reich an den Rand eines Bürgerkriegs. Nach einem wechselvollen, über hundertjährigen Kampf, in dem beide Parteien kurzzeitig die Oberhand gewannen und dann der anderen wieder unterlagen, setzten sich die Befürworter der Bilder endgültig durch.
Auch im Islam finden sich Vertreter beider Seiten. Im heutigen Jordanien, mitten in der Wüste, hat das - für damalige Verhältnisse - luxuriöse Refugium eines Ummayadenherrschers die Zeiten überdauert. Das Schlösschen Qasr Amra aus dem frühen achten Jahrhundert ist über und über mit Wandgemälden im byzantinischen Stil geschmückt - ein farben- und sinnenfrohes Potpourri von Themen, an denen sein Erbauer offenbar Gefallen fand: die Jagd, der Alltag der Menschen, Berufe und - durch und durch anstößig aus der Sicht heutiger strenggläubiger Muslime - zwei splitternackte Mädchen. Die Mächtigen der ersten islamischen Dynastie im Nahen Osten hatten offenbar auch kein Problem damit, ihr Konterfei auf Münzen prägen zu lassen.
Interpretationssache Bilderverbot
Betrachtet man dagegen den Felsendom von Jerusalem, der ebenfalls in der Epoche der Ummayaden entstand, dann fällt auf, dass der prächtige Gebäudeschmuck rein ornamental ist. Offenbar machte man zu allen Zeiten einen Unterschied zwischen religiöser und profaner Kunst. Insbesondere der schiitische Islam ist im Umgang mit Bildern weniger empfindlich als die sunnitische Mehrheit der Muslime. Aus dem alten Persien, aber auch aus dem Einflussgebiet der Mongolen, sind viele Buchillustrationen erhalten, die sogar Mohammed oder andere Propheten zeigen. Das Bilderverbot war und ist also eine Frage der Interpretation.