Im arabisch sprechenden Teil der Welt ist er ein Star. Aber auch in Deutschland hat er in Ludwigshafen eine Halle gefüllt - von der Mehrheitsgesellschaft fast unbemerkt. Sami Yusuf, der mit einer Deutschen verheiratet ist, ist ein Phänomen des islamischen Pop: In seinenTexten geht es auch um die Religion, er ist praktizierender Muslim. "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid hat Sami Yusuf, den unbekannten Superstar, getroffen.
Als die Taliban 1996 in Afghanistan an die Macht kamen, ließen sie Musik und künstlerische Darbietungen verbieten. Dabei folgten sie einer sehr strengen Auslegung der muslimischen Quellen, des Koran und der Sunna. Doch der Koran ist nicht musikfeindlich, und auch von dem Propheten Muhammad wird gesagt, dass er ein Ohr für den schönen Klang der Musik gehabt haben soll.
Musik im Islam: Ein Widerspruch zur Sittsamkeit?
Die islamischen Gelehrten sind unterschiedlicher Meinung: Einige halten Musik für verboten, andere dagegen für erlaubt, solange sie nicht islamischen Werten und Normen widerspricht. Seit den Anfängen des Islam im siebten Jahrhundert streiten sich Rechtsgelehrte und Theologen, ob und wie sich Musik und Religion vereinbaren lassen.
Kritiker behaupten, Musik stehe im Widerspruch zu islamischen Prinzipien von Bescheidenheit und Sittsamkeit. Sie verlocke zu Trinkgelagen, verbotenen sexuellen Beziehungen und Prostitution. Außerdem halte sie die Gläubigen von ihren religiösen Pflichten ab. Auch ist umstritten, ob laut vorgetragene Koranrezitationen erlaubt seien. Ihre Schönheit könnte den Zuhörer davon abhalten, über den Inhalt der Worte Allahs nachzudenken.
Liberale Islamwissenschaftler verweisen dagegen auf mündliche Überlieferungen: Muhammad habe sich von Reisestrapazen beim Hören von Musik erholt. Orthodoxe Glaubensforscher indes berufen sich auf Aussagen, in denen sich der Prophet abwertend über Musik geäußert haben soll.
Reiche Kultur muslimischer Musik
Dennoch hat sich in der islamischen Welt ein reiches Musikleben entwickelt. Die Formen sind vielfältig und reichen hin von religiöser Musik über Volksmusik bis hin zu reiner Unterhaltungsmusik. Musik ist in der islamischen Welt ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens: Ob im Teehaus, im Taxi oder zuhause, die Menschen lieben Musik. Daran vermögen auch strenge Auslegungen nichts zu ändern.
Doch die Kontroversen um die Frage der Vereinbarkeit von Islam und Musik halten bis heute an. Besonders deutlich wird dies im Iran, Sudan, in Saudi-Arabien und Algerien. Im Iran durften nach der Revolution fünfzehn Jahre lang nur Kriegshymnen, traditionelle Lieder und seichte Instrumentalmusik gespielt werden. Heute hat sich die Situation gebessert, auch wenn Radio und Fernsehen gelegentlich vor der Verwässerung revolutionärer und islamischer Prinzipien warnen.
Einfluss auf Europa
Musik erfreute sich schon zur Frühzeit des Islam großer Beliebtheit. Formen von Kunstmusik entwickelten sich vor allem an den Fürstenhöfen und bei der gebildeten Oberschicht. Aus der Zeit der Omajjaden sind prominente Hofsänger, Komponisten und Instrumentenspieler bekannt. Großes Ansehen als anerkannte Kunst genoss die Musik während der Zeit der Abbasiden im Bagdad des 8. und 9. Jahrhunderts, insbesondere unter dem Kalifen Harun al-Rashid.
Die arabische Musik beeinflusste auch Europa. Die kunstvoll entwickelte Reim- und Gesangskunst wirkte entscheidend auf die Liebeslyrik der mittelalterlichen Minnesänger und Troubadoure. Die islamischen Musikformen fanden in erster Linie über das maurische Spanien Eingang nach Europa. Viele heute noch benutzte Musikinstrumente sind orientalischen Ursprungs, wie Gitarre, Horn, Laute, Querflöte, Trompete, Schalmei und Zimbel.
Musik der Mystiker
Eine besonders große Rolle spielt die Musik im mystischen Islam. Bei den Sufi-Orden ist sie ein normaler Bestandteil der Andachtsübungen, sowohl Vokalmusik - durch die Wiederholung von Worten und Phrasen und in Form von Litaneien - als auch Instrumentalmusik. Zu den wichtigsten Instrumenten gehört dabei die Flöte Nay. Ihr dunkler Klang versinnbildlicht die Sehnsucht des Sufi nach der Vereinigung mit Gott. Spätestens seit dem 10. Jahrhundert nutzen die Sufi-Bruderschaften die ekstatische Wirkung der Musik. Der sama' ("Hören") - gemeint ist Musikhören und Tanzen - ist die populärste Äußerung mystischen Lebens im Islam und war stets umstritten. Mystiker setzen den sama' bei ihren Meditationen ein.
Anfang des 20. Jahrhunderts begann der Siegeszug der klassischen arabischen Musik, die säkular geprägt war und eine Zahl von Superstars hervorbrachte, deren Popularität bis heute in der arabischen Welt ungebrochen ist. Namen wie Abdul-Halim Hafez, Farid Al-Atrash, Abdul-Wahhab, Fairuz oder Umm Kulthum - die Maria Callas des Orients - sowie deren Lieder gehören zum allgemeinen Bildungsgut, und viele moderne Pop-Sänger in der arabischen Welt betrachten sie als ihre Vorbilder.
Islamische Popmusik
In den letzten Jahren hat sich in der islamischen Welt, aber auch unter den Muslimen in Europa und in den USA, eine neue musikalische Richtung entwickelt: Junge Musiker bedienen sich der Melodien und Rhythmen der modernen Pop-Musik und füllen sie mit religiösen Inhalten. Prominente Vertreter dieses Trends sind Sami Yusuf in England oder die Band "Outlandish" in Dänemark. Mit ihren glaubensbezogenen Texten und den eingängigen Melodien, in denen sie die Liebe zum Propheten und die Hingabe an ein frommes Leben besingen, haben sie sich viele Fans gerade unter jungen Muslimen geschaffen, da es ihnen gelingt, den jahrhundertealten Konflikt zwischen Religion und Musik aufzulösen: Die Generation junger Muslime kann gleichzeitig Popmusik konsumieren und sich trotzdem an den Regeln des Islam orientieren.