Wohlfahrt statt Terrorprävention, Arbeitssitzungen statt Schaulaufen: Bundesinnenminister de Maizière und muslimische Verbände wollen einen Neuanfang der Islamkonferenz. Dafür vereinbarten sie neue Themen und ein anderes Format der Gespräche."Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid war dabei, als Minister und Verbände die kommende Islamkonferenz geplant haben.
So gut war die Atmosphäre zwischen Staat und muslimischen Glaubensvertretern selten zuvor. Am Montag stellten Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Vertreter muslimischer Verbände in Berlin den Fahrplan für die Deutsche Islamkonferenz in dieser Wahlperiode vor. Die Punkte wurden zuvor in nie dagewesener Offenheit verhandelt, bekunden die Verbände. Über das Ergebnis herrscht Einvernehmen, beteuern beide Seiten. Damit ist de Maizière zumindest der Anfang des von ihm angekündigten Neustarts der Islamkonferenz geglückt. In der Vergangenheit waren die Beratungen über eine Zusammenarbeit zwischen Staat und Muslimen häufig vom Streit über Teilnehmer und Themen überschattet worden.
Weg von den Sicherheitsthemen
Für den Neubeginn haben sich beide Seiten neue Themen vorgenommen. Erstes großes Thema soll die Wohlfahrtspflege für Menschen muslimischen Glaubens sein, kündigte de Maizière an. Angesichts der zunehmenden Zahl älterer und pflegebedürftiger Zuwanderer mit muslimischem Glauben herrscht hier nach Ansicht der Verbände der dringendste Handlungsbedarf.
Offen ließ der Minister, ob am Ende der Beratungen ein religiöser Wohlfahrtsverband nach dem Vorbild von Diakonie und Caritas stehen könne. Das sei ein "anspruchsvolles Vorhaben", sagte de Maizière. Über das "Ob und Wie" gebe es noch viel Klärungsbedarf. Zweites Thema nach der Wohlfahrt soll die Seelsorge in staatlichen Institutionen wie Gefängnissen, Polizei und Bundeswehr sein. Auch das Bestattungswesen nannte de Maizière als mögliches künftiges Thema.
Verbandvertreter begrüßen neue Themen
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte, mit der neuen Themensetzung werde der Islam in Deutschland endlich nicht mehr mit "Zuwanderung, Bringsschuld oder Sprachtest" gleichgesetzt. Der Generalsekretär der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), Bekir Alboga, erklärte, die neue Islamkonferenz biete die Chance, an einem partnerschaftlichen Verhältnis mit dem Staat weiter zu arbeiten.
Neu ist künftig auch das Format, in dem Verbände und Staat verhandeln werden. Beide Seiten wollen auf große öffentliche Veranstaltungen verzichten. Stattdessen soll es laut de Maizière einen Lenkungsausschuss mit Vertretern aus Bund, Kommunen und Verbänden geben. Dieser wiederum soll einen Arbeitsausschuss einsetzen, in dem auch Fachpersonen über das jeweilige Thema mitberaten sollen.
Kritik an der Runde und an den Themen
Das Lob am geplanten Neustart ist allerdings nicht einstimmig: Die Rolle der Frau und die Extremismusprävention sollten nach Ansicht des innenpolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), auch weiter Thema der Islamkonferenz bleiben. Die inhaltliche Neuausrichtung dürfe sich "nicht nur nach Wünschen der Verbände" gestalten, sagte Mayer am Dienstag in Berlin. Nach Mayers Ansicht bedarf aber "das gesamte Spektrum religions- und gesellschaftspolitischer Fragen" auch künftig des vertieften Dialogs.
Zu einer erfolgreichen Integration gehöre es, auch schwierige Themen anzugehen. "Wer Probleme wie den Islamismus ausblendet, erschwert auch die erfolgreiche Integration der überwältigenden Mehrheit der friedlichen und integrationsbereiten Muslime", so der CSU-Politiker.
Es fällt auf, dass die geplante Islamkonferenz ausschließlich aus männlichen Vertretern der tendenziell eher konservativen Islamverbände besteht. Bei früheren Konferenzen waren auch liberale und säkulare Muslime und Musliminnen vertreten. Solche "Einzelpersonen" werden zwar auch weiterhin in Ausschüssen gehört, entscheiden werden aber die Vertreter der Verbände allein.