"Forum am Freitag"-Moderatorin Nazan Gökdemir spricht mit Bali Saygili darüber, wie es sich als schwuler Migrant lebt. Sind Migranten homophober sind als Nicht-Migranten - und leiden sie so gewissermaßen unter einem doppelten Stigma?
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat im Mai 2013 herausgefunden, dass die Gleichstellung der Homosexuellen bei der Ehe abweichend zur katholischen Lehrmeinung von 70 Prozent der Katholiken befürwortet wird. Von den Muslimen in Deutschland treten 48 Prozent dafür ein, dass Schwule und Lesben eine Ehe eingehen können. 78 Prozent den Protestanten befürworten die Homo-Ehe. Ähnlich wie konservative Christen, aber auch die katholische Lehrmeinung, lehnt der Islam die gleichgeschlechtliche Liebe ab. Im Koran, dem heiligen Buch der Muslime, finden sich Hinweise auf ein Verbot der Homosexualität, und auch dem Propheten Muhammad werden zahlreiche Aussprüche zugeschrieben, in denen er homosexuelle Praktiken zutiefst missbilligte.
Homosexualität ist muslimische Realität
Dennoch ist Homosexualität auch unter Muslimen eine Realität. In der Frühzeit des Islams waren homosexuelle Praktiken auf der arabischen Halbinsel weitestgehend unbekannt. Erst als der Islam sich ausbreitete und in Kontakt mit der römischen und hellenistischen Kultur kam, in denen homosexuelle Praktiken durchaus verbreitet waren, änderte sich dies. So war im Mittelalter die Knabenliebe eine durchaus gängige Form der Lustbefriedigung, und in der islamischen Liebesdichtung fanden sich oft homoerotische Motive.
Geht es jedoch nach den islamischen Rechtsgelehrten, so wird Homosexualität mit harten Strafen geahndet. Heute werden die rechtlichen Vorschriften in den verschieden islamischen Staaten unterschiedlich ausgelegt: In säkularen Staaten wie der Türkei ist Homosexualität kein Strafdelikt. In streng islamischen Ländern wie Saudi-Arabien, Iran oder Afghanistan dagegen werden homosexuelle Praktiken sogar mit dem Tode bestraft.