Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) hat eine Handreichung zum Thema Sterbehilfe und Sterbebegleitung vorgelegt. In der Stellungnahme lehnt der Dachverband eine "direkte aktive Sterbehilfe für den unheilbaren Schwerstkranken" ab. Dies gelte sowohl für die "selbst bestimmenden Sterbenden" als auch für Tötungen auf Verlangen von Ärzten oder Angehörigen. Gleichermaßen verneint der ZMD ein Recht auf Selbsttötung und die ärztliche Beihilfe zum Suizid. "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid spricht mit Muhammad Zouhair Safar Al-Halabi, dem Autor der Handreichung.
Die Position der neuen Handreichung vertreten "alle Gelehrten und anerkannten Gutachten der islamischen Fatwa-Gremien der verschiedenen muslimischen Rechtsschulen (Sunniten und Schiiten)", sagt der Zentralrat. Ausdrücklich betont er die "Übereinstimmung mit vielen Punkten mit den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung der Bundesärztekammer sowie mit dem Standpunkt der katholischen und evangelischen Kirchen und der jüdischen Gemeinde" zu diesem Thema.
Leben ernsthaft schützen
Quelle: DPA
"Obwohl jeder Muslim daran fest glaubt, dass jeder sterben muss und der Sterbeprozess Bestandteil des Lebens ist, muss er sein Leben ernsthaft schützen. Er muss auch seine Gesundheit pflegen und bewahren, und wenn er krank wird, muss er die mögliche und die erforderliche Behandlung suchen, soweit ihm eine mögliche kurative Therapie zur Verfügung steht", heißt es weiter in der Erklärung. Bei schwerem Schicksal und bitterem Leiden wie einer schweren unheilbaren Krankheit solle er "standhaft und geduldig bleiben und sein Vertrauen und seine Dankbarkeit Gott gegenüber beibehalten".
Er dürfe aber eine mögliche Behandlung, die nicht zur Heilung führe, unterlassen und Maßnahmen zur Linderung seiner Beschwerden und Symptome - die sogenannte "Palliative Medizin und Palliative Care" - in Anspruch nehmen. Der ZMD sehe darin eine "gute und menschliche Alternative zur direkten aktiven Sterbehilfe; eine Alternative, die in vielen Hinsichten mit Sinn und Geist von Leben und Tod im Islam vereinbart werden kann".
Wann ist ein Mensch tot?
Autor der Handreichung ist Muhammad Zouhair Safar Al-Halabi, ein Facharzt für Innere Medizin, Strahlentherapie und Palliative Medizin, der dem Ausschuss für Umwelt und Tierschutz des ZMD angehört. Der Tod eines Patienten ist nach Überzeugung des ZMD nach Feststellung des Hirn- oder Stammhirntodes eingetreten. Die medizinischen Hilfsgeräte wie ein Beatmungsgerät oder externer Schrittmacher dürften dann eingestellt werden; es handele sich dabei nicht um beabsichtigte, direkte und aktive Sterbehilfe.
Ausdrücklich setzt sich der ZMD für eine "Sterbebegleitung und die damit zusammenhängenden Rituale" - vor allem in der Familie - ein. Zudem habe jeder Mensch "Anspruch auf gute Seelsorge und gute Betreuung". Es gelte als selbstverständliche Pflicht und als gutes Werk, einen Sterbenden in den letzten Tagen und Stunden nicht alleinzulassen. Der ZMD bekräftigt auch das Recht jedes Menschen, die Gestaltung seines letzten Lebensabschnitts zu bestimmen (etwa in Form einer Patientenverfügung mit Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung), dies "aber immer im Rahmen der gültigen Gesetze und nach seiner religiösen Überzeugung".