Viele Muslime halten sich an die islamischen Speisevorschrifen: Sie würden in der Kantine nie das Schweineschnitzel nehmen. Aber bei einem Glas Wein nehmen sie die Regeln nicht mehr so genau. Gleichzeitig gibt es einen Markt für Halal-Produkte für Muslime, die die Speiseregeln sehr genau nehmen. "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid begibt sich auf die Spur der Halal-Industrie und fragt, wie streng die Speiseregeln ausgelegt werden müssen. Und ist der Handel mit Halal-Produkten wirklich ein Wachstumsmarkt und damit ein Geschäftsfeld auch für große Supermarktkonzerne?
Kein Schwein, kein Blut, kein Alkohol - die muslimischen Essens-Regeln scheinen ganz einfach und sind doch kompliziert, wenn streng gläubige Muslime es sehr genau nehmen. Bei der Schlachtung muss der Metzger Allah anrufen, anschließend mit einem einzigen Schnitt alle Halsgefäße durchtrennen und das Tier ausbluten lassen. Nur dann ist das Fleisch nach den Vorschriften des Korans "halal" (oder türkisch "helal"), also rein, andernfalls gilt es als "haram", verboten. Aber woher soll ein Muslim, der es mit den Speisegeboten genau nimmt, an der Fleischtheke wissen, wie das Steak in der Auslage produziert wurde?
Begehrte Zertifikate
Wenn er in Hamburg wohnt, kann er beispielsweise in einem Halal-Supermarkt direkt neben der Centrum-Moschee kaufen. Der Markt bezieht sein Fleisch ausschließlich aus einer kleinen Schlachterei bei Rendsburg. "Und dort schaut der örtliche Imam regelmäßig nach dem Rechten", erzählt der Geschäftsführer Ahmet Yazici, "also kann ich garantieren, dass mein Fleisch halal ist." Es gibt im Halal-Markt auch eine große Auswahl an Wurst, Käse, Säften und Gewürzen. Auch die könnten theoretisch "haram" sein, wenn in ihnen nur kleinste Mengen tierischer Bestandteile enthalten sind. Das gilt selbst für Gummibärchen: in denen findet sich Gelatine, die könnte vom Schwein stammen.
Ahmet Yazici kann aber unmöglich zu jedem seiner Lieferanten einen Imam schicken. Also verlässt er sich auf die Halal-Siegel, die Lebensmittel-Hersteller auf die Verpackungen drucken, wenn sie auf muslimischen Märkten erfolgreich sein wollen. Allerdings: Halal-Siegel gibt es viele, die meisten stammen aus der Türkei und der arabischen Welt, oftmals haben die Hersteller sie sich selbst verliehen. Ob ihre Produkte jemals kontrolliert werden, lässt sich kaum nachvollziehen.
Der Imam als Lebensmittelkontrolleur
Der Islamrat, einer der islamischen Dachverbände in Deutschland, hat deshalb schon 2001 beschlossen, ein Europäisches Halal Zertifizierungsinstitut (EHZ) zu gründen. "Wo halal draufsteht, sollte auch halal drin sein", fordert dessen Geschäftsführer Yusuf Calkara. Er bietet Herstellern deshalb ein Halal-Zertifikat an, das nach einem mehrstufigen Prüfverfahren für ein Jahr verliehen wird und anschließend nach erneuter Prüfung verlängert werden kann. Jeden Antragsteller nimmt Calkara zunächst bei einer Betriebsbesichtigung unter die Lupe. Anschließend werden Proben aus der Produktion von einem unabhängigen Lebensmittellabor analysiert. Die Ergebnisse diskutiert dann ein Gelehrtenrat, in dem Theologen, die an renommierten türkischen und arabischen Universitäten ausgebildet wurden, die Mehrheit bilden. Erst wenn sie zustimmen, wird das Zerifikat verliehen.
Einfach sind ihre Debatten nicht, denn was "halal" ganz genau bedeutet, ist Auslegungssache. Umstritten war zum Beispiel lange Zeit, ob ein Tier ohne Betäubung geschlachtet werden muss, was in Deutschland nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Konservative Muslime verlangen das, denn bei einem betäubten Tier könne man nicht sicher sein, ob es noch lebt, und der Koran schreibe vor, dass das Schlachtvieh bei lebendigem Leibe ausblutet. "Dort steht aber auch, dass das Tier nicht unnötig leiden soll", sagt Yusuf Calkara.
Bei seinen Betriebsbesichtigungen nimmt er daher ein EKG-Gerät mit. Wenn das Herz nach der Betäubung noch schlägt, ist die Methode nach den Regeln des Korans zulässig, und das Unternehmen kann ein Halal-Zerifikat des EHZ bekommen.
Halal - ein Wachstumsmarkt
"Wir wollen, dass die Vorschriften des Islam eingehalten werden", sagt Yusuf Calkara, "aber wir wollen den Unternehmen auch zeigen, wie sie das ohne großen Aufwand und natürlich im Rahmen der Gesetze erreichen können". War das Interesse der Industrie zunächst gering, bekommt das EHZ jetzt immer mehr Anträge auf Halal-Zertifikate, auch aus Nachbarländern wie Polen und den Niederlanden. "Die Nachfrage nach Halal-Lebensmitteln steigt", ist Yusuf Calkara überzeugt, "das ist ein Wachstumsmarkt."