Bundespräsident Joachim Gauck hat das Zentrum für Islamische Theologie in Münster, Prof. Mouhanad Khorchide und dessen Studenten besucht. "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid war dabei.
Bundespräsident Joachim Gauck hat die Verankerung der islamischen Theologie an deutschen Hochschulen begrüßt. Die sei "ein wichtiges Kapitel deutscher Gegenwartsgeschichte", sagte er am Donnerstag bei einem Besuch der Universität Münster und des dortigen Zentrums für Islamische Theologie (ZIT). "Wir geben der Religion Raum, so wie es echte Religionsfreiheit erfordert." Die Gesellschaft gewinne dadurch mehr Selbstverständlichkeit im Umgang mit muslimischer Glaubenspraxis.
Pragmatischer Akt der Zukunftsgestaltung
Das Staatsoberhaupt verwies darauf, dass in der Bundesrepublik vier Millionen Muslime leben, davon die Hälfte als deutsche Staatsbürger. Die Mehrheit der Bevölkerung wisse, dass das Zusammenleben nur im gegenseitigen Respekt gedeihe. Es sei aber auch ein "ganz pragmatischer Akt von Zukunftsgestaltung", wenn Hochschulen islamische Theologen ausbildeten, die in Schulen, Universitäten und Moscheen für Glaubensfragen Orientierung geben. Er bekundete seine Freude darüber, dass der Islam in Münster sowie in Osnabrück, Erlangen/Tübingen und Frankfurt am Main eine akademische Disziplin geworden sei.
Das Staatsoberhaupt räumte ein, dass es um das Fach islamische Theologie Konflikte und offene Fragen gebe. So fehlten Lehrkräfte und Lehrmaterial. Zudem existierten organisationsrechtliche Probleme. Das junge Fach befinde sich noch in einer "Experimentierphase". Die Auseinandersetzungen darüber seien aber in einer freiheitlichen Gesellschaft erwünscht und in Ruhe zu lösen.
Konflikte um Khorchide
Rund um das ZIT besteht derzeit ein Konflikt zwischen dessen Leiter, dem Theologen Mouhanad Khorchide, und dem Koordinationsrat der Muslime (KRM). Die Dachorganisation von vier islamischen Verbänden wirft Khorchide vor, nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion zu argumentieren, sondern wie ein Orientalist. Zudem hat sich der aus acht Mitgliedern bestehende Beirat, der über die Professoren und Lehrinhalte bestimmen soll, noch nicht konstituiert. Zwei nacheinander vom KRM vorgeschlagene Kandidaten stießen wegen des Vorwurfs mangelnder Verfassungstreue auf Ablehnung.
Laut Gauck kennt der Islam nicht "die eine religiöse Autorität"; verschiedene Sichtweisen existierten nebeneinander. Es sei gut, wenn die islamische Theologie an den Universitäten die pluralistische Tradition des Islam in wissenschaftlicher Freiheit ohne politischen oder fundamentalistischen Druck weiter entwickeln könne.
Khorchide sprach bei einer Podiumsdiskussion, die neben Gauck auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verfolgte, von Pionierarbeit seines Zentrums. Er rief dazu auf, dass die Auseinandersetzungen um das ZIT nicht auf dem Rücken der Studenten ausgetragen werden. Ihnen müsse die Möglichkeit gegeben werden, ihren Glauben rational zu erschließen. Am ZIT, das vor einem Jahr startete, studieren derzeit rund 400 Studenten.