Katajun Amirpur ist die erste Frau, die eine Professur für islamische Theologie an einer Deutschen Universität inne hatte. Abdul-Ahmad Rashid spricht mit ihr über ihr aktuelles Buch "Den Islam neu denken".
Die Hamburger islamische Theologin Katajun Amirpur fordert einen offeneren Dialog zwischen den Religionen. Eine moderne Theologie sollte sich um eine Verständnisebene bemühen, die alle mit einschließt, sagte Amirpur auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg. Dazu gehörten neben der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor allem das Gespräch zwischen Gesellschaftsgruppen und Religionsgemeinschaften, so die Professorin für islamische Studien an der Hamburger Akademie der Weltreligionen.
Gespräche zwischen den Religionen sind nötig
Gerade in Deutschland seien interreligiöse Gespräche notwendig, sagte sie unter Verweis auf eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung, nach der jeder zweite Deutsche den Islam für eine Bedrohung hält. Andererseits betrachteten 39 Prozent der Muslime in Deutschland ausschließlich die eigene Religion als wahr und heilsbringend. Diese weit verbreitete Annahme lasse sich jedoch mit der heiligen Schrift des Islam widerlegen, so Amirpur: "Pluralität ist gottgewollt und wird auch im Koran als gottgewollt definiert."
-
Das häufige Scheitern interreligiöser Gespräche begründete sie muslimischerseits auch damit, dass der Koran immer noch oft politisch motiviert gelesen werde. Eines der Kernanliegen des Koran, Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften, werde dabei oftmals übersehen. Dabei sei der Islam keine exklusive Religion, sondern universal. Daher sei für Muslime auch der interreligiöse Dialog so bedeutsam.
Was begreifen wir als Wahrheit?
Dieser Dialog solle mit dem Ziel geführt werden, "das eigene Begreifen der Wahrheit zu erweitern", so die Theologin. Dabei gehe es keineswegs um den Versuch der gegenseitigen Missionierung oder um bloße Gelehrten-Gespräche, sondern um neugierigen Austausch. Voraussetzung dafür sei jedoch, den Andersdenkenden als solchen zu akzeptieren.
Eine Vorbildfunktion erfüllt laut Amirpur das Konzept des interreligiösen "Religionsunterrichts für alle", wie er in Hamburg von der Evangelischen Kirche in Kooperation auch mit islamischen Verbänden angeboten wird. Dessen Konzept entspreche auch dem Koran und ihrem eigenen Gottesbild, erklärte Amirpur: Wer ebenso an die Vernunft des Menschen wie an die Größe Gottes glaube, könne nicht seine eigene Religion für die einzig wahre und alle anderen für falsch halten, so die Theologin: "Die einzige logische Erklärung ist, dass Gott die religiöse Vielfalt wollte."