Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem europaweit maßgeblichen Urteil das Verbot des Ganzkörperschleiers in Frankreich gebilligt. Die Richter wiesen die Beschwerde einer französischen Muslimin in allen Punkten zurück. Das Verbot sei keine Diskriminierung, es verstoße nicht gegen den Schutz des Privatlebens und auch nicht gegen die Meinungs- und Religionsfreiheit, hieß es zur Begründung. Was bedeutet das Straßburger Urteil für Deutschland? "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid trifft in Leipzig Katrin, die zum Islam konvertiert ist und einen Niqab trägt.
Mit dem Verschleierungs-Verbot habe Frankreich die Bedingungen des gesellschaftlichen Miteinanders festgelegt, was ein legitimes Ziel sei, so der EGMR. Zusätzlich bescheinigten die Richter den Nationalstaaten "in dieser Frage der Grundsätze des gesellschaftlichen Miteinanders einen breiten Ermessensspielraum".
Burka-Verbot jetzt auch in Deutschland?
Damit steht es Ländern in Europa frei, den Ganzkörperschleier zu verbieten. Klagen vor dem obersten Menschenrechts-Gericht müssen sie nicht befürchten. Schließlich sind die Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofes bindend für die Europaratsstaaten. Das französische Verbot, das Gesicht in der Öffentlichkeit zu verschleiern, gilt seit 2011, Verstöße werden mit einer Geldstrafe von 150 Euro bestraft. Für die Regierung in Paris verstößt der Vollschleier gegen die Gleichberechtigung. Gegen das Urteil ist keine Berufung möglich.
Die französische Klägerin sagt, der Schleier sei Ausdruck ihrer religiösen Überzeugung, und niemand, weder ihr Ehemann noch ihre Familie, übten irgendeinen Druck auf sie aus.
Das französische Innenministerium schätzt, dass etwa 2000 Frauen in Frankreich von dem Verbot betroffen sind. PLACEHOLDERIn dem Gesetz, das unter dem damaligen konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy beschlossen wurde, wird die islamische Vollverschleierung nicht explizit erwähnt. Es verbietet aber, auf der Straße und an anderen öffentlichen Orten Kleidung zu tragen, "die dazu bestimmt ist, das Gesicht zu verbergen" - also etwa eine Burka oder den arabischen Nikab, einen Schleier mit kleinem Sehschlitz. Die Kampagne für dieses Gesetz stand unter dem Motto "In der Republik bleibt das Gesicht unverhüllt". Ausnahmen wurden zugelassen - für Motorradfahrer mit Helmen, für Sportler und für Künstler, die sich maskieren.
Die Meinung anderer muss einem nicht gefallen
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland sieht das Urteil kritisch. Der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek sagte: "Ein solches Verbot kann auch eine Einschränkung der Religions- und Meinungsfreiheit bedeuten." Manchmal könne das Selbstbestimmungsrecht der Frau eine Richtung gehen, die einem persönlich nicht gefalle oder religiös umstritten sei, dennoch aber nicht einfach beschnitten werden dürfe.
Mazyek hob hervor, dass der Ganzkörperschleier, der auch das Gesicht verhüllt, aus islamisch-theologischer Sicht kein Muss sei. "Das Tragen einer Burka ist oft eine kulturell gewachsene Tradition." Zwar werde dies in der westlichen Gesellschaft als fremd empfunden, es sei aber nicht automatisch ein Zeichen der Unterdrückung der Frau. Persönlich lehne er die Burka oder den Nikab, der einen Augenschlitz freilässt, ab, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland.