1 (-) Der Soziologe Steffen Mau wächst in den Siebzigerjahren in der Rostocker Plattenbausiedlung Lütten Klein auf. Nach 1989 studiert Mau und macht Karriere an der Humboldt- Universität. Jetzt kehrt er in seine Heimat zurück, spricht mit Weggezogenen und Dagebliebenen und findet den Frust, der die Region zum Populismus führt. Eine kenntnisreiche Studie über den Riss, der sich durch Ostdeutschland zieht. 90 Punkte
2 (-) Fünfzig Jahre alt ist Adornos Wiener Vortrag über den Rechtsradikalismus, dessen Tonbandaufzeichnung der Suhrkamp Verlag nun als Transkript veröffentlicht. Adornos Analysen sind nach wie vor aktuell: Die kapitalistische Krisendynamik erzeuge eine massive Unruhe in der Gesellschaft und Angst vor Deklassierung und Status verlust. Wer Adorno liest, versteht auch den Erfolg der AfD. 73 Punkte
3 (-) Schlendern, schleichen, pilgern, schweifen und flanieren: Die amerikanische Essayistin Rebecca Solnit erkundet die Natur- und Kulturgeschichte des menschlichen Gehens – in großen Bögen und assoziativen Schleifen, als wäre es das Wandern selbst. Von den griechischen Philosophen bis Wittgenstein zeigt die Autorin, wie eng Gehen und Denken mit ein an der verknüpft sind. 55 Punkte
4 (-) Auch das Tier ist ein politisches Wesen. Dafür gibt die Philosophin Eva Meijer zahlreiche Beispiele: Bienen debattieren, bevor sie zustechen. Gänse lassen sich von Menschen nichts sagen. Kamele weigern sich, in den Krieg zu ziehen. Wenn Tiere einen Willen haben, findet Meijer, sollte man sie auch entsprechend behandeln. Die Philosophin erklärt, warum man den Tieren eine politische Stimme geben sollte. 53 Punkte
5 (2) Wie kann man eine Haltung gewinnen, um sich in der Welt zu engagieren? Corine Pelluchon findet eine Antwort darauf: Sie besinnt sich auf die Antike und begründet eine Ethik der Demut und der Verletzlichkeit. Die französische Philosophin erklärt die Beziehungen der Menschen zur Welt und erschafft einen Kosmos, in dem sich jeder eingebunden fühlt. So wird aus abstrakter Theorie gelebtes Wissen. 37 Punkte
6 (-) Identitätspolitik ist das Modewort in der Ära Trump. Doch was macht Identitäten aus, und warum sind sie politisch? Der britische Philosoph Kwame Anthony Appiah bringt Ordnung in die Dinge: Er zeigt, dass hinter den Kategorien von Zugehörigkeit und Abgrenzung häufig paradoxe Zuschreibungen stehen. Die Analysen sind nicht nur erhellend, sie bringen auch neue Impulse in die Diskussion. 34 Punkte
7 (-) Was hat die breite Zustimmung zu Pegida und AfD möglich gemacht? Das fragt die Autorin und ehemalige DDR-Leistungssportlerin Ines Geipel. Um Antworten zu finden, reist sie in die eigene Geschichte. Sie begleitet ihren schwer kranken Bruder auf dem letzten Abschnitt seines Lebens und prüft, was das Angst-und-Lügen-System DDR mit dem aktuellen Rechtsruck zu tun hat – und mit ihrer Familie. 31 Punkte
7 (-) Der britische Literaturwissenschaftler Robert Macfarlane nimmt uns mit unter die Erde. Er besucht Höhlenlandschaften in England, schwindende Gletscherwelten in Grönland und abgelegene Stollen für Atomabfälle. Sein Buch ist nicht nur eine kluge Erdbeschreibung, sondern auch das Zeugnis eines Staunenden. Wer es liest, verliert jegliches Verständnis für die Ausbeutung der Natur. 31 Punkte
9 (-) Wir glauben, der Siegeszug der digitalen Technik habe innerhalb weniger Jahre alles revolutioniert: unsere Beziehungen, unsere Arbeit, die Demokratie. Aber jetzt dreht der Soziologe Armin Nassehi den Spieß um und zeigt, dass es immer schon technische Revolutionen gab. Nicht die Digitalisierung formt die Gesellschaft, sondern umgekehrt: Die moderne Gesellschaft peitscht den digitalen Wandel voran. 27 Punkte
9 (1) Was macht Populisten so stark? Das Buch von Cornelia Koppetsch wendet sich gegen die gängigen Erzählungen. Sie macht plausibel, dass weder die Flüchtlingskrise, noch Dummheit oder Armut schuld am Aufstieg der Rechten sind, sondern vor allem das Abstiegsgefühl von Teilen der bildungsbürgerlichen Elite. Kaum jemand erklärt die Umbrüche unserer Zeit so glänzend wie die Darmstädter Soziologin. 27 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT), Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)
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