1 (-) Viele rufen heute den Untergang der deutschen Demokratie herbei. Aber ist es wirklich so ernst? Die Historikerin Hedwig Richter reist in die Vergangenheit, erzählt die Geschichte der deutschen Demokratie als eine Chronologie von Fehlern, Zufällen und Lernprozessen, in deren Zentrum der Zivilisationsbruch des Holocaust steht. Ein Buch, das trotz aller Fehler sehr viel Hoffnung erkennt. 84 Punkte
2 (1) "Lasst das Licht der öffentlichen Debatte dazu beitragen, ein rationales Urteil über den jüdischen Staat zu fällen", sagt der israelische Philosoph Omri Boehm. Er unterscheidet in seinem Buch zwischen Selbstbestimmung und Souveränität in Bezug auf Israel: Das israelische Volk habe ein Recht auf Selbstbestimmung, aber keines auf eine Souveränität, die Minderheiten oder andere Völker unterdrücke. Boehm benennt demokratische Defizite – und das ohne Polemik. 48 Punkte
3 (-) Dina Nayeri weiß, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein und sich ein neues Leben aufzubauen. In ihrem vielschichtigen Buch verwebt die iranisch-US-amerikanische Essayistin ihre persönliche Fluchtgeschichte mit der anderer Migranten und zeigt, was sich in der Weltpolitik ändern muss. Ein schillernder, trauriger Erfahrungsbericht. 46 Punkte
4 (4) Margnus Brechtkern ist Historiker und wirbt in diesem flammenden Appell für die Werte der Freiheit. In einer Tour durch die Geschichte zeigt er an zehn Beispielen, wie hart die Werte von Freiheit, Selbstbestimmung und Teilhabe erkämpft wurden, wie sehr sie das Leben der Menschen verbessert haben – und warum diese Errungenschaften heute auf dem Spiel stehen. Durch Nationalisten und Populisten von rechts wie links. 40 Punkte
4 (-) Wer ist deutsch, wer nicht? Gerade in Krisenzeiten spaltet diese Frage unsere Gesellschaft, sagt der Publizist und Lyriker Max Czollek. Sein Bestseller "Desintegriert euch!" lieferte ein Manifest für die plurale Gesellschaft und forderte mehr Vielfalt für Deutschland. Jetzt legt der Autor nach: In seinem neuesten Werk dekonstruiert der junge Philosoph Deutschlands Verständnis von Nation und Kultur, das noch immer völkisch geprägt sei. 40 Punkte
6 (-) Kurz vor seinem Tod erzählte Plenty Coups, der letzte große Häuptling der Crow, dem Philosophen Jonathan Lear vom Niedergang seines Volkes. Jonathan Lear hört zu und versteht dank der Geschichte, wie kurzlebig menschliche Kulturen sind – und dass sie jederzeit verschwinden können. Das Buch fragt: Wie können wir als Gesellschaft mit so einer Verwundbarkeit leben? 30 Punkte
7 (-) Die Ostdeutschen sehen sich im öffentlich Diskurs als Opfer und Vergessene, dabei wird über keinen Bevölkerungsteil so viel geschrieben, nachgedacht und diskutiert wie über die Ostdeutschen. Auch die Revolution von 1989 war kein Erfolg einer Elite, sondern ein Sieg des Volkes. Der Kultursoziologe Detlef Pollack schildert, wie in der Demokratie die kollektive Selbstermächtigung der Ostdeutschen zum Ressentiment verkommen ist. 27 Punkte
8 (6) Der Berliner Kinder- und Jugendpsychiater erzählt aus seiner Praxis. Patentrezepte gibt er keine, sondern ermutigt, Fragen an sich und andere zu stellen. Jakob Hein weiß, wie kompliziert es für viele Menschen ist, aus Sackgassen herauszufinden, egal ob im Beruf, in der Beziehung, in der Schule oder allgemein. Ein Ratgeber, der nicht nur lebensnah ist, sondern auch klug. 25 Punkte
8 (-) Die Angst vor den Bomben, eine Kindheit im Krieg – damit beginnen Helmut Lethens Erinnerungen, die mehr als sieben Jahrzehnte bundesdeutscher Geschichte umspannen. Helmut Lethen berichtet in seiner Autobiographie, was ihn geprägt hat: von politischen und denkerischen Experimenten, von Weggefährten und Ideengebern wie Adorno und Enzensberger. Ein Entwicklungsroman der Bundesrepublik – wie ihn nur noch wenige Intellektuelle zu erzählen vermögen. 25 Punkte
10 (-) Noch ein Buch über Hannah Arendt? Es gibt kaum ein Thema, das nicht schon mit Arendt verknüpft wurde: Konservativismus, Antisemitismus, Feminismus, Kolonialismus. Der amerikanische Philosoph J. Bernstein hält dagegen und beweist in seinem Buch, dass das Werk von Hannah Arendt lange noch nicht tot erzählt ist. 23 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
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