1 (-) Was heißt es, jüdisch zu sein? Und wer bestimmt darüber? Delphine Horvilleur ist französische Rabbinerinnen und eine prominente Stimme des liberalen Judentums. In ihrem Essay diskutiert sie moderne jüdische Identitätspolitik, beleuchtet die Verquickungen zwischen Judenhass und Frauenfeindlichkeit und spannt dabei den Bogen von historischen Texten bis zur politischen Gegenwart. Ein beeindruckend wie weitsichtiges Buch. 50 Punkte
2 (-) Es ist die intime Fantasie vieler Frauen, den Partner zu betrügen. Doch der Wunsch ist schamhaft beladen. Ob antike Tragödien, moderne Dramen oder heutige Netflix-Serien – untreue Frauen gelten als krank und gefährlich. Warum ist das so? Die Anthropologin Wednesday Martin erzählt die Geschichte der Untreue und räumt mit allen Klischees auf. Das Buch ist frech, aufregend und unerhört klug. 42 Punkte
3 (5) Wie kann man sprechen, ohne in Klischees zu verfallen? Welche Kategorien gibt es, um Menschen nicht in Schubladen zu stecken? Darüber schreibt die 1988 geborene Journalistin Kübra Gümüsay in ihrem Buch. Sie macht sich auf die Suche nach einer Sprache, die gemeinschaftliches Denken zulässt, ohne Differenzen zu kaschieren. Ein Pamphlet für eine Gesellschaft, die trotz wachsender Unterschiede miteinander reden kann. 41 Punkte
4 (-) Ernst Kantorowicz war als Historiker eine streitbare Figur. Vor dem ersten Weltkrieg positionierte er sich als konservativer Querdenker und Friedrich-Verehrer. Nach der Machtergreifung Hitlers musste er in die USA fliehen. Wie kam es, dass Kantarowicz erst rechts von Hindenburg stand und schließlich Kennedy links überholte? Das fragt Robert E. Lerner und zeigt die Widersprüche einer einzigartigen Person. 37 Punkte
5 (-) Die CSU sah sich in Bayern jahrzehntelang als konkurrenzlose Staatspartei. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die CSU-Herrlichkeit wankt, und es ist ungewiss, ob sie ihre Machtpositionen im Freistaat behaupten kann. Roman Deininger beobachtet die CSU seit vielen Jahren für die „Süddeutsche Zeitung“. Sein Parteienporträt ist kritisch, fair und nicht zuletzt ungemein unterhaltsam. 36 Punkte
6 (2) Die Ökonomen Esther Duflo und Abhijit Banerjee haben 2019 für ihre Studien zur Linderung der Armut den Wirtschaftsnobelpreis erhalten. Nun erscheint ihr neues Buch, das die größten Herausforderungen der Weltwirtschaft thematisiert: wachsende Ungleichheit, Globalisierung, Umweltkatastrophen, Populismus. Die beiden Ökonomen plädieren für eine Politik, die die Reichen besteuert und den Armen eine starke Stimme verleiht. 34 Punkte
6 (1) Dora Benjamin ist bekannt als die erste Ehefrau von Walter Benjamin, dabei war sie vor allem eine Intellektuelle: Sie schrieb über Musik und Philosoph und verfasste Romane. Eva Weissweiler hat nun erstmals die Beziehungsgeschichte zwischen Dora und Walter Benjamin untersucht. Ihre Biographie wirkt wie Serienstoff: Zuneigung, Affären, das erste Kind, schließlich die Scheidung und Walter Benjamins harsche Ablehnung, die den Intellektuellen als rigorosen Eigenbrötler zeigt. 34 Punkte
8 (-) Der Soziologe Aladin El-Mafaalani analysiert die Probleme des deutschen Bildungssystems. Dabei geht ihm um keine Revolution. Stattdessen macht er darauf aufmerksam, dass der Schrei nach Bildung nur dann fruchten kann, wenn die Gesellschaft ihre zentralen Probleme löst: soziale Ungleichheit, Populismus und fehlende Digitalisierung. Jede Bildungspolitik ist nur so gut, so die These, wie das System, in der sie stattfindet. 25 Punkte
8 (-) Als Zehnjähriger wurde Josef Haslinger Schüler des Sängerknabenkonvikts Stift Zwettl in Österreich. Er war religiös, sogar davon überzeugt, Priester werden zu wollen, er liebte die Kirche. Doch diese Liebe endete fatal. In seinem neuen Buch „Mein Fall“ erzählt der österreichische Schriftsteller die verstörende Geschichte seines Missbrauchs im katholischen Internat. 25 Punkte
8 (-) Asien funktioniert anders als der alte Westen, schreibt Parag Khanna: flexibler, pragmatischer, besser. Dass Asien das Modell von Morgen sei, steht für den Politikwissenschaftler außer Frage. Sogar das Kino und die Mode seien besser. Grund für Sorge gebe es trotzdem nicht, lautet Khannas Botschaft an unsere westliche Welt. Denn am Ende profitierten alle von den Entwicklungen auf dem Kontinent. 25 Punkte
8 (-) Das Attentat auf das World Trade Center in New York war das entscheidende Ereignis unseres Jahrhunderts. Erst jetzt kann man angemessen davon erzählen. Mitchell Zuckoffs tut dies, indem er jede Minute aus der Perspektive der Opfer rekonstruiert. Er folgt den Passagieren in den Flugzeugen, den Menschen und Rettungskräften in den Türmen und den Passanten auf der Straße. Eine Chronik voller Mut, Verlust und Selbstlosigkeit. 25 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT), Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)
Archiv: Alle Sachbuch-Bestenlisten