1 (2) Dem Journalisten Jens Bisky gelingt das Unmögliche: der meistbesprochenen Stadt in Deutschland neue Facetten abzuringen. Sein Berlin-Buch beginnt im 17. Jahrhundert, als die Stadt zu neuer Größe aufsteigt, sich mit Rom und Paris messen will. Bisky porträtiert eine Metropole der Widersprüche: Ort der Macht, der Teilung, der Repression und zugleich des Widerstands und des ewigen Experiments. 58 Punkte
2 (4) Drei Jahrzehnte lang schrieben sich der Staatsrechtler Carl Schmitt und der Historiker Reinhart Koselleck Briefe. So verschieden die beiden Intellektuellen auch waren: Sie verband eine tiefe philosophische Verbundenheit. Der Briefwechsel offenbart Schmitts randständige Stellung im akademischen Feld, Kosellecks Werdegang im Hochschulbetrieb, die werkimmanenten Unterschiede sowie historische Fragen und politische Entwicklungen ihrer Zeit. 52 Punkte
3 (-) Das Buch des Kunsthistorikers Armin Zweites durchmisst das Werk des bedeutendsten lebenden deutschen Künstlers Gerhard Richter. Über sein Leben erfährt man wenig, über das Werk wiederum alles. Zweite legt in einer erkenntnistheoretischen Tiefe und zeitgeschichtlichen Finesse offen, was Richters europäisch geprägtes Schaffen für die globale Kunst bedeutet. Ein Buch, das im wahrsten Sinne die Augen öffnet. 46 Punkte
4 (1) Ivan Krastev und Stephen Holmes analysieren die Krise der Demokratie in Osteuropa: Früher ging es um Kapitalismus gegen Kommunismus, heute stehen sich Liberale und deren enttäuschte Nachahmer gegenüber. Die Osteuropäer lehnen den Liberalismus ab und preisen sich als wahre Europäer, die der Seelenlosigkeit des Westens echte Bindung und familiäre Werte entgegensetzen. Eine verblüffende Analyse. 41 Punkte
5 (4) Die kanadische Journalistin und Aktivistin Naomi Klein fordert in ihrem neuen Buch stimmgewaltig eine politische Wende um 180 Grad. Nur ein „Green New Deal“, der Umwelt- und Sozialpolitik gleichzeitig anspricht, kann den Planeten noch retten. Klein ist radikal und macht daraus keinen Hehl: Eine CO2-Steuer ist ihr nicht genug. Sie plädiert für Konsumverzicht, härtere Lohnsteuern und eine radikale linke Sozialpolitik. 31 Punkte
5 (-) Die Kunstgeschichte sagt den Renaissance-Malern eine Obsession für das Göttliche nach. Der Kunsthistoriker Ulrich Pfisterer knüpft sich einen der größten Maler dieser Zunft vor, um das Klischee zu hinterfragen: das Multitalent Raffael. Pfisterer legt dar, dass sich Raffael nicht nur mit der christlichen Mythologie beschäftigte, sondern auch mit Architektur, Umwelt und ganz profan: dem Menschen an sich. 31 Punkte
7 (7) Nach der wegweisenden Studie „Gesellschaft der Singularitäten“ legt Andreas Reckwitz nach: In seiner neuen Essaysammlung beschäftigt sich der Soziologe mit dem Strukturwandel der Gesellschaft. Er seziert die neue Klassengesellschaft, die postindustrielle Ökonomie, die Konflikte um Kultur und Identität und den Imperativ der Selbstverwirklichung, woraus Erschöpfung und Demokratiemüdigkeit entspringen. 27 Punkte
8 (-) War in Schlafzimmern sozialistischer Länder tatsächlich mehr los als in kapitalistischen Betten? Für die US-Ethnologin Kristen Ghodsee ist die Sache klar: Frauen im Sozialismus hatten besseren Sex, weil sie ökonomisch unabhängig waren. Die Amerikanerin gewinnt dem sozialistischen Realismus seine Vorteile ab und regt den Leser dazu an, dem Kapitalismus eine Prise Erotik einzuhauchen. 25 Punkte
8 (-) Wer glaubt, das Wort "neoliberal" habe ausgedient, sollte dieses Buch lesen: Der kanadische Historiker Quinn Slobodian legt mit seiner Studie eine Geschichte des Neoliberalismus vor – von 1918 bis zur Gegenwart. Das Werk bietet präzise Analysen und zeigt, warum die neoliberale Weltanschauung keineswegs politische Freiheit impliziert. Gerade Staaten wie China beweisen: Neoliberalismus kann auch autoritär sein. 25 Punkte
9 (-) Der Psychologe Malcom Gladwell beschreibt in seinem Buch dramatische Fälle des Aneinandervorbeiredens und offenbart, warum unsere Zusammentreffen mit Fremden so oft scheitern. Für den Psychologen ist klar: Erst Vertrauen schafft gelungene Kommunikation. Seine Schrift ist ein Plädoyer dafür, im Alltag sowie auf politischem Parkett sich zu öffnen, zu hinterfragen und schließlich Vorurteile abzubauen. 22 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT), Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)
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