1 (8) Affe, Närrin, Clown, böser Geist, Hexe, Spionin, Kannibale. Die Namen, die die Ethnologin Heike Behrend von den "Subjekten" ihrer Forschung in Afrika bekommen hat, sind wenig schmeichelhaft. Jetzt betreibt Behrend in ihrer Autobiografie Feldforschung an sich selbst: Was lernen wir über uns, wenn die Konfrontation mit dem Fremden unser eigenes koloniales Selbstverständnis erschüttert? 62 Punkte
2 (-) "Als die Büffelherden verschwanden, fielen die Herzen meiner Leute zu Boden. Danach ist nichts mehr geschehen“, sagte einst Plenty Coup, Häuptling des Crow-Stammes. Auf den Niedergang der Indianerkultur Bezug nehmend, entwickelt Jonathan Lear eine Philosophie der Hoffnung: Ein Danach ist selbst dann denkbar, wenn die bekannte Welt zu Ende geht. 53 Punkte
3 (4) Der Liberalismus steht im Ruf, seiner Zeit hinterherzuhinken. In einer gewissen Regelmäßigkeit versuchen Autoren deshalb, den alten Herren wieder rüstig zu bekommen. Der Rechtsphilosoph Christoph Möllers wählt diesmal eine Analogie aus der Mechanik: Die Freiheitsgrade. Je mehr es von ihnen gibt, desto größer ist das Bewegungsspektrum eines Körpers. Nicht um das überstrapazierte Verhältnis von Individuum und Gesellschaft geht es Möllers also – sondern um Ergebnisoffenheit politischer Prozesse. 49 Punkte
4 (-) Der Germanist Helmut Lethen ist ein intellektueller Grenzgänger: Einst KPD-Mitglied mit Berufsverbot in Deutschland, später Experte für rechtskonservative Vordenker wie Carl Schmitt oder Ernst Jünger. In seiner Biografie erzählt Lethen vom Werdegang seines Denkens. Dessen Ursprung liegt im Schock über den Holocaust. 40 Punkte
4 (8) Aus Sicht der Philosophin Eva von Redecker verbindet die großen Protestbewegungen der Gegenwart allesamt das Ziel, Leben zu retten – gegen einen angeblich lebensfeindlichen Kapitalismus. Rassismus, Klimakatastrophe oder Geschlechterungleichheit ließen sich auf die alte Eigentumsfrage herunterbrechen. Von Redecker hofft darum auf eine Revolution. 40 Punkte
6 (3) Mehrere Jahre saß der Lyriker Tobias Roth an seinem Sammelband über die italienische Renaissance. Er hat 350 zeitgenössische Texte zusammengetragen, übersetzt und eingeordnet. Noch nie gab es einen so vollständigen Überblick über die Geburtsstunde des modernen Europas. Darunter manche Kuriosität – wie die "Geschlechtsteilforschung" des Dichters Antonio Vignali. 38 Punkte
7 (-) "Was bedeutet die Schönheit der Natur, wenn die Menschen niederträchtig sind?" Auf diesen Satz des Schriftstellers Henry David Thoreau stieß Jedediah Purdy nach der Wahl von Donald Trump 2016. In seinem Essay verknüpft der Rechtswissenschaftler den Umgang mit der Natur mit dem der Menschen untereinander – und zeigt Wege auf, wie Amerikas Polarisierung überwunden werden kann. 34 Punkte
8 (2) "Was ändert sich in Ethik und Politik, wenn wir in unserem Denken vom Körper statt vom Geist ausgehen?", fragt die Philosophin Corine Pelluchon. Der Körper braucht Nahrung, er friert – und er will berührt, will geliebt werden. John Locke und Thomas Hobbes haben in ihren Gesellschaftsverträgen über Freiheit und Gleichheit sinniert, die Frage, wovon wir überhaupt Leben, aber übersehen. Pelluchons Materialismus soll den Blick erweitern – hin zu einer Existenzialphilosophie, die auch Tierwohl und Umweltschutz mitdenkt. 33 Punkte
9 (-) "Capitalism, Alone" lautet Milanovićs Originaltitel. Der Kapitalismus scheint alternativlos, die Frage ist, welche Variante sich durchsetzt: Seine liberale Spielart, geprägt von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit? Oder doch der autoritäre Kapitalismus der Willkür? Der serbische Ökonom ist überzeugt: Wir selbst entscheiden darüber, wie es weitergeht. 31 Punkte
10 (-) Sein Bestseller "Eine kurze Geschichte der Menschheit" machte Yuval Noah Harari weltberühmt. Nun gibt es die Hochgeschwindigkeitsreise durch die Zeit auch als Graphic Novel. Im ersten der vier Teile nimmt der gezeichnete Harari seine Nichte Zoe genauso väterlich zur Hand, wie sonst seine Leser – und erklärt ihr den Aufstieg des schwächlichen Sapiens zum König der Tiere. 30 Punkte
10 (-) Wie gespalten die amerikanische Gesellschaft ist, hat sich zuletzt bei der Präsidentschaftswahl gezeigt. Wie konnte es soweit kommen? Der Journalist Ezra Klein begibt sich auf eine Spurensuche, in dem er Reportage und historischer Einordnung miteinander verwebt. Sein Fazit: Nicht die Polarisierung ist das Problem, sondern der Umgang mit ihr. 30 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
Archiv: Alle Sachbuch-Bestenlisten