ZDF: Herr Schrott, haben Sie sofort zugegriffen, als Martin Eigler, mit dem Sie bereits mehrere Folgen für "Solo für Schwarz" gedreht hatten, mit der Rolle des Jochen auf Sie zukam?
Harald Schrott: Offen gestanden hatte ich einige Anlaufschwierigkeiten, als ich das Buch zum ersten Mal las. Jochen mochte ich zunächst gar nicht. Er war mir unsympathisch, ich habe ihn aus einer moralischen Sicht heraus verurteilt, weil er seine Familie durch sein verantwortungsloses Verhalten ins Unglück geritten hat. Erst nach und nach habe ich mich der Figur angenähert, habe angefangen sie zu mögen, zu verstehen, habe ihre Dimension entdeckt. Jochen ist eine tragische Figur, er ist fremden Mächten ausgeliefert und hat somit beinahe schon Züge einer griechischen Tragödiengestalt. Er ist in eine Geschichte hineingeschlittert, deren Tragweite er nicht einschätzen konnte. Er wollte zwar aus einem diffusen Gefühl heraus "ausbrechen", weg von dem dominanten Vater seiner Frau, raus aus der familiären Verantwortung.
Als er aber das Ausmaß seines Handelns erkennt, versucht er verzweifelt, die Kontrolle zu behalten, die Zügel an sich zu reißen. Doch es gelingt ihm nicht. Jochen ist machtlos, er kann nichts gegen die Bedrohung von außen und die Bedrohung von innen, den Zerfall seiner Familie, tun. Als er im Haus am Meer langsam begreift, was er wirklich liebt - seine Familie - ist es zu spät.
ZDF: Ist "Allein gegen die Angst" aus Ihrer Sicht demnach ein Film über Familie?
Schrott: Ich denke, er bedient verschiedene Ebenen. Er ist ein Psychothriller und auch ein Krimi, weil er die Spannung und Konzentration durchgängig hält. Und er ist eine Geschichte über Familie, über Liebe, über Einsamkeit. Für mich ist "Allein gegen die Angst" ein sehr außergewöhnlicher Film. Auch den Schluss finde ich gut und dramaturgisch konsequent.
ZDF: Damit ist diese Figur wie geschaffen für Sie ...
Schrott: Durchaus! Mir liegen komplexe Charaktere, Typen, die eine gewisse Ambivalenz haben. Ich habe zwar schon einige normale, durchschnittliche Rollen gespielt, interessanterweise aber prägen sich beim Zuschauer eher die düsteren ein. Mein Konrad Fuchs aus "Solo für Schwarz" wiederum ist eine relativ abgesteckte Figur, ein Polizist, der klar denkt, der einfühlsam und intelligent ist, aber noch keine ausformulierte persönliche Geschichte hat. Das ist mit meiner Figur Jochen anders, seine Geschichte ist sehr persönlich und emotional. Ihn zu spielen, war eine großartige Aufgabe. Das lag natürlich auch an Martin Eigler. Ein Regisseur, der wahnsinnig genau hingucken kann, der mit Herz und Hirn dabei ist und dem ich blind vertraue.