"Es muss nicht immer Kaviar sein" war der erste Roman von Johannes Mario Simmel, und das war auch das erste Buch, das ich von ihm gelesen habe. Ich war begeistert von den "tolldreisten Abenteuern und auserlesenen Kochrezepten des Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven", wie das Buch im Untertitel heißt.
Ich war damals 16, hatte eine erste richtige, wunderschöne, hinreißende Freundin, und "Der Simmel" war nicht nur spannend zu lesen, sondern lieferte mir auch eine wundervolle, nützliche Anweisung, wie ich das Mädchen für mich gewinnen konnte: indem ich für sie kochte. Und das habe ich auch gemacht. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich überhaupt - und das nach einem Rezept von Johannes Mario Simmel - gekocht. 'Cordon Bleu', also ein mit Käse und Schinken gefülltes, paniertes Kalbsschnitzel, war das Menü für den Hauptgewinn. Seitdem war ich natürlich ein Fan von Simmel und ein begeisterter Hobbykoch.
Brisante, kontroverse Themen
Simmel hat danach noch viele internationale Bestseller geschrieben, die ich fast alle mit Vergnügen gelesen habe - und ich habe mich auch nicht davon abbringen lassen, obwohl er über viele Jahre vom Feuilleton und den Feuilletonisten mit Häme überzogen und mit Missachtung bestraft wurde. Simmel war zu erfolgreich, zu journalistisch, zu oberflächlich, zu wenig Literatur. Seine Erfolge erschrieb er sich mit brisanten, kontroversen Themen.
Er schrieb über Ausländerfeindlichkeit, er schrieb über den internationalen Drogenhandel, er schrieb über die Genmanipulation, was nach den anthropologischen, genetischen und eugenischen Forschungen der "Rassenhygieniker" im Dritten Reich, deren Ergebnisse den Massenmord der Euthanasie rechtfertigen sollten, besonders brisant war. Er recherchierte seine Themen äußerst akribisch, und es gelang ihm immer wieder, mit seinen spannenden Erzählungen seine Leser weltweit auch für spröde Themen zu interessieren und zu faszinieren.
Entsetzen über die erste Buchfassung
Als mich Oliver Berben und Carlo Rola fragten, ob ich ein Drehbuch nach Simmels Roman "Niemand ist eine Insel" schreiben wolle, habe ich deshalb auch spontan, ohne weiter darüber nachzudenken, zugesagt.
Als ich dann die erste Fassung des Buches geliefert habe, waren die beiden, obwohl sie freundlich und behutsam in ihrer Wortwahl waren, dennoch, das war nicht zu überhören, entsetzt. Wir hatten zuvor zusammen drei erfolgreiche "Rosa Roth"-Filme gemacht, wir kannten uns, die Zusammenarbeit war produktiv und problemlos gewesen. Jetzt aber sah ich in ihren Augen nur Ratlosigkeit, die wohl daraus resultierte, dass sie sich nicht erklären konnten, wie ein Autor, mit dem sie doch eine ganz gute Erfahrung gemacht hatten, jetzt einen solchen Blödsinn schreiben konnte. Was war passiert?
Roman als Drama neu erfunden
Im Nachherein ist das vollkommen klar. Ich hatte beim Schreiben der ersten Fassung einfach zu großen Respekt, zu viel Hochachtung vor dem Autor Simmel - und hatte eine Beißhemmung. Der Roman hat eine gewaltige Menge an Stoff, ist kompliziert und hochkomplex und so überhaupt nicht zu verfilmen. Ich aber hatte versucht, all die Windungen und Wendungen des Buches zwar dramatisch verkürzt, dennoch aber akribisch nachzuzeichnen. Und das konnte nur schief gehen.
Das war zwar bescheiden, aber im Ergebnis niederschmetternd. Es war nichts als eine langweilige, oberflächliche, konfuse, veräußerlichte, banale Nacherzählung. Also habe ich das erste Drehbuch nicht überarbeitet, sondern gleich weggeworfen und auch nicht mehr in den Roman, den ich inzwischen sehr gut kannte, hineingesehen. Ich hatte mir das Buch zueigen gemacht. Die Figuren und deren Konflikte suchte und fand ich dann in mir selber. Ich habe den Roman als Drama ganz und gar neu erfunden.
Glaubwürdig und nachvollziehbar
Es gibt im Roman kein Berlin, kein Rügen, keine Medea, es ist fast alles erfunden - und gerade deshalb ist dieser Film dennoch den Intentionen des Autors ganz nah. Es ist der Versuch, den Stoff aus heutiger, eigener Sicht neu zu erzählen, und nur so, denke ich, kann man so einem Roman beikommen. Und das gilt für fast alle "Bearbeitungen", für fast jeden Roman, aus dem man ein Drehbuch für einen Film "kondensieren" will. Man muss sich sehr weit vom Ursprung entfernen, um dem dann ganz nah kommen zu können. Man muss sich den Stoff zu eigen machen und in sich selber entdecken, nur dann kann es gelingen, den Geist und den Atem des Originals einzufangen, auch wenn man bis in die Details der Handlung hinein ganz weit weg ist.
Oft ist ein Drehbuchautor, wenn er den Film, der nach seinem Buch gedreht wurde, dann sieht, enttäuscht, weil er andere Bilder, eine andere "Temperatur" im Kopf hatte. Als ich den Film zum ersten Mal gesehen habe, war ich allerdings hoch beglückt. Es ist Iris Berben und den Kollegen gelungen, glaubwürdig und nachvollziehbar das sensible Porträt einer komplizierten Figur zu zeichnen, die trotz ihres immensen Erfolges vereinsamt und sich darüber vollkommen abhanden kommt.
Eine beklemmende Geschichte
Es ist eine hinreißende Studie, wie leicht man verloren gehen kann. Das ist präzise und atemberaubend von Carlo Rola erzählt - und ich wünsche mir, dass es unseren Zuschauern wie mir geht: dass sie sich verzaubern und überwältigen lassen von der Geschichte einer Schauspielerin, die mit ihrem Leben, so schön und reich das auch über viele Jahre war, am Ende nicht mehr fertig wird und sich aufgibt. Und diese aufregende, beklemmende Geschichte hat Johann Mario Simmel erfunden.