Mark Schlichter erzählt nach dem ZDF-Fernsehfilm "Tod einer Schülerin" die Geschichte eines Mannes, der nach unschuldig verbüßtem Gefängnisaufenthalt alles verliert, was ihm im Leben vorher wichtig war. Für diesen Polizeithriller hat Schlichter in Personalunion das Buch geschrieben und auch Regie geführt. Wie er auf das Thema gestoßen ist und sich dieser besonderen Herausforderung gestellt hat, beschreibt er im Folgenden.
ZDF: Im Mittelpunkt Ihres Films "Rottmann schlägt zurück" steht Klaus Rottmann (Heino Ferch). Er leitet ein Sondereinsatzkommando, das selbstständig gegen die organisierte Kriminalität kämpft. Rottmann gerät durch falsche Beweise selbst unter Korruptionsverdacht. Was hat Sie zu dieser Story angeregt?
Mark Schlichter: Nachdem ich zuletzt mit "Tod einer Schülerin" (ZDF 2010) ein sehr ruhiges, konzentriertes Kammerspiel mit Matthias Brandt und Corinna Harfouch gedreht hatte, wollte ich etwas grundsätzlich Anderes machen und hab mich gefragt, was ich gerne selbst mal im Fernsehen sehen würde. Genau in der Zeit geriet mir ein Zeitungsartikel über die Arbeit und die Probleme eines Sondereinsatzkommandos der Polizei in die Hände.
Damit war die Antwort für mich klar: Ich wollte einen Thriller machen, der anfangs in der uns allen relativ unbekannten und harten Macho-Welt einer solchen fast militärischen Polizeitruppe spielt und sehr stark mit äußeren Bewegungen und mit Actionmomenten arbeitet, bis er dann mehr und mehr von den inneren Bewegungen der Hauptfigur, dem Chef der Truppe, Klaus Rottmann, geführt wird, der von einem seiner korrupten Kollegen betrogen wird und so für Jahre unschuldig im Gefängnis landet.
Ich wünschte, dass ich mir als Zuschauer die Frage stelle, wie man sich wohl selbst verhalten würde, wenn man mit dieser Vorgeschichte nach Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird, dann sieht, dass man anscheinend die Liebe und das Vertrauen der eigenen Familie verloren hat und die ganze Existenz einfach komplett zerstört ist. Und man nur unter großen Gefahren herausbekommen kann, wer einem das angetan hat und warum das alles passiert ist.
ZDF: Und wie haben Sie sich über die Welt der Sondereinsatzkommandos und das Thema Korruption in SEKs informiert?
Schlichter: Ich habe über mehrere Prozesse gegen korrupte Polizeibeamte und über die sehr speziellen Bedingungen, die persönlichen und familiären Belastungen, denen die Männer einer SEK-Truppe oftmals ausgesetzt sind, recherchiert. So kam eine Geschichte zur anderen und setzte sich langsam zu einem Ganzen zusammen.
ZDF: Für wie realitätsnah halten sie die Story rund um Rottmann?
Schlichter: Wie sich kurz vor und während der Dreharbeiten durch Gespräche mit verschiedenen ehemaligen SEK-Beamten herausstellte, liegt die Geschichte noch näher an realen Ereignissen, als ich es selber am Anfang gedacht hatte. Es gab in verschiedenen Spezialeinheiten ähnliche Probleme, wie sie unsere Hauptfigur beziehungsweise die Truppe in unserem Film hat. Von Korruption und Geheimnisverrat bis zu Erpressungsversuchen und Anstiftung zum Mord ist alles vorgekommen.
ZDF: Was waren für Sie die besonderen Herausforderungen als Drehbuchautor und Regisseur von "Rottmann schlägt zurück"?
Schlichter: Eine Herausforderung war es, als Autor immer wieder zu bedenken, dass nur begrenzte finanzielle Mittel und eben auch nur eine sehr begrenzte Drehzeit zur Verfügung stehen, der Film aber trotzdem Action und einen gewissen Aufwand benötigt. Außerdem musste ich im Hinterkopf behalten, dass ich als Regisseur immer genügend Zeit für intensive Proben mit den Schauspielern brauche, die mich definitiv mehr interessieren als herumschleudernde Autos und Explosionen. Sprich: Sich als Autor zu beschränken, ohne erste Ideen gleich von vornherein selbst zu beschneiden, war für mich eine besondere Schwierigkeit.
ZDF: Wie ist es Ihnen gelungen, diese Schwierigkeit zu meistern?
Schlichter: Die Gespräche mit dem Produzenten und der Redaktion waren immer wieder sehr hilfreich und haben auch bis zum Ende gezeigt, an welchen Stellen es sinnvoll war, technischen Aufwand zu betreiben und an welchen Stellen es dann aber auch nötig war, gewisse Ideen zu vereinfachen oder auch mal komplett zu streichen.
ZDF: Haben Sie ein Beispiel?
Schlichter: Ein Autor kann in ein paar Sekunden den für eine Produktion fatalen Satz schreiben: "Die Bankfiliale am Ku-Damm wird von mehreren Polizeieinheiten abgeriegelt, während der Wagen des SEK-Einsatzleiters über den Bürgersteig vor den Eingang der Bank rast und direkt vor den verschreckten Bankkunden bremst."
Das kann ein sehr schönes Bild in einem Film mit einem höheren Budget sein. In unserem Fall stand die Bank schlussendlich in einer kleineren Straße und die mittlerweile nur noch 10 Polizisten wurden nach ein paar Überlegungen, wie alles machbar wäre, erst auf 5 Polizisten reduziert und am Ende einfach ganz gestrichen. Und das war auch konsequent und für die Geschichte total in Ordnung. Für den Produzenten war dieser Film mit fast täglichen Motivwechseln und tagelangen Autorasereien ohnehin schon eine wirklich harte Herausforderung. Für das Team und die Darsteller übrigens auch.
ZDF: Stichwort 'Doppelrolle Autor und Regisseur': Was macht es einem leichter und was macht es einem schwerer?
Schlichter: Leichter macht es einem auf der einen Seite, dass man den Stoff und die ganze Recherche ja ziemlich gut kennt. Manchmal fällt es einem während des Drehs dann aber auch unter Umständen schwerer, einfach kühl eine Szene zu streichen, die man in der Schreibstube sehr mochte.
ZDF: Wie kam die Besetzung zustande?
Schlichter: So, wie es im besten Falle immer sein sollte: Ich hatte freie Hand, wurde aber gleichzeitig mit guten Ideen unterstützt. Die Idee, dass Heino Ferch Klaus Rottmann spielen soll, hatte ich ganz am Anfang, als ich noch an meiner ersten, ganz kurzen Inhaltsangabe und der Hauptfigur herumdoktorte.
ZDF: Wieso gerade Heino Ferch?
Schlichter: Ich kannte und mochte viele von Heinos Film- und Fernseharbeiten und sah ihn beim Skizzieren der Hauptfigur einfach immer wieder vor meinem inneren Auge. Wahrscheinlich weil er einfach die Idealbesetzung für Rottmann war. Die Redaktion fand das auch sofort eine gute Idee, so dass ich Heino die Figur des Klaus Rottmann in gewisser Weise auf den Leib schreiben konnte.
ZDF: Und die Besetzung der anderen Rollen?
Schlichter: Die anderen Rollen wurden zu 90 Prozent mit Schauspielern besetzt, die ich schon länger kenne und schätze. Ein gewisses Familiengefühl erleichtert eine von vornherein absehbar schwierige und intensive Arbeit immer etwas.
ZDF: Woran erinnern Sie sich besonders, wenn Sie an die Dreharbeiten zurückdenken?
Schlichter: Unvergessen bleiben die Kommunikationsprobleme mit 10 Schauspielern, die in voller SEK-Montur mit Helm und Sturmhauben steckten und die man nur an ihren Augen erkennen konnte. Sie hörten einen alle nur sehr schwer, da die Helme Ohrschützer gegen Explosionsknall hatten. Es ist schon absurd, wenn man Schauspieler aus drei Metern Entfernung mit einem Megafon erklärt, dass es gleich losgehen soll. Diese Situation gab es aber glücklicherweise nur das eine Mal.