Silke Bodenbender und Heino Ferch spielen Esther und Tom Wesnik, die Eltern eines Jugendlichen, der ganz unvermittelt drei Menschen aus seinem Bekanntenkreis erschießt. Für die beiden Schauspieler war es eine spannende Herausforderung, den Konflikt der Figuren und die Gratwanderung zwischen Elternliebe und Mitleid mit den Opfern in allen Nuancen darzustellen.
ZDF: Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie das Angebot für "Vater Mutter Mörder" bekamen?
Heino Ferch: Hoffentlich passiert mir so etwas nicht! Als Vater kann man sich mit Tom Wesnik natürlich identifizieren.
Silke Bodenbender: Als Niki Stein mir von seinem neuen Buch erzählte, habe ich mich erinnert, dass ich mir schon öfters die Frage gestellt habe, was in den Eltern von Mördern wohl vor sich geht. Wie kann das sein, dass der Mensch, den man selbst in die Welt gesetzt hat, anderen das Leben nimmt? Bei einem jugendlichen Mörder ist diese Frage natürlich noch drängender.
ZDF: Wie würden Sie Ihre Rollen skizzieren?
Ferch: Tom ist ein Macher, ein Mann, der in die Welt hinaus muss, und neben der Nähe und Innigkeit der Familie auch das Weite sucht. Er ist jemand, der gerne im Ausland arbeitet und mit seinem Kopf vielleicht mehr in der weiten Welt ist, als bei seiner Familie zu Hause.
Bodenbender: Im Falle der Esther Wesnik ist ganz wesentlich, dass sie viel mehr über die Hintergründe der Tat weiß, als sie wahrhaben will, dass sie angesichts des unfassbaren Schreckens aber auch gar nicht glauben kann, was da geschehen ist.
ZDF: Was hat Sie an Ihren Rollen besonders gereizt? Gab es spezielle Herausforderungen?
Ferch: Was mich gereizt hat, ist der Konflikt von Tom Wesnik. Die Tat des Sohnes hat ihn schockiert, er ist aus allen Wolken gefallen - wie wahrscheinlich jeder aus allen Wolken fallen würde. Er versucht, das alles gar nicht an sich heran zu lassen und baut einen Verdrängungsmechanismus auf. Er möchte keinesfalls verantwortlich, mitschuldig sein. Er sieht durchaus sehr genau, dass es für das, was passiert ist, keine Erklärung gibt. Doch er will unbedingt eine Erklärung finden, und sei es eine pathologische, ein Krankheitsbild. Dieser Konflikt ist einfach hochinteressant.
Bodenbender: Letztlich muss durch die Rolle "Esther Wesnik" die ganz zentrale Frage beantwortet werden, ob man einen Mörder lieben kann oder nicht. Durch die Sicht der Mutter wird der Mörder zu einem Menschen, dessen Tat man nicht entschuldigen kann, der aber doch in seiner ganzen Zerbrechlichkeit erlebbar wird. Das ist natürlich eine Gratwanderung, weil ein solches Verbrechen nicht verharmlost werden darf und an erster Stelle die Opfer Mitleid verdienen.
ZDF: Die Mutter klammert sich verzweifelt an den Gedanken, dass ihr Sohn nur Mittäter gewesen ist. Warum tut sie das?
Bodenbender: Jede liebende Mutter würde doch so lange wie möglich ihr Kind gegen solche Anschuldigungen verteidigen, es für so unschuldig wie möglich halten. Sobald Esther den Gedanken zulässt, dass ihr Sohn der Schuldige ist, muss sie ja nicht nur das Unfassbare akzeptieren, sondern sich auch selbst in Frage stellen. Was hat sie falsch gemacht? Wie konnte es in ihrer Familie so weit kommen?
ZDF: Esther Wesnik geht nach der Tat des gemeinsamen Sohnes zu ihrem Mann Tom auf Distanz. Können Sie ihre Reaktion verstehen?
Bodenbender: Es ist zumindest nachvollziehbar, da schon die Vorgeschichte der Morde zeigt, dass die beiden unfähig sind, Probleme gemeinsam anzugehen. Natürlich sind Toms emotionale Kälte und seine häufige Abwesenheit die eindeutigeren Fehlleistungen, aber hätte nicht gerade Esther als therapeutisch arbeitende Frau hier mehr leisten können oder sogar müssen? Ist sie nicht gescheitert als Vermittlerin zwischen Vater und Sohn? Nicht zuletzt muss sie sich natürlich fragen, ob eine Ehe überhaupt noch lebbar ist, wenn sie einen Mörder hervorgebracht hat.
ZDF: Nach der schrecklichen Tat des Sohnes zieht sich der Vater innerlich zurück. Er verweigert jeglichen Kontakt zu Lukas. Warum tut er das?
Ferch: Tom spürt, dass er in den Jahren zuvor für seinen Sohn, für seine Kinder überhaupt, nicht genug anwesend war. Ich glaube, dass ein starkes Motiv für seinen Rückzug die Tatsache ist, dass er ein eher rational denkender Mann ist, der der Sache unbedingt auf den Grund gehen will und eine logische Erklärung braucht, die er aber nicht bekommt. Er zieht sich zurück, weil er einfach keinen emotionalen Zugang findet und völlig ratlos ist. In seinem Leben hatte er für alles eine Antwort, nun ist er mit einer Tat konfrontiert, die ihn zutiefst schockiert. Die Angst, er selbst könnte als Vater schuldig sein, treibt ihn in die Isolation.
ZDF: Hätte der Vater aus Ihrer Sicht die Tat seines Sohnes verhindern können? Gibt es eine Mitschuld?
Ferch: Diese Tat ist sehr überraschend gewesen. Als Elternteil hat man nicht immer hundertprozentige Kontrolle über alles, was die eigenen Kinder erleben, oder Einfluss auf das Umfeld, in dem sie jeden Tag verkehren. Eine Mitschuld ist da wirklich sehr relativ. Tom ist in seinem Beruf viel unterwegs gewesen. Das hat dazu beigetragen, dass die Kommunikation der Eheleute über die Jahre gewisse Unterbrechungen erfahren hat, die dann in so einer Situation, in der beide Eltern gefordert sind, erst recht spürbar werden. Als der Sohn in Therapie geht, hat auch seine Frau es nicht geschafft, an Tom heranzutreten. Da sind auf beiden Seiten einfach Fehler passiert.
ZDF: "Vater Mutter Mörder" nähert sich im Kern auch der Frage, was Familie eigentlich ausmacht. Was bedeutet Familie für Sie?
Ferch: Geborgenheit, hundertprozentiges Vertrauen, Fürsorge und Verantwortung.
Bodenbender: Familie ist im Idealfall das Fundament, auf dem alles andere im Leben steht, und das auch dann noch da ist, wenn alles andere in sich zusammenfällt. Das heißt aber nicht, dass man Familie nur in schlechten Zeiten braucht. Vielleicht ist das Fundament ja umso fester, je bessere Zeiten man zusammen verbringt.
ZDF: Das Drehbuch zu "Vater Mutter Mörder" hat Niki Stein geschrieben. Er hat auch die Regie geführt. Wie war es, mit ihm zusammen zu arbeiten?
Bodenbender: Um es ganz einfach zu sagen: Niki Stein vereint in sich hervorragende menschliche mit exzellenten fachlichen und künstlerischen Qualitäten. Das schafft die vertrauensvolle Atmosphäre, die notwendig ist, um sich ohne Angst an die schweren Themen heranzuwagen. Außerdem kann Niki auch mal abschalten. Wenn man die Mutter eines Mörders spielt, ist es sehr hilfreich, wenn man sich am drehfreien Tag auch mal gemeinsam auf dem Tennisplatz kaputtlacht.
Ferch: Niki ist ein sehr gebildeter und intensiver Mensch. Die Basis für sein Drehbuch waren reale Fälle, die er gründlich recherchierte. Natürlich ist dann die Zusammenarbeit mit jemandem, der das Buch selber geschrieben hat, sehr intensiv und sehr gut. Niki Stein hat es als seine Aufgabe gesehen, so eine Geschichte zu dramatisieren und ist somit sehr gut mit der Materie vertraut. Er hat aber auch mir genug Freiheiten gelassen, diese Figur zu gestalten und dieser Implosion Raum zu geben. Wir haben Hand in Hand gearbeitet und das hat großen Spaß gemacht.