Gabriele Lohnert ist Producerin des Krimis "Ein geheimnisvoller Sommer", in dem Stück für Stück ein grausames Ereignis aus längst vergangenen Tagen wird. Im Folgenden spricht sie über die Besonderheiten der Produktion und die Herausforderung, die der Dreh in den bayrischen Alpen dem Filmteam abverlangte. Das schwere Equippement musste in auf einen Bauernhof in 1100 Metern Höhe transportiert werden.
ZDF: Warum haben Sie sich bei der Hauptrolle für Suzanne von Borsody entschieden?
Gabriele Lohnert: Ihre zeitlose Attraktivität und ihre brillante Vielseitigkeit erscheinen uns besonders geeignet, diese moderne, selbstbestimmte Frau zu verkörpern, die sich als erfolgreiche Fotografin verwirklicht und ein eigenständiges, unkonventionelles Leben führt - ohne familiäre Zwänge. Und die alles fest im Griff zu haben scheint. Schon beim Entwickeln der Rolle hatten wir allen voran Frau von Borsody im Kopf.
ZDF: War sie auch leicht davon überzeugen?
Lohnert: Sie war von dem Buch begeistert, konnte sich sehr gut auf diese Figur einlassen, bei der sie zudem schauspielerisch auch einige Register ziehen kann.
ZDF: Welches Publikum wollen Sie bei diesem außergewöhnlichen Fernsehfilm erreichen?
Lohnert: Ein möglichst breites natürlich; wobei mir klar ist, dass "Ein geheimnisvoller Sommer" in erster Linie Frauen ansprechen wird, die sich mit unserer Hauptfigur Esther identifizieren können. Dazu gehören sicher auch solche, die insgeheim nur davon träumen, so unabhängig zu leben wie sie. Spätestens um das 50. Lebensjahr herum wird oft das bisherige Leben und das, was man sich aufgebaut hat, nochmals unter die Lupe genommen. Von Männern wie Frauen. Kritisch wie Esther ist, wäre sie jetzt auch zu Korrekturen bereit. Aber sie verliert ihr privates Glück und die berufliche Existenz, steht plötzlich vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Jede Frau wird mit ihr fühlen.
ZDF: Eine romantische Liebesgeschichte gibt es also nicht?
Lohnert: Nein, aber in dieser Situation taucht ein geheimnisvoller, attraktiver junger Mann auf, der sie mit seiner provokanten und freizügigen Art herausfordert. Er wird von Ludwig Blochberger mit starker Ausdruckskraft und Präsenz gespielt. Durch seine verstörende Faszination begibt sich Esther schließlich auf Spurensuche nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Dabei entstehen sogar kleine erotische Momenten zwischen den beiden.
ZDF: Sie haben Suzanne von Borsody auch eine Badeszene an einem kalten Bergsee zugemutet.
Lohnert: Respekt vor ihrem Mut in mehrfacher Hinsicht. (Sie lächelt). Der Spätsommer in den Bergen ließ sehr zu wünschen übrig. Wir hofften einige Tage auf Besserung, dann mussten aber die Aufnahmen in 990 Meter Höhe bei Regen und nur sechs Grad Lufttemperatur gedreht werden. Suzanne von Borsody war mit einer professionellen Selbstverständlichkeit auch hier bei der Sache. Zum Glück ist sie nicht krank geworden.
ZDF: Der Film entstand mitten in den Chiemgauer Bergen. Wie haben Sie diese traumhafte Naturkulisse gefunden?
Lohnert: In Hannah Hollingers Buch war von drei Ferienhäusern die Rede, die abgelegen in den Bergen und zueinander stehen. Zuerst dachten wir: So etwas zu finden, wird nicht so schwer sein. Aber unser Ausstatter Peter Bausch musste dann doch wochenlang suchen, ging viele Berge hinauf und wieder herunter, bis er auf 1100 Meter Höhe dieses Ensemble gefunden hat mit einem historischen Bauernhof als zentrales Motiv.Die Sache hatte allerdings einen Haken: Dieser Ort ist nur zu Fuß oder über einen privaten Waldweg zu erreichen. Er war nicht nur für die LKWs mit den Tonnen schweren Equipments eine wahnsinnige logistische Herausforderung. Jeder der zehn Drehtage an diesem Set begann mit dem Transport über 600 Höhenmeter für die Crew und die Schauspieler. Eine Fahrt mit vielen Schlaglöchern und tiefen, nicht gesicherten Abgründen, bei denen so manchem ganz anders in der Magengegend wurde.
ZDF: War dieser Aufwand und dieses Risiko wirklich notwendig?
Lohnert: Diese Geschichte verlangt eine ganz besondere Atmosphäre: Zunächst geht es darum, in der wunderschön abgelegen Bergwelt Ferien zu machen. Wie sich später herausstellen wird, birgt dies aber auch eine ganz dunkle Vergangenheit, die die Fotografin entdeckt und teilweise auch in ihren Bildern zurückholt. Ausgerechnet in der vermeintlichen Leichtigkeit, in der Hitze des Sommers, genau dann, wenn man entspannen und abschalten will, entladen sich eben oft auch Konflikte - das ist gar nicht so ungewöhnlich. Statistiken beweisen: Zu Streits und Trennungen kommt es am ehesten im Urlaub.
ZDF: Menschliche Tragödien und Abgründe aber in der paradiesischen Bergwelt - ist das nicht ein Widerspruch?
Lohnert: In diesem Film nicht - das macht ihn unter anderem so außergewöhnlich. Die Spannung entsteht aus einer sehr persönlichen Spurensuche, aus dem Interesse, gerade dort hinter die schöne Fassade zu schauen - mit und ohne die Kamera der Fotografin. Daraus entwickelt sich ein enormer Sog nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Dieses Stilmittel haben Regisseur Johannes Grieser und Kameramann Volker Tittel sehr gezielt mit eindrucksvollen Bildern umgesetzt.