Deutschlands Landwirtschaft ist auf Hochleistung konditioniert. Rund vier Millionen Tiere produzieren hierzulande mehr als 33 Millionen Tonnen Milch im Jahr. Die Bullen werden aussortiert, das Kalbfleisch teuer verkauft – zum Beispiel als Wiener Schnitzel.
Die Geburt männlicher Kälber ist für viele Landwirte "störend": Ein Milchbauer hat kaum Interesse an der Aufzucht eines Bullen. Mast und Aufzucht sind teuer und nicht effizient. Entsprechend niedrig sind die Preise: Gerade mal 50 Euro bringt ein Bullenkalb. Schon ein einziger Tierarztbesuch kostet mehr. Auch die Zeit bis zum Weiterverkauf kostet die Bauern 120 bis 200 Euro. Die kleinen Stiere sind ein Verlustgeschäft. Es sei denn, sie werden früh geschlachtet und ihr Fleisch zu Schnitzeln verarbeitet.
Die "ZDFzoom"-Autorin Katarina Schickling zeigt: Deutschlands Kälbern geht es oft nicht gut. Milch ist billig. Doch für die Aufzucht von Kälbern ist sie zu teuer. Deshalb werden die Tiere den größten Teil ihres Lebens mit einem Gemisch aus Milcheiweiß und Palmöl aufgezogen, dem sogenannten Milchaustauscher. Sie leben in winzigen Einzelabteilen des Stalls und werden aus Eimern gefüttert, mit Gummi-Zitzen.
Dieser "Milchersatz" ist auch der Grund dafür, warum Kalbfleisch weiß und hell ist. Deutsche Kunden halten das für eine Delikatesse. Allerdings: Die Kälber erhalten auch noch in einem Alter, in dem sie normalerweise von der Milch entwöhnt und – auf einer Weide – einfach grasen würden, weiter viel Milchaustauscher und kaum Futter aus Gras, Heu oder Stroh. Der Grund: Es enthält viel Eisen und würde das Fleisch der Kälber rot färben. Rotes Kalbfleisch aber verkauft sich schlechter und zu niedrigeren Preisen.
Experten halten diese Milch-Mast für nicht artgerecht. Prof. Thomas Wittek von der Uniklinik Wien hat bei seinen Untersuchungen auf Schlachthöfen festgestellt, dass viele Tiere unter Eisenmangel litten: "Diesen Eisenmangel muss ich in der Fütterung auslösen, um weißes Fleisch zu erzeugen. Wenn der Verbraucher ein dunkles Kalbfleisch akzeptiert, wären wir das Problem mehr oder minder los."
Dabei gibt es Konzepte für einen besseren Umgang mit Kälbern, die den Bedürfnissen der Tiere näher kommen: die muttergebundene Kälberaufzucht. Die Kälber würden wenigstens in den ersten Wochen bei ihren Mutterkühen bleiben und wären dadurch nachweislich deutlich weniger krankheitsanfällig. In Deutschland ist das noch eine winzige Nische – nur 15 Prozent der Milchkühe behalten ihre Kälber bei sich.
Kerstin Barth vom Thünen-Institut in Westerau will mit ihrer Forschung einen Beitrag dazu leisten und zeigen, dass Weidehaltung auch in der Kälbermast eine Lösung sein könnte: "Wir nehmen die männlichen Kälber, wir mästen sie nicht wie üblich intensiv mit Milch oder Milchaustauscher und Kraftfutter, sondern wir stellen sie auf die Weide. Sie müssen sich von den Flächen hier ernähren, und das bedeutet natürlich weniger Zunahmen. Heißt aber auch, dass sie artgerechter ernährt werden. Aber wo wir ökonomisch enden, wissen wir noch nicht."
"ZDFzoom" wirft einem ernüchternden Blick hinter die Kulissen der deutschen Milchwirtschaft.
- Kamera - Oliver Biebl, Axel Thiede, Björn Schneider, Andreas Deinert